Vohenstrauß
06.05.2020 - 14:19 Uhr
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Nach Aus für Krankenhaus: Mitarbeiter kritisieren fehlende Wertschätzung

Das Krankenhauspersonal in Vohenstrauß ist am Boden zerstört. Nach der Mitteilung vom Ende der akutstationären Versorgung gehen nun einige Sprecher an die Öffentlichkeit.

Monika Zeitler-Kals zeigt die vielen Unterschriften, mit denen noch vor einigen Wochen versucht worden war, das Krankenhaus in Vohenstrauß zu retten. Über 2000 Personen trugen sich ein. Die Mühe war vergebens.

"Man hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen", so umschreiben Stationsleiterin Andrea Dirscherl und die Fachkrankenschwester für Intensivpflege Monika Zeitler-Kals ihre derzeitige Lage am Krankenhaus in Vohenstrauß. "Und das in einer Zeit, in der das Pflegepersonal in der Coronakrise öffentlich beklatscht wird."

Rund eine Woche, nachdem sie in einer kurzfristig einberufenen Personalversammlung der Kliniken Nordoberpfalz AG über das Ende der akutstationären Versorgung in Vohenstrauß zum nächstmöglichen Zeitpunkt informiert worden sind, können sie es noch immer nicht recht fassen. Im Gespräch mit Oberpfalz-Medien kritisieren die Mitarbeiter in einer kleinen Runde am Dienstag nicht nur die Entscheidung an und für sich, sondern vor allem die Art und Weise der Kommunikation. Mit dem Betriebsrat sei diesbezüglich kein einziges Mal gesprochen worden. Auch der Belegarzt Dr. Heinrich Gref sei laut Dirscherl von der Nachricht überrascht worden.

Keine Zahlen zu Vohenstrauß

"Es wurden uns die Einschnitte und das jetzt noch höhere Defizit der Kliniken Nordoberpfalz AG durch die Coronakrise erklärt. Vorgestellt wurden die Häuser Kemnath, Tirschenreuth und Weiden. Es wurden keinerlei Zahlen von Vohenstrauß erwähnt. Wir würden schon gerne Zahlen sehen, um die Entscheidung verstehen zu können. Außerdem würden wir gerne wissen, ob überhaupt über Alternativen nachgedacht worden ist", fordert die Stationsleiterin.

Dirscherl erklärt, dass den Mitarbeitern in der Personalversammlung erst auf Nachfrage mitgeteilt worden sei, dass eine Kurzzeitpflege geplant ist, die jedoch nicht von der Kliniken AG betrieben, sondern fremdvermietet werde. Zeitler-Kals hat einen Verdacht: "Man hat den Eindruck, dass die jetzigen Maßnahmen schon lange beschlossene Tatsache waren. Wie kann es sonst sein, dass uns der künftige Betreiber der Kurzzeitpflege schon vor der Coronakrise hier im Haus Stellen angeboten hat? Er muss gewusst haben, dass am 23. April die Schließung der akutstationären Versorgung beschlossen wird." Ein Wechsel – weg von der AG mit Verträgen des öffentlichen Diensts und hin zu einem Privatbetrieb – komme für keinen der Mitarbeiter in Frage. "Wir wollen in der AG bleiben", betonen beide Frauen.

Kein Konzept für Personalübernahme

Das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens stehe über allem, aber: "Auch wenn man unser Haus aufgibt, wird das das Defizit der AG nicht retten", schätzt Dirscherl. Es gebe bislang kein Konzept zur Übernahme des Personals in andere Häuser der AG. "Sie sind wohl davon ausgegangen, dass wir alle zu dem privaten Betreiber wechseln werden." Dirscherl habe beim Kliniken-Vorstand, Dr. Thomas Egginger, um einen Termin gebeten. Bislang warten die Vohenstraußer Pflegekräfte noch auf eine Antwort.

Es habe den Anschein, dass sich die Versprechungen des Landrats Andreas Meier bezüglich des Erhalts des Hauses in Vohenstrauß ausschließlich auf die Immobilie bezogen haben, vermutet die Stationsleiterin. "Aber davon hat die Bevölkerung leider nichts. Die 90-jährige Oma aus Eslarn kommt dann nicht mehr nach Vohenstrauß, sondern nach Tirschenreuth, Kemnath oder bestenfalls nach Weiden. Dann wird es schwierig mit einem Besuch." Wie sehr die Bevölkerung des Altlandkreises Vohenstrauß am Krankenhaus in der ehemalige Kreisstadt hängt, hätten über 2000 Unterschriften bewiesen, die man vor einigen Wochen zum Erhalt des Hauses gesammelt habe.

Man hat den Eindruck, dass die jetzigen Maßnahmen schon lange beschlossene Tatsache waren. Wie kann es sonst sein, dass uns der künftige Betreiber der Kurzzeitpflege schon vor der Coronakrise hier im Haus Stellen angeboten hat?

Fachkrankenschwester für Intensivpflege Monika Zeitler-Kals

Viele Überstunden aufgebaut

Über Jahre hinweg habe man mit einem Minimum an Personal gearbeitet. "Wir übernahmen Patienten aus dem Klinikum Weiden, die dort kein Geld mehr brachten, da die Liegezeit überschritten war. Oder Patienten, die pflegeaufwendig waren. Zeitgleich betreuten wir die Notaufnahme, den OP und die Endoskopie der Praxis von Dr. Markovic. Wir haben Überstunden aufgebaut und sind zeitweise an die Grenzen unserer Belastbarkeit gekommen. Im vergangenen Jahr gingen die Fallzahlen auch in Weiden zurück, was zur Folge hatte, dass auch wir weniger Patienten hatten." Grundsätzlich müsse man sich fragen, worin der Vorteil liege, wenn pflegeaufwendige Patienten künftig Weidener Betten blockieren, die man für OP-Patienten nutzen könnte.

Ein aufgebrachter Mitarbeiter in der Runde nimmt den Landrat in die Pflicht: "Warum will er jetzt das Defizit nicht mehr tragen? Er steht nicht zu seinem Wort." Zeitler-Kals bezweifelt, dass die Sanierungspläne des Landkreischefs greifen werden: "30 Jahre ist an dem Haus nichts gemacht worden. Und was kann man mit 1,5 Millionen Euro sanieren, wo es doch einen Sanierungsplan gibt, der von etwa 9 Millionen Euro ausgeht?"

Coronastation aus dem Boden gestampft

Die Enttäuschung ist groß: "Diese geringe Wertschätzung haben wir nicht verdient. Wir haben am 28. März von einem Tag auf den anderen eine Coronastation aus den Boden gestampft, richtig Gas gegeben und das sehr gut gemacht. Das war schon enorm, das alles mit vier Schichten zu schaffen. Wir können stolz darauf sein. Keine Pflegekraft hat sich angesteckt. Denn es handelte sich nicht – wie offiziell zu lesen war – um Patienten, die schon über dem Berg waren."

Bezeichnenderweise seien genau zum Zeitpunkt der Aufsichtsratssitzung am 23. April alle Coronapatienten von Vohenstrauß nach Erbendorf verlegt worden. "Und die müssen dann dort wieder von Null anfangen", schimpft die Intensivschwester. Die Tatsache, dass die personelle Zusammensetzung des Aufsichtsrats "Tirschenreuth-lastig" sei, würde für Zeitler-Kals ein besonderes Licht auf die Entscheidung werfen. "Das Krankenhaus in Tirschenreuth wird für sein Defizit von 9 Millionen Euro mit der Wiedereröffnung der Gynäkologie und Geburtshilfestation auch noch belohnt."

Info:

Rückblick auf das vergangene Jahr

Die Stationsleiterin Andrea Dirscherl gibt einen kürzen Rückblick auf wichtige Stationen im vergangenen Jahr: "Zum 1. Juni 2019 sind die Betten in Vohenstrauß von 45 auf 25 befristet reduziert worden, weil das Personal zu viele Überstunden hatte. Im August wurde beschlossen, die gesperrten Betten nicht mehr zu öffnen." Im Oktober sei dann in einer Personalversammlung mitgeteilt worden, dass man plane, das Haus eventuell in ein IGZ (Intersektorales Gesundheitszentrum) oder eine Kurzzeitpflege umzuwandeln. "Ab Herbst war ein deutlicher Rückgang der Zuverlegungen vom Klinikum Weiden zu bemerken, obwohl Sanitäter berichteten, dass die Patienten in Weiden am Gang liegen", meint Dirscherl.

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