Zu niedrige Vergütungen: Klinik-Ärger in Corona-Zeiten

15.5.2020, 10:50 Uhr
Zu niedrige Vergütungen: Klinik-Ärger in Corona-Zeiten

© Sebastian Willnow/dpa

Aufgrund der aktuellen Krise wurden diese Strafzahlungen zwar erst einmal ausgesetzt, doch der Ärger über die neuen Bestimmungen bleibt. Viele Kliniken fordern eine Rücknahme des Gesetzes, das Anfang des Jahres in Kraft getreten ist.

"Wenn wir zum Beispiel einen älteren Patienten noch ein paar Tage länger versorgen, weil die Angehörigen erst einen Platz für eine Anschlussbehandlung oder eine Kurzzeitpflege organisieren müssen, kann uns die Krankenkasse nicht nur die Rechnung kürzen. Zusätzlich wird noch ein Aufschlag verlangt", erklärt Anja Müller, Sprecherin des St. Theresien-Krankenhauses in Nürnberg. Diese "Strafe" für eine beanstandete Rechnung beträgt zehn Prozent der Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem geminderten Rechnungsbetrag, mindestens aber 300 Euro.

Zeichen mangelnder Wertschätzung

Weil sie eine weitere wirtschaftliche Schwächung vieler in finanzielle Schieflage geratenen Krankenhäuser befürchten, gingen die Träger des St. Theresien-Krankenhauses und 18 weiterer mittelfränkischer Einrichtungen auf die Barrikaden. Unter anderem machten sie kurz vor dem Ausbruch von Corona mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen in der Metropolregion Nürnberg ihrem Unmut Luft. Für das Personal in den Kliniken sei dieses Gesetz nicht nur ein Zeichen mangelnder Wertschätzung für ihre alltägliche Arbeit, es gefährde letztlich auch die Versorgungssicherheit der Patienten - so die Kritik der Initiatoren.


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Durch die jetzige Krise im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 hat sich der wirtschaftliche Druck auf die Krankenhäuser zusätzlich verschärft. Unter anderem wegen des zusätzlichen Materials wie Schutzkleidung, das für die Behandlung von Covid-19-Patienten nötig ist und das die Kliniken vorfinanzieren müssen, ist der finanzielle Spielraum weiter geschrumpft. Im St. Theresien-Krankenhaus zum Beispiel schlugen dafür laut Anja Müller bislang außerplanmäßige Ausgaben von etwa einer halben Million Euro zu Buche, die man aber erst einmal nicht mit den Krankenkassen abrechnen kann. Weil bisher für stationäre und teilstationäre Behandlungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus noch keine Fallpauschalen definiert sind, existiert auch noch kein allgemein gültiger Abrechnungsmodus.

Zwar gibt es für jeden stationären Covid-19-Patienten eine Pauschale für persönliche Schutzausrüstung, doch durch die Preissteigerungen in den vergangenen Wochen komme man damit nicht mehr hin, wie Rainer Beyer, Hauptgeschäftsführer des Trägers der mit 260 Betten vergleichsweise kleinen Einrichtung, erklärt. "50 Euro pro Fall für den zusätzlichen Aufwand sind ein schlechter Scherz", schreibt Regina Steenbeek-Schacht, Geschäftsführerin des St. Theresien-Krankenhauses, in einem Brief an Minister Spahn. Die Schutzmaterialien, die man für die Mitarbeiter benötige, seien sehr viel teurer als normalerweise.

"Wenn wir auf die Verteilung von Schutzkleidung durch den Bund gewartet hätten, wären wir schon nicht mehr arbeitsfähig", macht Steenbeek-Schacht ihrem Ärger Luft, und dieser Aspekt ist in der aktuellen Krise nicht der einzige Kritikpunkt. Auch die wirtschaftlichen Verluste durch die für einen eventuellen Andrang von Covid-19-Patienten freigehaltenen Betten machen den Trägern schwer zu schaffen.

Freihaltepauschale zu niedrig

Die dafür zugesagte Freihaltepauschale von 560 Euro pro Tag und Bett deckt in vielen Häusern die Kosten beziehungsweise Einnahmeverluste nur unzureichend. Und manche Träger haben die Befürchtung, dass auch die stationäre Behandlung von Corona-Opfern die Defizite vergrößern.

Die Frage ist zum Beispiel, wann und wie deren Behandlung in das viel kritisierte Klassifikationssystem - in der Fachsprache "DRG" für "Diagnosis Related Groups" genannt - ein pauschaliertes Abrechnungsverfahren von Krankenhausfällen aufgenommen wird und wie dann tatsächlich abgerechnet wird. "14 Tage Aufenthaltsdauer im Krankenhaus sind für einen Covid-19-Patienten das Minimum, allein schon wegen der Quarantäne", gibt Anja Müller zu bedenken. Bisher beträgt die mittlere Soll-Verweildauer für ein auf der Normalstation behandeltes Corona-Opfer gemäß des DRG-Ansatzes aber gerade mal 3,5 Tage.

Politiker an Versprechen erinnern

Manche Träger haben nun die Befürchtung, dass sie auf einem Teil ihrer Kosten sitzen bleiben und im Extremfall vielleicht sogar die eingangs erwähnten Strafzahlen für die stationäre Versorgung von Infizierten leisten müssen. Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, glaubt trotz aller Kritik - auch seines Verbandes - am umstrittenen MDK-Reformgesetz jedoch nicht an ein solches Szenario. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ministerpräsident Markus Söder und auch Jens Spahn hätten gesagt, dass kein Krankenhaus wegen der Coronakrise wirtschaftlichen Schaden erleiden werde. "An dieses Versprechen werden wir sie erinnern."


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