S 56 KR 2033/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
56
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 KR 2033/19
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 16/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für die Berechtigung zur Erbringung mindestmengenbelegter Leistungen ist keine positive Leistungsentscheidung der Landesverbande erforderlich. Richtige Klageart gegen die Widerlegungsentscheidung ist die Anfechtungsklage. Eine Anhörung vor Erlass der Widerlegungsentscheidung ist nicht erforderlich.
2. Zweifel an der Prognose des Krankenhauses sind begründet, wenn sie nicht nur auf Vermutungen beruhen, sondern sich auf konkrete Tatsachen stützen oder aus Tatsachen ableitbar sind. Die Zweifel sind erheblich, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Prognose unrichtig ist, mithin von den Tatsachengrundlagen und mitgeteilten Umständen nicht getragen wird.
3. Schwächen in der Prognosebegründung oder das Fehlen von Nachweisen zum Beleg der vorgetragenen Einzelfallumstände machen nicht die Prognose formunwirksam, sondern senken die Anforderungen an die Begründung der Zweifel bei der Widerlegungsentscheidung.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin, im Jahr 2020 unter die Mindestmengenregelung fallende Leistungen erbringen und abrechnen zu dürfen.

Die Klägerin ist Trägerin des zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zugelassenen Krankenhauses E. Sie versorgt gesetzlich Versicherte in diesem Krankenhaus u.a. mit Kniegelenks-Totalendoprothesen (im folgenden Knie-TEP). Die Beklagten zu 1) bis 6) sind die Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen im Land Berlin.

Mit Beschluss vom 18. Dezember 2014 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) auf Grundlage von § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) für zugelassene Krankenhäuser im Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, die Mindestmenge für die Versorgung mit Knie-TEP in Vollzug gesetzt und als Mindestmenge die Fallzahl von 50 festgelegt (Mindestmengenregelung – MmR; BAnz AT vom 31. Dezember 2014 B 11). Die MmR wurde mit Beschluss des GBA vom 21. März 2016 ohne Abweichung in der Mindestmenge für Knie-TEP geändert.

Im Krankenhaus der Klägerin wurden im Jahr 2017 insgesamt 52 Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP versorgt. Auf das erste Halbjahr entfielen 27, auf das zweite Halbjahr 25 Knie-TEP-Operationen. Im 2. Halbjahr 2017 und 1. Halbjahr 2018 erfolgten insgesamt 47 Versorgungen mit Knie-TEP, wobei auf das 1. Halbjahr 2018 22 Fälle entfielen.

Im Juli 2018 übermittelte die Klägerin den Beklagten die Fallzahlen für Knie-TEP aus dem Jahr 2017 sowie dem 2. Halbjahr 2017 und 1. Halbjahr 2018. Sie benannte als Grund für den Rückgang der Zahlen einen bevorstehenden Wechsel des Chefarztes zur Jahresmitte 2018. Zugleich prognostizierte sie das Erreichen der Mindestmenge im Jahr 2019. Zum 1. August 2018 nahm Dr. Z die Tätigkeit als neuer Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie im Krankenhaus der Klägerin auf. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2018 bestätigten die Beklagten die Mindestmengenprognose der Klägerin für die Erbringung von Knie-TEP im Jahr 2019. Zur Begründung führten sie aus, auch wegen der Angaben zur personellen Veränderung sei davon auszugehen, dass die Mindestmengenvorgabe für Knie-TEP erreicht werde.

Im Jahr 2018 wurden im Krankenhaus der Klägerin insgesamt 40 Patientinnen und Patienten mit einer Knie-TEP versorgt. Auf das erste Halbjahr entfielen 22, auf das zweite Halbjahr 18 Knie-TEP-Operationen. Im 2. Halbjahr 2018 und 1. Halbjahr 2019 erfolgten insgesamt 43 Versorgungen mit Knie-TEP, wobei auf das 1. Halbjahr 2019 25 Fälle entfielen.

Mit Schreiben vom 8. Juli 2019 übermittelte die Klägerin der Beklagten schriftlich die Mindestmengenprognose für das Jahr 2020. Hierfür nutzte sie die von GBA beschlossene Spezifikation und übermittelte die Daten in maschinenlesbarer Form unter Angabe des Standortkennzeichens ihres Krankenhauses. In der Mindestmengenprognose erklärte sie unter Ziffer 6. "Kniegelenk-Totalendoprothese pro Krankenhaus (Betriebsstätte)" im Jahr 2018 insgesamt 40 Patienten mit Knie-TEP versorgt und im 2. Halbjahr 2018 und 1. Halbjahr 2019 insgesamt 43 Versorgungen mit Knie-TEP durchgeführt zu haben. Für das Jahr 2020 prognostizierte sie mehr als 50 Versorgungsfälle.

Im Weiteren erklärte die Klägerin in den vier weiteren Angabefeldern:

Personelle Veränderungen, die eine berechtigte Mindestmengenerwartung für 2020 begründen:

"Chefarzt-Wechsel zum 3. Quartal 2018"

Strukturelle Veränderungen, die eine berechtigte Mindestmengenerwartung für 2020 begründen:

"—"

Weitere Umstände zur Begründung der berechtigten Mindestmengenerwartung für 2020:

"2019 bereits 25 Kniegelenkstotaleingriffe zu HJ erreicht. Kooperation ab 2020 fokus[s]iert mit niedergelassenem Zuweiser"

Prognose für 2020:

"Es besteht die berechtigte Erwartung, dass die Mindestmenge erreicht wird." Weitere Erläuterungen oder Nachweise fügte die Klägerin nicht bei. Mit Schreiben vom 20. August 2019 erklärten die Beklagten gegenüber der Klägerin schriftlich: Die abgegebene Prognose für das Kalenderjahr 2020 für den Leistungsbereich Kniegelenk-Totalendoprothesen wird aufgrund begründeter erheblicher Zweifel widerlegt. Die Erbringung von Leistungen am Klinikum E im Leistungsbereich Kniegelenk-Totalendoprothesen unterliegt im Kalenderjahr 2020 dem gesetzlichen Leistungserbringungsverbot.

Zur Begründung führten die Beklagten aus, dass für den Leistungsbereich Knie-TEP eine jährliche Mindestmenge von 50 Fällen pro Standort eines Krankenhauses gelte, die Klägerin im Kalenderjahr 2018 die erforderliche Mindestmenge um 20 % und im 2. Halbjahr 2018 und 1. Halbjahr 2019 um 14 % unterschritten habe. Die Verteilung auf Halbjahre ergebe 22 Versorgungen im 1. Halbjahr 2018, 18 im 2. Halbjahr 2018 und 25 im 1. Halbjahr 2019. Damit könne die mengenmäßige Erwartung für das Jahr 2020 nicht begründet werden. Aus dem Verlauf der Leistungszahlen seit 2017 werde deutlich, dass das Problem des sukzessiven Leistungsabfalles bereits über einen längeren Zeitraum bestehe und mit einem Chefarztwechsel "der erst zum 01.08.2019 erfolgt ist" nicht begründet werden könne. Zudem dürfe dieser Umstand nicht erneut zur Begründung der Prognose herangezogen werden. Weiteren Umständen kämen in der Prüfung keine besondere Bedeutung zu, weil die Klägerin eine substantielle Argumentation nicht ausgeführt habe. Soweit auf eine in der Zukunft liegende Kooperation abgestellt werde, seien keine weiteren Erläuterungen erfolgt, ob und in welcher Form diese Kooperation avisiert ist oder ob bereits vertragliche Bindungen bestehen. Ob die unzureichend konkretisierte Kooperation mit einem nicht näher benannten niedergelassenen Zuweiser hinreichende und dauerhafte Zuweisungen gewährleiste, sei nicht dargelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagten Bezug genommen.

Die mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Entscheidung der Beklagten ging der Klägerin am 23. August 2019 zu.

Am 23. September 2019 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, das von den Beklagten ausgesprochene Leistungsverbot sei rechtswidrig. Zwar habe die Klägerin im Jahr 2018 nicht die erforderliche Mindestmenge erreicht, dabei handele es sich jedoch um ein "Ausreißerjahr". Entgegen der Darstellung der Beklagten habe der Chefarztwechsel im 3. Quartal 2018 und nicht erst 2019 stattgefunden. Der Kontakt zu den ambulanten Ärzten habe erst intensiviert werden müssen, was einige Zeit gedauert habe. Aus diesem Grund habe Ziffer 4 der Anlage 2 MmR in der bis zum 1. Dezember 2017 geltenden Fassung bei personeller Neuausrichtung Übergangszeiträume von bis zu 24 Monaten eingeräumt. Die Fallzahl von 25 des 1. Halbjahres 2019 belege einen Anstieg. Ferner habe sie ihre Prognose für das Jahr 2019 auf den Weggang des Chefarztes und die damit verbundenen Rückgänge der Fallzahlen gestützt, während sie bei der Prognose für das Jahr 2020 auf den Zugang des neuen Chefarztes und die damit verbundenen Anlaufschwierigkeiten abgestellt habe.

Jedenfalls stelle die Entscheidung der Beklagten für die Klägerin eine unbillige Härte dar, da das Leistungsverbot sie in ihrer Berufsausübungsfreiheit treffe und in ihrem Krankenhaus für Knie-TEP eine besonders gewebeschonende Operationstechnik genutzt werde. Die jahrelange positive Leistungshistorie im Krankenhaus der Klägerin könne unter Berücksichtigung der früheren Rechtsprechung zu Mindestmengenregelungen nicht außer Acht gelassen werden. Zudem sei vor Erlass der Entscheidung keine Anhörung erfolgt.

Die Klägerin ist der Ansicht, die erhobene Anfechtungsklage sei die zutreffende Klageart. Die Widerlegungsentscheidung der Beklagten stelle einen Verwaltungsakt dar. Die Beseitigung der belastenden Widerlegungsentscheidung genüge, um das Leistungserbringungsverbot zu beseitigen. Eine Bestätigung der Prognose der Krankenhäuser sei rechtlich nicht vorgesehen. Für die Auffassung, dass eine mindestmengenbelegte Leistung erst nach einer positiven Feststellung der Berechtigung durch die Landesverbände der Krankenkassen erbracht werden dürfte, fehle eine gesetzliche Grundlage.

Von Januar bis November 2019 haben die Ärzte im Krankenhaus der Klägerin 52 Versicherte von gesetzlichen Krankenkassen und zusätzlich drei privat Versicherte mit Knie-TEP versorgt.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Überschreitung der Mindestmenge im Jahr 2019 sei als weiterer Umstand zur Begründung der mengenmäßigen Erwartung für das Jahr 2020 im Sinne von § 4 Abs. 2 S. 3 MmR heranzuziehen. Auch zeitlich nach der Entscheidung der Beklagten seien Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die eine Erreichung der Qualitätsanforderungen bestätigen.

Die Klägerin hat auf gerichtliche Nachfrage angegeben, je Versorgung eines Versicherten mit einer Knie-TEP einen Erlös von bis zu 8.718,21 EUR zu erzielen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 20. August 2019 aufzuheben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie verweisen zur Begründung auf ihre Entscheidung vom 20. August 2019. Sie halten die Widerlegung der Mindestmengenprognose der Klägerin für rechtmäßig. Die Prognose trage die Erwartung von mehr als 50 Versorgungen mit Knie-TEP nicht, da die Fallzahlen seit 2018 nicht ausgereicht hätten, um die Mindestmenge zu erreichen. Zwar sei in der Entscheidung der Beklagten die Jahreszahl des Chefarztwechsels fehlerhaft angegeben. Dieser Fehler sei jedoch unerheblich, da ersichtlich auch die Beklagte nur von einem einmaligen Chefarztwechsel ausgegangen sei und der Chefarztwechsel für das Jahr 2020 nicht erneut als Grund für die Mindestmengenunterschreitung angegeben werden könne. Andere personelle oder strukturelle Veränderungen seien nicht mitgeteilt worden. Eine unbillige Härte liege nicht vor, da es an einer atypischen Fallgestaltung fehle und §§ 6 bis 8 der MmR insoweit keine Ausnahme vorsehe. Die Leistungsmenge des gesamten Jahres 2019 rechtfertige keine Abweichung von der Entscheidung, da der maßgebliche Zeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der Widerlegungsentscheidung die letzte Entscheidung der Landesverbände sei. Die Leistungszahlen des 2. Halbjahres 2019 seien nur für die Prüfung der Prognose für das Jahr 2021 zu berücksichtigen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass gegen die Widerlegung einer Prognose im Zusammenhang mit den Mindestmengenregelungen eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu erheben sei. Der Regelung in § 136b Abs. 4 SGB V könne entnommen werden, dass auch der bestätigenden Entscheidung der Landesverbände Rechtsqualität beigemessen werden könne. Nur gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen vorgetragene Tatsachen würden Grundlage der Prognose, erst die Kenntnisnahme und Prüfung vervollständige das Prognoseverfahren. Die nachfolgende Bestätigung stelle eine sozialmedizinische Bewertung dar, sie sei mit einer statusrelevanten positiven Entscheidung vergleichbar und daher von rechtlicher Relevanz. Die von den Krankenhäusern mit der Prognose nachzuweisenden Umstände, müssten von den Landesverbänden gewürdigt und abgewogen werden, so dass nur eine bestätigte Prognose als "positiv" angesehen werden könne. Die Ansicht, jeder Angriff auf die Widerlegungsentscheidung lasse die Prognose wiederaufleben, überschätze die Einsichtsfähigkeit und Beurteilungskompetenz der Krankenhäuser und nehme der Mindestmengenregelung faktisch jede Durchsetzungskraft, wodurch der Effekt für den Patientenschutz vermindert werde. Ferner erschließe sich nicht, warum die Mindestmengenwiderlegung ein Verwaltungsakt sein solle, die fristgebundene Bestätigung der Prognose hingegen nur eine deklaratorische Mitteilung. Auch Sinn und Zweck des Leistungserbringungsverbots sprächen dafür, dass eine verbindliche Bestätigung durch die Landesverbände Voraussetzung einer Leistungserbringung sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten übersandten Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung waren und der Kammer bei ihrer Entscheidung vorlagen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

1.
Die Klage ist zulässig. Die Zuständigkeit des Sozialgerichts ergibt sich aus § 136b Abs. 4 S. 7 SGB V. Die Sonderzuständigkeit gemäß § 57a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) greift insofern nicht, weil die Entscheidungen zwar auf Landesebene getroffen worden sind, aber nur mit Wirkung für ein einzelnes Krankenhaus und nicht für das gesamte Landesgebiet. Die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Berlin folgt aus § 57 Abs. 1 SGG.

Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGG.

Bei der Widerlegungsentscheidung der Beklagten handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), was von der weit überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nicht bezweifelt wird (Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. August 2019 – L 1 KR 196/19 B ER –, Rn. 20 juris; Sozialgericht [SG] Berlin, Beschluss vom 10. Mai 2019 – S 182 KR 322/19 ER, Rn. 29 juris; SG Braunschweig, Urteil vom 21. Januar 2020 – S 54 KR 399/19, Rn. 21 juris; für viele und mit ausführlicher Begründung: Bockholdt, NZS 2019, 814, 815 f. m.w.N.; s.a. GBA, tragende Gründe zum Beschlussentwurf des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Mindestmengenregelungen vom 17.11.2017, abrufbar unter https://www.g-ba.de; aA lediglich Hauck in jurisPK-MmR, § 5 Rn. 40&8201;ff.).

Mit der Anfechtungsklage kann die Klägerin ihr Rechtsschutzziel umfassend erreichen. Solange die Vollziehbarkeit oder wenn die Wirksamkeit der Widerlegungsentscheidung nach § 136&8201;b Abs. 4 S. 6 SGB V beseitigt ist, bleibt es bei der Prognose des Krankenhausträgers und der sich aus § 136&8201;b Abs. 4 S. 3 SGB V ergebenden Berechtigung zur Leistungserbringung. Die Anfechtungsklage hat nach § 86a Abs. 1 S. 1 SGG aufschiebende Wirkung, da keiner der in § 86a Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 SGG geregelten Ausnahmefälle vorliegt, insbesondere der Gesetzgeber in § 136&8201;b Abs. 4 SGB V den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht gesetzlich angeordnet hat (BayLSG, Beschluss vom 25. Juli 2019, L 4 KR 117/19 B ER, Rn. 43 ff. juris; Bockholdt, NZS 2019, 814, 815 ff.).

Nach Wortlaut, Systematik und Normzweck des § 136b SGB V bedarf es für eine Leistungsberechtigung keiner positiven Entscheidung der Landesverbände. § 136&8201;b Abs. 4 SGB V sieht eine solche nicht ausdrücklich vor. § 136b Abs. 4 S. 3 SGB V fordert lediglich die Darlegung der Prognose, § 136b Abs. 4 S. 6 gibt die Möglichkeit zur Widerlegung. § 136&8201;b Abs. 4 S. 7 SGB V eröffnet "gegen die Entscheidung nach Satz 6" – mithin gegen die Widerlegungsentscheidung der Landesverbände – den Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit. Der Gesetzgeber benennt hingegen keine Rechtsschutzmöglichkeit zur Erlangung einer Prognosebestätigung. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte prospektive Klärung, ob ein Leistungserbringungsverbot vorliegt, ist auch – und effektiver – ohne eine solche positive Feststellung im Rahmen der Anfechtungsklage möglich, gerade in Bezug auf die vom Gesetzgeber gewünschte schnelle Rechtsschutzmöglichkeit. Die in § 5 Abs. 5 MmR auch für den Fall der Bestätigung der Prognose vorgesehene Mitteilung der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen hat lediglich informellen Charakter, zumal ansonsten die Regelungen des § 5 Abs. 6 MmR zur Widerlegung der Prognose überflüssig wären. Dem Risiko des Missbrauchs der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage können die Landesverbände durch eine Anordnung der sofortigen Vollziehung begegnen, was wegen der überragenden Bedeutung des Gesundheitsschutzes im öffentliche Interesse läge (sorgfältig zu Vorstehendem Bockholdt, NZS 2019, 814, 817 ff., m.w.N.; auf das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke verweist Becker, KrV 2019, 215, 223).

Der Gegenansicht, wonach es die Rechtsklarheit erfordere, dass die Frage nach der Richtigkeit der von den Krankenhausträgern abgegebenen Prognose nicht offen bleiben dürfe und daher eine Bestätigung der Prognose Leistungsvoraussetzung sei (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. August 2019 – L 1 KR 196/19 B ER, Rn. 20, juris; SG Braunschweig, Urteil vom 21. Januar 2020 – S 54 KR 399/19, Rn. 21 juris; wohl auch Knispel, jurisPR-SozR 21/2019 Anm. 2), folgt die Kammer nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die Bestätigung der Prognose nach § 5 Abs. 5 MmR einen Verwaltungsakt darstellt. Auch wenn die Beklagten die Einsichtsfähigkeit und Beurteilungskompetenz der Krankenhäuser in Zweifel ziehen, entspricht es der vom Gesetzgeber gewählten Regelungssystematik in § 136b Abs. 4 SGB V und dem auch in § 137c Abs. 1 SGB V enthaltenen Grundsatz, dass für die stationäre Leistung in Krankenhäusern eine grundsätzliche Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt besteht. Ausdrücklich wurde der GBA in § 136b Abs. 4 S. 5 SGB nur ermächtigt, das Nähere zur Darlegung der Prognose zu regeln. Regelungsbedarf zu einer etwaigen Bestätigungsentscheidung hat der Gesetzgeber gerade nicht gesehen. Schließlich kann aus der Möglichkeit, in Ausnahmefällen auch bei Nichterreichen der erforderlichen Mindestmenge die Leistung erbringen zu dürfen (vgl. §§ 6 bis 8 MmR), die Notwendigkeit eines die Leistungs- bzw. Bewirkungsberechtigung konstitutiv feststellenden Verwaltungsaktes nicht abgeleitet werden (so aber SG Berlin, Beschluss vom 10. Mai 2019 – S 182 KR 322/19 ER, Rn. 30 juris). Denn die – nach § 4 Abs. 4 S. 1 MmR abschließenden – Ausnahme- und Übergangsregelungen in §§ 6 bis 8 MmR normieren objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die keine Abwägungs- oder Ermessensentscheidung der Landesverbände voraussetzen. Das Leistungserbringungsverbot auf dem Gebiet der mindestmengenbelegten Leistungen rechtfertigt sich allein mit Blick auf die gewünschte Qualität der konkreten Behandlungsleistung (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2012 – B 1 KR 34/12 R, Rn. 36 juris), berührt jedoch den allgemeinen Versorgungsauftrag eines Krankenhauses nicht (vgl. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 33/13 R, Rn. 15 juris; aA SG Berlin, Beschluss vom 10. Mai 2019 – S 182 KR 322/19 ER, Rn. 33 juris, und Knispel, jurisPR-SozR 21/2019 Anm. 2).

Mangels Erfordernisses einer Bestätigung der Prognose ist neben der Anfechtungsklage auch keine Feststellungsklage erforderlich, für diese fehlt ein Feststellungsinteresse (aA SG Braunschweig, Urteil vom 21. Januar 2020 – S 54 KR 399/19, Rn. 21 juris; SG Berlin, Beschluss vom 10. Mai 2019 – S 182 KR 322/19 ER, Rn. 33 juris).

Ein Vorverfahren war nach § 78 Abs. 1 S. 2 SGG i.V.m. § 136b Abs. 4 S. 8 SGB V nicht durchzuführen.

2.
Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20. August 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 136b Abs. 4 S. 3 SGB V muss der Krankenhausträger gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen für die Zulässigkeit der Leistungserbringung jährlich darlegen, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird (Prognose). Eine berechtigte mengenmäßige Erwartung liegt nach § 136b Abs. 4 S. 4 SGB V in der Regel vor, wenn das Krankenhaus im vorausgegangenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses erreicht hat. Der GBA hat gemäß § 136b Abs. 4 S. 5 SGB V das Nähere zur Darlegung der Prognose im Beschluss nach § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V zu regeln. Davon hat der GBA Gebrauch gemacht und die MmR beschlossen (zur Vorgängerregelung vgl. BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 33/13 R, Rn. 19 ff.).

Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Entscheidung der Beklagten ist § 136b Abs. 4 S. 6 SGB V. Danach können die Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose widerlegen.

a.
Die Entscheidung der Beklagten ist formell nicht zu beanstanden.

Die MmR bestimmt in §§ 4 und 5 Näheres über Grundlagen und Inhalt sowie Frist und Form der vom Krankenhausträger abzugebenden Prognose. Diese Regelungen sind nach § 10 Abs. 1 S. 2 MmR ab dem Jahr 2019 anzuwenden. Da die hier streitgegenständliche Prognose für das Jahr 2020 nach § 136b Abs. 4 S. 3 SGB V im Jahre 2019 abzugeben war, finden die Bestimmungen der §§ 4 und 5 MmR Anwendung.

Die formellen Anforderungen für die Widerlegung der klägerischen Prognose sind eingehalten, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. Die Beklagten haben der Klägerin ihre Entscheidung gemäß § 5 Abs. 5 i.V.m. § 5 Abs. 6 S. 2 MmR frist- und formgerecht mitgeteilt.

Eine Anhörung der Klägerin vor Erlass der Widerlegungsentscheidung war nicht erforderlich. Nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB X war von einer Anhörung vor Widerlegung der Prognose abzusehen, da eine sofortige Entscheidung der Landesverbände der Krankenkasse im öffentlichen Interesse notwendig erscheint und durch die Anhörung die Einhaltung der für die Entscheidung maßgeblichen Frist nach § 5 Abs. 6 S. 2 MmR in Frage gestellt würde. Eine Anhörung ist in den detaillierten Verfahrensvorgaben nach § 136b Abs. 4 SGB V sowie § 5 MmR auch nicht vorgesehen. Die Durchführung eines Anhörungsverfahrens wäre innerhalb der kurzen zeitlichen Vorgaben nicht leistbar. Zudem haben die Krankenhäuser durch ihre Prognoseerklärung vorab Gelegenheit, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

b.
Die Widerlegungsentscheidung der Beklagten ist auch materiell rechtmäßig.

Die Beklagte hat eine formell wirksame Prognose der Klägerin zu Recht widerlegt, da begründete erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der von der Klägerin getroffenen Prognose bestehen.

aa.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten eine wirksame Prognose abgegeben. Die Klägerin hat darin auf Umstände abgestellt, die geeignet sind, eine Prognose der künftigen Fallzahlen zu stützen. Die formulierte Erwartung der künftigen Fallzahlen lag im Rahmen des Möglichen und war damit aus Sicht der Klägerin im Sinne von § 136 Abs. 4 S. 3 SGB V berechtigt.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 8. Juli 2019 gemäß § 136b Abs. 4 S. 3 SGB V die ihrer Ansicht nach bestehende Erwartung dargelegt, die erforderliche Mindestmenge von 50 Knie-TEP-Operationen im nächsten Kalenderjahr voraussichtlich zu erreichen. Sie hat der Beklagten ihre Prognose gemäß § 5 Abs. 1 MmR frist- und formgerecht übermittelt. Die Angaben entsprachen den Vorgaben gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 a) bis c) MmR. Die Klägerin hat ihre Prognose gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 MmR auf die Knie-TEP als im Katalog planbarer Leistungen enthaltene Operation bezogen und hat die aus ihrer Sicht voraussichtliche Leistungsentwicklung unter Berücksichtigung der in § 4 Abs. 2 S. 2 MmR benannten Umstände dargelegt. Dabei konnte sie ihre mengenmäßige Erwartung zwar nicht auf ausreichende Fallzahlen im Jahr 2018 oder im 2. Halbjahr 2018 und 1. Halbjahr 2019 stützen, jedoch hat sie ihre Ansicht darlegt, dass die Arbeit des neuen Chefarztes die Fallzahlen erhöhen werde. Sie hat ihre Prognose nach § 4 Abs. 2 S. 3 MmR ferner darauf gestützt, dass im Jahr 2019 bereits 25 Knie-TEP erreicht wurden und sie die Kooperation mit einem Zuweiser intensivieren wolle.

bb.
Die Beklagten haben diese Prognose der Klägerin zu Recht widerlegt, ihr stehen begründete erhebliche Zweifel entgegen, § 136b Abs. 4 S. 6 SGB V.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes genügen Zweifel an der Richtigkeit, so dass durch die Beklagten keine Beweiserhebung über die Richtigkeit der mitgeteilten Prognosegrundlagen oder die Zulässigkeit der vom Krankenhaus gezogenen Schlussfolgerungen erforderlich ist. Die Landesverbände sind ferner nicht verpflichtet, eigene Ermittlungen zur Richtigkeit der Fallzahlen und der Einzelfallumstände vorzunehmen. Nach der gesetzlichen Konzeption soll sich die Widerlegungsentscheidung auf die mitgeteilten Fallzahlen und die nachgewiesenen Umstände stützen. Ein Anlass zu Ermittlungen oder Nachfragen durch die Beklagten dürfte nur bei offensichtlichen Unrichtigkeiten wie z.B. ersichtlichen Schreibfehlern bestehen (zu einer Nachfrage der Landesverbände vgl. den Fall des SG Braunschweig, Urteil vom 21. Januar 2020 – S 54 KR 399/19, Rn. 4 f. und 27 juris), vorliegend bestand er nicht.

Nach Auffassung der Kammer sind Zweifel begründet, wenn sie nicht nur auf Vermutungen beruhen, sondern sich auf konkrete Tatsachen stützen oder aus Tatsachen ableitbar sind. Zweifel sind erheblich, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Prognose unrichtig ist, mithin von den Tatsachengrundlagen und mitgeteilten Umständen nicht getragen wird (ähnlich SG Braunschweig, Urteil vom 21. Januar 2020 – S 54 KR 399/19, Rn. 43 juris).

Schwächen in der Prognosebegründung oder – wie hier – das Fehlen von Nachweisen zum Beleg der vorgetragenen Einzelfallumstände machen nicht die Prognose formunwirksam, sondern senken die Anforderungen an die Begründetheit der Zweifel bei der Widerlegungsentscheidung. Nach Überzeugung der Kammer besteht ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Begründungstiefe der Prognose und der Begründungsnotwendigkeit der Widerlegung.

Aus den von der Klägerin angegebenen Tatsachengrundlagen und weiteren Umständen ergibt sich nach Überzeugung der Kammer eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die getroffene Prognose unrichtig ist. Die mitgeteilten Umstände tragen nach Bewertung des einzelnen und des kumulierten Fallzahlenpotentials nicht den Schluss, dass die aus den Zahlen der letzten Halbjahre ableitbare Untererfüllung ausreichend wird kompensiert werden können.

Die begründeten erheblichen Zweifel an der Prognose für das Jahr 2020 folgen im vorliegenden Fall daraus, dass die erforderliche Leistungsmenge im vorangegangenen Kalenderjahr 2018 mit 40 Knie-TEP die festgesetzte Mindestmenge um 20 Prozent unterschritt (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 MmR) und auch die Leistungsmenge in den letzten zwei Quartalen des vorausgegangenen Kalenderjahres 2018 und den ersten zwei Quartalen des zum Zeitpunkt der Prognose laufenden Kalenderjahres 2019 mit 43 die Mindestmenge um 14 Prozent unterschritt (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 MmR). Zutreffend beziehen die Beklagten die Entwicklung seit 2017 in die Betrachtung mit ein, da dies eine Rückschluss auf langfristige Entwicklungstendenzen ermöglicht (nach aA soll dies unzulässig sein, vgl. SG Braunschweig, Urteil vom 21. Januar 2020 – S 54 KR 399/19 –, Rn. 30 juris). Die Beklagten stützten sich insoweit auf tatsachenbasierte Annahmen, die ein längeres und deutliches Abweichen vom Erreichen der Mindestmengenzahl belegen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klägerin mit dem Hinweis auf personelle Veränderungen – hier den Chefarztwechsel – nicht ausgeschlossen (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 MmR). Zwar sieht § 4 Abs. 3 MmR vor, dass personelle, strukturelle und gegebenenfalls weitere Veränderungen, die das Erreichen der Mindestmengenzahl verhindert haben, kein weiteres Mal in Folge als alleiniger Umstand zur Begründung der Prognose herangezogen werden können. Vorliegend hat die Klägerin den Chefarztwechsel nicht als alleinigen Grund angegeben. Zudem ist zu berücksichtigen, dass jeweils die Folgen des Weggangs des Chefarztes, einer Zeit der Vakanz und eines Zugangs eines neuen Chefarztes sich regelmäßig länger auswirken, als für den relativ kurzen Prognosezeitraum von 12 Monaten. Daher ist nach Ansicht der Kammer zwischen Weggang eines Chefarztes und Zugang eines neuen zu unterscheiden. Der Arbeitsantritt des neuen Chefarztes lässt jedoch nicht den zwingenden Schluss zu, dass mit Aufnahme seiner Tätigkeit eine Steigerung der Fallzahlen in einer Weise zu erwarten ist, dass die Mindestmenge erreicht werden wird. Die Klägerin hat in der Prognose nicht mitgeteilt, welcher Chefarzt eingestellt wurde und inwieweit das Renommee des Dr. Z zum Erreichen der Mindestenge wird beitragen können.

Strukturelle Veränderungen hat die Klägerin nicht mitgeteilt, sie waren daher in die Entscheidung nicht einzubeziehen (§ 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 MmR).

Zu Recht haben die Beklagten bezweifelt, dass die weiteren von der Klägerin mitgeteilten Umstände die Begründung der berechtigten mengenmäßigen Erwartung gemäß § 4 Abs. 2 S. 3 MmR tragen. Die von der Klägerin beabsichtige Zusammenarbeit mit einem einzelnen nicht benannten Zuweiser lässt nicht auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Erreichens der Mindestmenge schließen. Die Klägerin hat das Wort "Zuweiser" in der Einzahl verwendet. Es bestehen auch aufgrund der grammatikalischen Wahl des Adjektivs "niedergelassenem Zuweiser" keine Anhaltspunkte, dass die Klägerin versehentlich mehrere Zuweiser in Einzahl angegeben hat. Darüber hinaus hat sie nur mitgeteilt, eine Kooperation zu "fokussieren". Aus der Wortwahl kann allein geschlossen werden, dass die Klägerin beabsichtigte, eine Zusammenarbeit in den Blick zu nehmen. Aus dem Zusatz "ab 2020" lässt sich zulässigerweise schlussfolgern, dass eine beabsichtigte Zusammenarbeit mit einem Zuweiser erst spät im Jahr 2020 zu einer Erhöhung der Fallzahlen der Knie-TEP führen wird. Unklar blieb zudem, ob die Zusammenarbeit mit dem Zuweiser aus Gründen der örtlichen Nähe oder seiner ambulanten Fallzahlen überhaupt Auswirkungen auf die Fallzahlen im Krankenhaus der Klägerin hätte haben können.

Dem von der Klägerin angegebenen weiteren Umstand, dass im Jahr 2019 bereits 25 Knie-TEP erreicht wurden, ist nur ein geringes Gewicht beizumessen. Diese Fallzahl belegt zwar eine Veränderung in der Verlaufsentwicklung seit dem 2. Halbjahr 2017, sie wurde jedoch schon bei der Bewertung der Leistungsmenge nach § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 MmR berücksichtigt.

Eine weitergehende Begründung der Widerlegungsentscheidung war nicht erforderlich. Die Beklagten haben sich sorgfältig mit den wenigen und nicht vertieften Angaben der Klägerin auseinandergesetzt und die erheblichen und begründeten Zweifel an der Richtigkeit der Prognose nachvollziehbar dargelegt.

cc.
Umstände, die erst nach Darlegung der Prognose eingetreten sind, können nicht gegen die Rechtmäßigkeit der Widerlegungsentscheidung angeführt werden. Zwar hat die Klägerin die erforderliche Mindestmenge an Knie-TEP im Jahr 2019 im Ergebnis tatsächlich überschritten und damit für das Jahr 2020 nachträglich dokumentiert, dass sie jene erforderliche Menge an Leistungen erbracht hat, die zur Gewährleistung der Qualität des Behandlungsergebnisses vorausgesetzt wird. Dieser Umstand ist für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Widerlegungsentscheidung jedoch nicht von Bedeutung. Denn die Widerlegungsentscheidung hat sich nach § 136b Abs. 4 S. 6 SGB V i.V.m. § 5 Abs. 6 S. 1 MmR allein an den der Prognose zugrunde gelegten Tatsachen zu orientieren.

Die sich daraus für die Klägerin ergebenden wirtschaftlichen Nachteile hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, um ein formelles Verfahren zur Ermittlung der Mindestmengenprognose zu schaffen. Vor dem Hintergrund der schwerwiegenden Konsequenzen für die Krankenhäuser einerseits und den Patientenschutz andererseits war es notwendig, eindeutige und transparente Regelungen zu treffen (vgl. die Tragenden Gründe zum Beschlussentwurf des GBA über eine Änderung der Mindestmengenregelung vom 17. November 2017, S. 6 zu § 3 Abs. 3).

Auch prozessual können nachträgliche Umstände nicht berücksichtigt werden. Im Rahmen der Anfechtungsklage ist grundsätzlich auf die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe abzustellen (Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, 12. Auf. 2017, SGG § 54 Rn. 33). Ausnahmen von diesem Grundsatz liegen nicht vor. Es handelt es sich bei der Widerlegungsentscheidung nicht einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit von nachträglichen Änderungen der Rechts- und Sachlage abhängen kann (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 1987 – 10 RAr 5/85, Rn. 12 juris), da der Gesetzgeber mit § 136b Abs. 4 SGB V nicht auf veränderliche Umstände abstellt, sondern auf ein Prognoseergebnis auf Basis von Tatsachen zu einem bestimmten Zeitpunkt (ähnlich im Fall der Entziehung einer Zulassung BSG, Urteil vom 17. Oktober 2012 – B 6 KA 49/11 R). Auch Umstände, welche nachträglich die Richtigkeit einer anfänglich (formell oder materiell) rechtswidrigen Widerlegungsentscheidung der Landesverbände belegen würden, wären bei der Rechtmäßigkeitsprüfung der Widerlegungsentscheidung nicht zu berücksichtigen.

dd.
Ein Härtefall, der zugunsten der Klägerin bei der Widerlegungsentscheidung zu berücksichtigen wäre, liegt nicht vor. Nach § 136b Abs. 3 S. 1 SGB V soll der GBA bei den Mindestmengenfestlegungen Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen vorsehen, um unbillige Härten insbesondere bei nachgewiesener, hoher Qualität unterhalb der festgelegten Mindestmenge zu vermeiden. Davon hat der GBA Gebrauch gemacht. Er hat in §§ 6 bis 8 sowie 10 MmR Ausnahmetatbestände, Bestimmungen bei erstmaliger oder erneuter Leistungserbringung sowie Übergangsregelungen normiert. Weitere Ausnahmen sind in der Anlage zur MmR bei den einzelnen Leistungsbereichen bestimmt, nicht jedoch zum Leistungsbereich Knie-TEP. Nach Überzeugung der Kammer entsprechen diese der Ermächtigungsgrundlage. Die in §§ 6-8 MmR genannten Voraussetzungen sind – was unstreitig ist – nicht erfüllt.

Darüber hinaus kann eine unbillige Härte nicht berücksichtig werden. Insbesondere der Umstand, dass die Klägerin die Mindestmenge von 50 Knie-TEP im Jahr 2019 tatsächlich erfüllt hat, stellt keine unbillige Härte im Sinne der Vorschrift dar. Auch mit Blick auf das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit der Klägerin (dazu BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 33/13 R, Rn. 62 juris) rechtfertigen hinreichende Gründe des Gemeinwohls die Entscheidung auch dann, wenn zeitlich nach dem Prognosezeitpunkt aber vor Beginn des für das Leistungsverbot maßgeblichen Kalenderjahres die für die Mindestmenge erforderlichen Fallzahlen erreicht werden. Die mit dem Leistungsverbot nach § 136b Abs. 4 S. 2 SGB V verbundenen wirtschaftlichen Nachteile sind vom Gesetzgeber gewollt.

Auch soweit die Klägerin darauf abstellt, dass in ihrem Krankenhaus eine besonders gewebeschonende Operationsmethode verwendet wird, kann eine unbillige Härte nicht begründet werden. Zum einen ist dieser Umstand nicht als Ausnahmetatbestand in der MmR geregelt. Zum anderen kann die Patientensicherheit durch Nichterreichung der erforderlichen Mindestmenge dennoch gefährdet sein.

c.
Die Formulierung des Leistungserbringungsverbots in Satz 2 des Tenors der Widerlegungsentscheidung der Beklagten vom 20. August 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Rechtsgrundlage dafür ist § 5 Abs. 5 MmR. Darin benennen die Beklagten lediglich die sich aus dem Verwaltungsakt über die Widerlegung der Prognose ergebenden Rechtsfolgen.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin.

4.
Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus §§ 143, 144 SGG.

Auf Antrag beider Beteiligter hat die Kammer die Sprungrevision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Rechtsgrundlage ist § 161 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGG. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt vor. Denn grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtsfrage, welche Klageart gegen die Widerlegung einer Prognose eines Krankenhauses statthaft ist. Diese wird in der Sozialgerichtsbarkeit unterschiedlich beantwortet, was für die jeweils Beteiligten gerade mit Blick auf die Rechtsverfolgung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche Rechtsunsicherheit bedeutet (anschaulich Bockholdt, NZS 2019, 814). Grundlegende Bedeutung hat ferner die Rechtsfrage, welche Anforderungen an den Vortrag weiterer Umstände zur Begründung der berechtigten mengenmäßigen Erwartung und im Gegenzug, welche Anforderungen an die begründeten erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der vom Krankenhausträger übermittelten Prognose zu stellen sind. Grundsätzliche Bedeutung könnte ferner die Frage haben, ob die sich erst nach Darlegung der Prognose ergebende Erfüllung der Mindestmenge zur Vermeidung unbilliger Härten in Abweichung von den Regelungen des GBA berücksichtigt werden muss.

5.
Die Festsetzung des Streitwertes erfolgt durch gesonderten Beschluss.
Rechtskraft
Aus
Saved