Betrüger quartiert sich in 106 Krankenhäusern ein: Profi-Simulant auf Klinik-Trip durch Deutschland

200 000 Euro Schaden für Kasse

Profi-Simulant Alexander S. (33) beim Betrugsverfahren im Landgericht Hildesheim. „Die beste Klinik ist in Hildesheim. Auch die in Bayern sind schön. Nur muss man dort lange in der Notaufnahme sitzen", so der Angeklagte zu BILD in einer Prozess-Pause.

Profi-Simulant Alexander S. (33) beim Betrugsverfahren im Landgericht Hildesheim. „Die beste Klinik ist in Hildesheim. Auch die in Bayern sind schön. Nur muss man dort lange in der Notaufnahme sitzen", so der Angeklagte zu BILD in einer Prozess-Pause.

Foto: Mirko Voltmer
Von: Mirko Voltmer

Hildesheim – Es gibt wohl keinen „Patienten“, der so viele Hospitäler getestet hat wie er... Alexander S. (33), Obdachloser aus Hildesheim, stellte einen einsamen Rekord auf: In 13 Monaten ließ er sich bundesweit in mindestens 106 Krankenhäusern stationär aufnehmen. Für ein kuscheliges Bett und drei Mahlzeiten tauchte er unter falschen Namen in den Notaufnahmen auf, täuschte Symptome vor, um sich vorgeblich behandeln zu lassen. Spätestens nach ein paar Tagen machte er woanders „Station“.

Jetzt ist das Landgericht Hildesheim Endstation für ihn: Prozess wegen schweren Betrugs. Seine Klinik-Tour durch Deutschland kostete seine Betriebskrankenkasse (BKK) „Exklusiv“ vermutlich über 200 000 Euro!

Quietschfidel sitzt der Profi-Simulant am Donnerstag bei Mineralwasser und Knast-Lunchpaket im Saal. „Ich habe gut durchgeschlafen und einen superstarken Kaffee getrunken“, meldet er Richterin Karin Brönstrup fröhlich. Seit Dezember befindet sich der Hochstapler in U-Haft. Beamte holten den Rollstuhlfahrer aus einem Krankenhaus in Celle.

Der Staatsanwalt: „Um dauerhaft Obdach und Verpflegung zu erhalten, gab er gegenüber Ärzten behandlungsbedürftige Verletzungen an, unter denen er angeblich litt.“ Kreislaufprobleme, Gehirnerschütterungen, Magenprobleme, Prellungen – Alexander S., früher ehrenamtlicher Rotkreuzhelfer, war einfallsreich, gaukelte den Medizinern vor, dringend Hilfe zu benötigen. In der Verhandlung räumt er den Schwindel ein: „Es war alles vorgetäuscht. Einmal hatte ich aber wirklich heftigen Durchfall. Wusste ja nicht, dass die mich gleich da behalten...“

Richterin: Sie wollten sich Deutschland angucken

Die weiten Strecken zwischen den Bundesländern, von Kiel bis nach Tutzing (Oberbayern), von Köln bis nach Forst (Lausitz) an der polnischen Grenze – erledigte er mit dem Zug: „Ich hab´einen Schwerbehindertenausweis.“

Der Kasse fielen irgendwann die horrenden Rechnungen auf, denn S. benutzte trotz diverser Decknamen natürlich seine eigene Versichertenkarte. Die BKK-Vertreterin (44) im Zeugenstand: „Die Ärzte sagen, dass er sich nicht wirklich behandeln ließ.“ Die Richterin zum Angeklagten: „Sie wollten sich nett Deutschland angucken und ein trockenes Plätzchen haben.“ Um offenbar eine echte Unterzuckerung (medizinisch: Hypoglykämie) als vermeintlicher Diabetes-Patient vorzutäuschen, nahm er geringe, ungefährliche Dosen Insulin zu sich. Eine Knast-Ärztin stellte jetzt fest: Der Angeklagte leide nicht an einer Diabetes.

Seine Querschnittlähmung sei allerdings echt, versichert der Rollstuhlfahrer. Sie sei Folge eines unglücklichen Treppensturzes. „In einer Klinik haben Ärzte ihn stehend gesehen“, sagt dagegen die Kassenvertreterin. Was stimmt?

Der Prozess wird am 10. Juni fortgesetzt.

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