Infografik

Auslastung im Gesundheitssystem Wo in Deutschland Intensivbetten frei sind

Die Pandemie-Strategie zeigt Wirkung: In Deutschland scheint es bislang zu gelingen, die drohende Überlastung in den Krankenhäusern zu verhindern. Wie viele Beatmungsplätze sind derzeit belegt? Daten aus dem Divi-Register zeigen die aktuellen Kapazitäten an.

Die hohe Zahl potenziell gefährdeter Menschen macht das Coronavirus Sars-CoV-2 so gefährlich: Solange es weder einen Impfstoff noch ein wirksames Gegenmittel gibt, muss unter allen Umständen versucht werden, die Anzahl infizierter Menschen so gering wie möglich zu halten. Erfahrungen aus Regionen wie Norditalien oder auch New York zeigen, welche Szenarien im Fall einer Überlastung der Krankenhäuser zu erwarten wären. Die Todeszahlen würden unausweichlich steigen - und nicht nur geschwächten oder vorbelasteten Patienten wäre dann womöglich nicht mehr zu helfen.

Die ntv.de Deutschland-Karte zeigt, wie genau es um die Auslastung der Kliniken in Deutschland steht:

Grundlage ist das sogenannte Divi-Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Tagesaktuell werden dort die Angaben der teilnehmenden Krankenhäuser zu den intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten erfasst und ausgewertet.

Mit simplen Maßnahmen wie der Kontaktreduzierung und dem Abstandsgebot ist es in Deutschland bisher gelungen, einen katastrophalen Kollaps im öffentlichen Gesundheitswesen zu verhindern. Zwar sind die deutschen Kliniken im internationalen Vergleich sehr gut mit intensivmedizinischem Equipment ausgestattet. Doch allen Verantwortlichen ist klar: Ein unkontrollierter Anstieg der Coronavirus-Infektionen würde selbst das beste Gesundheitssystem der Welt binnen weniger Wochen überfordern.

"Ziel des Divi-Intensivregisters ist, die Verfügbarkeit von Beatmungsbetten und von erweiterten Therapiemaßnahmen bei akutem Lungenversagen in Deutschland sichtbar zu machen", fasst die Vereinigung der Intensiv-, Fach- und Notfallmediziner zusammen. Hinter der Datensammlung stehen rund 2300 Mitglieder, vom einzelnen Facharzt über Forscher und Fachverbände bis hin zu den großen Berufsgesellschaften und wissenschaftlichen Instituten.

Die Coronavirus-Pandemie verleiht dem Überblick des Divi-Intensivregisters zusätzliche Bedeutung: Eine Aufhebung der Auflagen oder eine weitere Lockerung der Schutzmaßnahmen ist aus medizinischer Sicht nur dann vertretbar, solange in den betroffenen Regionen keine Überlastungen zu erkennen sind. Im Land Berlin zum Beispiel gilt schon jetzt die Maßgabe, dass neben Neuinfektionen und Ansteckungsrate auch die Auslastung in den Krankenhäusern über die Pandemie-Lage vor Ort entscheidet.

Die Daten aus dem Divi-Intensivregister sind dabei sehr viel belastbarer als andere Kennziffern zum Infektionsgeschehen: Hier arbeiten Spezialisten mit exakt bestimmbaren Größen und genau belegten Falldaten. Anders als bei der Ansteckungsrate handelt sich nicht um Schätzwerte. Auch eine Dunkelziffer wie bei den amtlich erfassten Neuinfektionen gibt es bei Betten, Versorgungskapazitäten oder Beatmungsplätzen nicht.

Zur Überwachung der Leistungsdaten aus dem deutschen Gesundheitssystem arbeiten die Intensivmediziner eng mit Klinikbetreibern, Fachverbänden und Wissenschaftlern zusammen. Eine Kooperation besteht zudem mit dem Robert-Koch-Institut (RKI). Außerdem ist die Teilnahme am Meldeverfahren zum Divi-Register für alle intensivbettenführenden Krankenhausstandorte seit Mitte April per Eilverordnung verpflichtend vorgeschrieben.

Im Ergebnis bekommen Politik, Fachwelt und auch die breite Öffentlichkeit ein Überwachungsinstrument zur Auslastung der deutschen Behandlungskapazitäten an die Hand. Zusätzlich erfasste Daten liefern dabei auch genaue Zahlen zur intensivmedizinischen Leistungsfähigkeit der teilnehmenden Krankenhausstandorte in nahezu allen Regionen Deutschlands. Sollte sich die Corona-Krise wieder verschärfen, können diese Informationen mitunter Leben retten: Welcher Region Deutschlands droht aktuell eine Überlastung? Wo sind im Gegenzug noch Betten oder gar Beatmungsplätze frei?

Die Detailkarte zur Intensivauslastung nach Kliniken schlüsselt die tagesaktuellen Leistungsdaten des deutschen Gesundheitssystems auf:

Die Spezialisten des Divi-Registers selbst sprechen von einem "Meilenstein": Die bereitgestellten Daten versorgen Ärzte, Krankenhaus-Manager und Planer erstmals mit einem umfassenden Überblick zur Pandemie-Lage. "Wichtig war und ist für die Intensivmediziner die Darstellung der Situation für die Umgebung jedes einzelnen Krankenhauses. 'Worauf muss ich mich einstellen?', ist eine essenzielle Frage in der Pandemiesituation", beschreibt ein Divi-Sprecher die Überlegungen. "Was bei mir, in meiner Klinik gerade passiert, kann ich überblicken - aber ich muss auch ein Auge darauf haben, was bei meinen Nachbarn und darüber hinaus los ist. Schicken die mir in wenigen Stunden gleich mehrere schwere Fälle? Oder ist es dort eher ruhig?"

In der Systematik des Divi-Registers werden die Klinikkapazitäten unter anderem auch anhand der Ausstattung unterschieden. "Low care" bezieht sich dabei auf Intensivbetten, an denen einfache Beatmungsgeräte zum Beispiel zur Verabreichung zusätzlichen Sauerstoffs per Maske zur Verfügung stehen.

Der Begriff "High care" wiederum umfasst all jene Intensivbetten, an denen eine sogenannte invasive Beatmung möglich ist. Hier erfolgt die Beatmung maschinell über Schläuche, die über Nase, Mund oder per Luftröhrenschnitt eingeführt werden. Solche Plätze erfordern eine erheblich aufwendigere Ausstattung: Der Patient liegt in der Regel im künstlichen Koma, angeschlossen an eine Vielzahl von Geräten zur Überwachung seiner Vitaldaten.

Die dritte Kategorie beschreibt die sogenannten ECMO-Plätze. Die Abkürzung steht für die "Extrakorporale Membranoxygenierung" und stellt das aufwendigste Mittel zur Rettung eines akut lebensgefährlich erkrankten Covid-19-Patienten dar. Für Menschen, deren Lungen bereits zu schwer geschädigt sind, ist diese Technik oft die letzte Hoffnung. Im Prinzip übernimmt das ECMO-Gerät die Funktion der Lunge: Dazu wird der Blutkreislauf des Patienten angezapft, das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff angereichert und anschließend sofort wieder zurück in eine geeignete Schlagader gepumpt.

Mit Stand 28. Mai beteiligten sich 1276 Klinikstandorte an der Datenerhebung. Insgesamt gibt es demnach 32.517 registrierte Intensivbetten in Deutschland, wovon aktuell 20.771 (63,9 Prozent) belegt sind; 11.746 (36,1 Prozent) Betten waren zuletzt frei. Covid-19-Patienten machen davon allerdings derzeit nur einen Bruchteil aus. Da im Rahmen des Divi-Projekts auch die Anzahl der intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Fälle erfasst wird, stehen auch hier klare Angaben zur Verfügung.

In intensivmedizinischer Behandlung befinden sich demnach 744 Covid-19-Patienten. Insgesamt 451 Personen davon müssen beatmet werden. Bei insgesamt 13.561 Menschen mit einer Coronavirus-Infektion wurde die Behandlung auf der Intensivstation bereits abgeschlossen. 3567 dieser Patienten sind verstorben. Damit liegt der Anteil der Covid-19-Krankheitsverläufe in Deutschland, bei denen die Betroffenen trotz intensivmedizinischer Bemühungen nicht gerettet werden konnten, bei 26 Prozent.

Quelle: ntv.de

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