Die Versorgung von Schmerzpatienten hat sich nach Einschätzung der Deutschen Schmerzgesellschaft durch die Coronavirus-Pandemie verschlechtert. Notwendige Therapien fänden seit mehr als zwei Monaten nicht statt, sagte Präsidentin Claudia Sommer zum bundesweiten Aktionstag gegen den Schmerz. Teilweise gingen Patientinnen und Patienten auch aus Angst vor Ansteckung nicht in die Kliniken. "Schmerzbehandlung ist Patientenrecht", sagte Sommer. Die Versorgung sei mangelhaft und müsse "dringend und schnellstmöglich" wieder hochgefahren werden.

Repräsentative Erhebungen zeigen laut Sommer, dass rund 22 Millionen Deutsche über chronische Schmerzen klagen. Sechs Millionen seien in ihrem Alltag durch die Schmerzen beeinträchtigt und 2,2 Millionen litten sehr stark und hätten in der Folge mit psychischen Beeinträchtigungen zu kämpfen. Durch die Schutzmaßnahmen aufgrund der Pandemie dürfen nach Angaben der Schmerzgesellschaft auch Selbsthilfegruppen oder Rehasportangebote gar nicht oder nur sehr eingeschränkt stattfinden.

Experten fordern "Schutzschirm für Schmerzpatienten"

"Dem Aktionstag gegen den Schmerz kommt in diesem Jahr eine ganz besondere Bedeutung zu: Über den so wichtigen Informations- und Beratungsaspekt hinausgehend, soll er den Patientinnen und Patienten Mut machen, ihre medizinische und psychologische Betreuung kontinuierlich fortzusetzen", sagte Claudia Schmidtke, Beauftragte der Bundesregierung für Patientenbelange. An dem Aktionstag beteiligen sich Vertreterinnen und Vertreter von etwa 150 Praxen und Kliniken.

In einer Pressekonferenz forderten sie einen "Schutzschirm für Schmerzpatienten". Dazu gehörten verstärkte Angebote von Telefon- und Videosprechstunden sowie Ausnahmegenehmigungen für den Rehasport. "Wir fordern zudem eine befristete Ausnahmegenehmigung für die ambulante, stationäre und teilstationäre Behandlung" für Schmerzpatientinnen, sagte Heike Norda, Vorsitzende der Patientenorganisation Schmerzlos. Auch vor der Pandemie seien Behandlungsmöglichkeiten zu rar gewesen: Patienten warten laut Norda teils zwei Jahre auf eine Schmerztherapie. Das sei nicht nur ein gesundheitliches, sondern auch ein soziales Problem, da die schmerzbedingten Fehltage im Beruf häufig zu sozialer Ausgrenzung führten.

Besondere Rolle von Pflegekräften

Zudem verwiesen die Experten auf eine besondere Rolle von Pflegekräften. Neben professionellen Anleitungen für medikamentöse und manuelle Maßnahmen zur Schmerzlinderung seien sie "ganz nah am Patienten" und gäben Sicherheit. "Der Erfolg einer Schmerzbehandlung hängt ganz wesentlich von der Kompetenz der Pflegenden ab", sagte Ruth Boche vom Bundesverband für Pflegeberufe. Dabei sollten die in der Pandemie von Pflegenden gesammelten Erfahrungen gezielt zur Verbesserung der Schmerzbehandlung beitragen, etwa indem Videokonferenzen zwischen Patienten und Pflegenden ausgebaut werden sollten.

Auch forderten sie, die Akademisierung spezialisierter Pflegeberufe voranzutreiben sowie einen Abbau von Grenzen zwischen Sektoren im Gesundheitswesen, etwa zwischen ambulantem und stationärem Bereich, um die Versorgungskontinuität von Schmerzpatientinnen sicherzustellen. "Viele Patienten irren jahrelang im Dschungel des Gesundheitswesens umher, bevor sie adäquate Hilfe finden", sagte der Geschäftsführer der Schmerzgesellschaft, Thomas Isenberg. Die Deutsche Schmerzgesellschaft wurde 1975 bei dem ersten weltweiten Schmerzkongress gegründet und hat nach eigen Angaben 3.500 Mitglieder. Sie setzt sich für eine bessere Erforschung von Schmerzerkrankungen sowie den Ausbau der Versorgung von Schmerzpatienten ein und wird dabei von der Bundesregierung unterstützt.