Der Kanton Zürich schnürt ein 300-Millionen-Franken-Paket für seine Spitäler – doch diese zeigen sich enttäuscht

Operationsausfälle und Pandemie-Massnahmen haben grosse Löcher in die Kassen der Zürcher Spitäler gerissen. Deshalb unterstützt sie der Kanton nun mit Krediten und einem Beitrag von 135 Millionen Franken. Aus Sicht der Spitäler reicht das aber nicht.

Jan Hudec
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Das Coronavirus hat auch in den Spitälern einiges auf den Kopf gestellt.

Das Coronavirus hat auch in den Spitälern einiges auf den Kopf gestellt.

Karin Hofer / NZZ

Die Corona-Pandemie hat auch die Spitäler vor arge Finanzprobleme gestellt. Vor allem wegen des zeitweiligen Verbots von nicht dringlichen Operationen sind ihnen Einnahmen in Millionenhöhe entgangen. Zudem mussten sie aufwendige Vorbereitungen treffen, um mit den Covid-19-Patienten fertigzuwerden. Schon vor einem Monat forderten die Zürcher Krankenhäuser deshalb lauthals Unterstützung vom Staat, denn andere Kantone waren bereits aktiv geworden.

Nun hat auch der Kanton Zürich reagiert. Der Regierungsrat hat ein 305 Millionen Franken schweres Massnahmenpaket geschnürt, wie er am Freitag mitgeteilt hat. Die finanzielle Unterstützung soll dabei helfen, «die für die Spitäler teilweise existenzbedrohende Lage im Kanton» zu entschärfen, wie es im Beschluss der Regierung heisst.

Dies sind die zentralen Punkte des Massnahmenpakets:

  • Die Gesundheitsdirektion schätzt die Einnahmeausfälle der Spitäler auf 383 Millionen Franken. Der Kanton trägt 39 Prozent der im Rahmen der Grundversicherung anfallenden Ertragsausfälle. Zudem übernimmt er die Kosten für die Massnahmen, welche die Spitäler zur Vorbereitung auf die Pandemie treffen mussten, vollständig. Die Gesundheitsdirektion geht davon aus, dass die Vorbereitung auf die Pandemie 5 bis 15 Millionen Franken gekostet hat.
  • Die Spitäler erhalten Beiträge im Umfang von 135 Millionen Franken, die sich nicht zurückbezahlen müssen. Davon waren 110 Millionen ohnehin schon vom Kanton budgetiert, für die verbleibenden 25 Millionen Franken ist ein Nachtragskredit nötig, den der Kantonsrat bewilligen muss. Der Kanton trägt nur Einnahmeausfälle im stationären Bereich, ambulante Behandlungen werden nicht berücksichtigt. Letztere liegen im Zuständigkeitsbereich der Krankenkassen.
  • Wie hoch die Ertragsausfälle bei den Spitälern wirklich waren, lässt sich erst im kommenden Jahr sagen. Bis spätestens Ende 2021 sollen die Beiträge definitiv abgerechnet werden. Sollte sich dann zeigen, dass die Ausfälle geringer waren als vom Kanton geschätzt, müssten die Spitäler Geld zurückbezahlen.
  • Der Kanton gewährt den Spitälern zudem Darlehen im Umfang von 170 Millionen Franken. Diese Überbrückungskredite müssen verzinst werden und sind innerhalb von sieben Jahren zurückzubezahlen. Die Spitäler können auch entsprechende Kredite bei Banken aufnehmen. In diesem Fall übernimmt der Kanton eine Bürgschaft von höchstens neunzig Prozent.
  • Der Kanton erwartet vom Bund und von den Krankenkassen, dass diese in substanziellem Ausmass mithelfen, die finanziellen Folgen der Pandemie für die Spitäler zu bewältigen.

Rickli: «Der Bund steht in der Verantwortung»

Die Kantone Bern und Graubünden haben bereits vor zwei Monaten ein Massnahmenpaket für die Spitäler geschnürt. Dass der Kanton Zürich erst jetzt nachgezogen hat, begründet die Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli damit, dass man zunächst einmal möglichst genau habe abklären wollen, wie hoch die Ertragsausfälle seien. «Zudem bestand keine zeitliche Dringlichkeit», sagt Rickli. Mit Akontozahlungen sei sichergestellt worden, dass kein Spital in Liquiditätsprobleme geraten sei.

Der Kanton will nun aber auch Druck auf den Bund ausüben. Denn für Rickli besteht kein Zweifel daran, dass dieser sich an den Kosten beteiligen muss. «Es ist glasklar: Der Bund hat das Operationsverbot angeordnet, die Verantwortung für die Konsequenzen liegt bei ihm.» Er müsse auch mit den Krankenkassen über deren Beteiligung verhandeln. Die Gesundheitsdirektorenkonferenz habe den Bund bereits zu einem baldigen Treffen aufgefordert.

Auch bei einer Beteiligung des Bundes könnten sich die Spitäler aber nicht darauf verlassen, dass alle Kosten getragen würden, sagt Rickli. «Es ist nicht auszuschliessen, dass Sparmassnahmen notwendig werden.» Die Corona-Krise hinterlasse in allen Bereichen ihre Spuren. Es sei aber ganz sicher nicht das Ziel, nun mittels dieser Krise Strukturbereinigung zu betreiben. «Wir wollen nicht, dass ein Spital wegen der Folgen der Corona-Pandemie schliessen muss. Deshalb haben wir ja nun auch das Massnahmenpaket geschnürt.»

Spitäler: «Das genügt uns nicht»

Die Spitäler sind vom Massnahmenpaket wenig begeistert. «Wir sind enttäuscht vom Kanton, das genügt uns bei weitem nicht», sagt Christian Schär, Präsident des Zürcher Spitalverbands. Die Gesundheitsdirektion rechne mit Ausfällen bei den Spitälern in der Höhe von 380 Millionen Franken, davon übernehme der Kanton nur einen Drittel. Zwar würden durch die Darlehen Liquiditätsengpasse vermieden, dafür seien die Spitäler dem Kanton durchaus dankbar. «Aber wie wir die Darlehen zurückzahlen sollen, ist uns nicht klar.» Der finanzielle Druck sei schon vor der Krise hoch gewesen, man werde nun nicht plötzlich viel höhere Erträge erzielen, um die Schulden begleichen zu können.

Die Spitäler hätten gezeigt, dass sie die Covid-19-Pandemie im Griff gehabt hätten, die Gesundheitsversorgung sei zu jederzeit zu hundert Prozent gewährleistet gewesen. «Aber wenn wir die Zitrone immer noch weiter auspressen, dann ist irgendwann die Versorgungssicherheit oder mindestens unser hoher medizinischer Standard gefährdet.»

Natürlich sei den Spitälern bewusst, dass der Kanton nun auch Druck auf den Bund ausüben wolle, indem er nicht die vollen Kosten übernehme. «Die Gefahr ist einfach, dass die Spitäler bei diesem Spiel zwischen Stuhl und Bank fallen», sagt Schär. Selbstverständlich sei es nun aber auch am Bund, Verantwortung zu übernehmen. Die Verbände würden hier sicher Druck machen, dies erwarte er aber auch von der Gesundheitsdirektorenkonferenz. «Zudem prüfen wir, was juristisch machbar, möglich und notwendig ist.»

War das Operationsverbot ein Fehler?

Die mit Abstand schwersten finanziellen Folgen für die Spitäler hatte das Operationsverbot. Rückblickend muss man sich fragen, ob dieses überhaupt nötig war. Grundsätzlich sei es sicher richtig gewesen, sagt Gesundheitsdirektorin Rickli, dass man den Betrieb in den Spitälern heruntergefahren habe. Allenfalls wäre aus ihrer Sicht aber eine differenziertere Lösung möglich gewesen, bei der man einzelnen Spitälern vielleicht mehr Spielraum ermöglicht hätte. «Und man hätte den Operationsbetrieb vor allem auch schon früher wieder hochfahren können», findet Rickli.

Spitalverbandspräsident Schär kommt zum Schluss, dass das Operationsverbot «aus der heutigen Sicht ein Fehler war». Der sei aber niemandem anzulasten, man habe es damals schlicht nicht besser wissen können. Für eine allfällige zweite Welle müsse man aber die Lehren aus dem Fehler ziehen. Aus Schärs Sicht wäre es besser, man würde ein paar wenige Covid-Spitäler definieren, während die anderen im normalen Mass operieren könnten. Damit könnten die finanziellen Ausfälle minimiert werden.