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Jetzt geht es schon um Untreue: Klinikum Stadt Soest ein Fall für den Staatsanwalt

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Dunkle Wolken über dem Klinikum Stadt Soest. Es geht um den Verdacht der Untreue .
Dunkle Wolken über dem Klinikum Stadt Soest. Es geht um den Verdacht der Untreue. © Peter Dahm

Das Klinikum wird Strafanzeige gegen seinen früheren Geschäftsführer erstellen. Die Vorwürfe wiegen schwer. Es geht um Untreue.

Hinweis der Redaktion: Alle staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen den Ex-Geschäftsführer wurden im Februar 2022 eingestellt. Der Mann bekam außerdem in der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit der Stadt Soest Recht.

Update, 8. Juni, 18.30 Uhr: Soest - Das Klinikum Stadt Soest wird Strafanzeige gegen seinen früheren Geschäftsführer L. erstellen. Nach Recherchen der Beratungsgesellschaft KPMG Law, die in den vergangenen Wochen die Geschäfte des Ende Dezember ausgeschiedenen Klinikums-Chef durchleuchtet hat, gebe es den Verdacht der Untreue.

Das haben am Montag (8. Juni) der neue Klinikum-Geschäftsführer Sven Freytag und Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer erklärt.

Am Freitagabend hatte sich der Hauptausschuss über mögliche Unregelmäßigkeiten ins Bild setzen lassen. Einstimmig habe die Runde danach befunden, der Fall gehöre gründlich aufgeklärt. „Das ist nun Sache der Staatsanwaltschaft“, sagt Freytag. Die Einzelheiten des Strafantrags werde KPMG Law vorbereiten. Die Experten dort sollen außerdem ausloten, inwieweit der ehemalige Geschäftsführer zu Schadenersatzzahlungen herangezogen werden könne

Klinikum Stadt Soest: "Völlig überhöhte und absurde Vergütungen"

Im Kern gehe es um „völlig überhöhte und absurde Vergütungen“, die niedergelassenen Ärzten in und außerhalb des Krankenhauses gezahlt worden seien. „Zum Teil bis zum Fünffachen des üblichen Facharzt-Honorars“, so Freytag. Über die vergangenen Jahre hinweg habe sich der dadurch entstandene wirtschaftliche Schaden auf „mehrere Millionen Euro“ summiert. 

Die Verträge mit vier Ärzten, die bis dato ihre Praxen unter dem Dach des Klinikums betrieben und unter anderem im ambulanten Operations-Zentrum operiert haben, seien bereits Ende Februar im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben oder fristlos gekündigt worden. Weitere Verträge mit vier Belegärzten sollen in Kürze enden, so der Klinik-Chef. Die Aufhebungsverträge seien vorbereitet, es gehe nur noch um das Ablaufdatum. 

Auf die hohen Gehaltszahlungen sei er gleich nach seinem Dienstantritt im Januar gestoßen, sagte Freytag. Weil seiner Ansicht nach bei den Vergütungen „extrem übers Ziel hinausgeschossen“ worden sei, habe er einen Medizinrechtler eingeschaltet. Die Anstellung niedergelassener Ärzte, die sich außerhalb ihrer Praxis Geld dazuverdienen, sei eine bundesdeutsche Spezialität, sagte der Klinik-Geschäftsführer. „Außerhalb Deutschlands gibt es das nirgendwo.“

Klinikum Stadt Soest: Kostenseite bislang nicht im Blick

Die Leistungen etwa für ambulante Operationen würden von den Kassen vergütet; zusätzlich haben die externen Ärzte Verträge für 13 Stunden pro Woche bekommen. Hier seien, so Freytag, nicht nur völlig überhöhte Gehälter gezahlt worden, hier stelle sich für ihn auch die Frage, ob überhaupt und – falls ja – es dafür eine Gegenleistung gegeben habe. 

Im Gegensatz zu den Festangestellten hätten die Externen auch nicht gestempelt, um zumindest ihre Anwesenheit zu dokumentieren. Zusammen mit dem Rathauschef stellte Freytag erste Grundzüge des Restrukturierungsprogramms vor, über das Ende Juni aber noch der Stadtrat abschließend befinden muss. Ein wesentlicher Brocken: eine neue Aufbauorganisation soll her. Bislang hätten viele, kleine Fachabteilungen parallel gearbeitet, alle ausgestattet mit Chefarzt, drei Oberärzten und mehreren Assistenzärzten. Künftig soll eine eher vertikale Führungsstruktur her – mit Chefärzten an der Spitze, die einen Blick fürs Wirtschaften haben.

Intensiv die Kostenseite neben der zweifellos guten medizinischen Versorgung in den Blick zu nehmen, sei „in der Vergangenheit völlig unterbelichtet“ gewesen.

Festhalten am medizinischen Angebot

Freytag versicherte erneut, an dem medizinischen Angebot, das die vergangenen Jahre aufgebaut und heute vorgehalten wird, festhalten zu wollen. Vielleicht mit ganz wenigen Ausnahmen wie etwa dem „exotischen Bereich“ einer plastischen Hand- und Wiederherstellungschirurgie, für die eigens eine eigene Fachabteilung mit Chefarzt und Oberärzten aufgemacht worden sei. 

Einige dieser „Sub-Disziplinen“ hätten eben nicht zu zusätzlichen Gewinnen geführt, sondern Löcher in die Kasse gerissen. So wie auch der Soest-Vital-Ableger in Unna. Der Versuch, von dort aus Patienten für Soest zu rekrutieren, sei gescheitert. Inzwischen sei das Therapiezentrum in Unna geschlossen, die mehr als 20 Mitarbeiter hätten neue Jobs gefunden. Allerdings seien die Verhandlungen mit potenziellen Investoren und Nachfolgern noch nicht abgeschlossen. Freytag: „Hier geht es jetzt um Schadensbegrenzung.“ Die Anzeiger-Redaktion hat versucht, auch Ex-Geschäftsführer L. zu den Vorwürfen zu befragen; er war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Fürs Klinikum Stadt Soest geht's ums Überleben. Die Insolvenz wurde gerade noch abgewendet. 

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel ist ersmals am 23. Juni 2020 erschienen.

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