1. Soester Anzeiger
  2. Lokales
  3. Soest

Gutachter: Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten und Pflichtverletzung am Klinikum Stadt Soest - Schäden in Millionenhöhe

KommentareDrucken

Klinikum Stadt Soest
Klinikum Stadt Soest © Dahm

Das Ausmaß der finanziellen Misere, in der das Klinikum Stadt Soest steckt, wird immer größer. Jetzt offenbart ein Gutachter-bericht jahrelange schwere Versäumnisse mit teuren Folgen. Das Klinikum sei in einer "existenzgefährdenden Krise"

[Update vom 12. Mai 2021] Die Strafvorwürfe gegen den ehemaligen Geschäftsführer des Klinikums, Oliver Lehnert, haben sich nicht bestätigt. Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren eingestellt.

[Erstmeldung] Soest - Am Samstagmittag, 6. Juni, werden Einzelheiten aus der Ausschusssitzung vom Freitagabend bekannt, in der unabhängige Gutachter in nichtöffentlicher Sitzung ihren Zwischenbericht über die noch laufende Sonderprüfung abgegeben haben. 

Ein neuer Geschäftsführer und eine neue Beratungsgesellschaft räumen seit Wochen im Klinikum Stadt Soest auf, womöglich kommt jetzt auch noch ein Staatsanwalt hinzu. In einer bis kurz vor Mitternacht dauernden Sondersitzung des Hauptausschusses am Freitagabend sind die Ratsmitglieder über mögliche Pflichtverletzungen des ehemaligen Geschäftsführers ins Bild gesetzt worden. 

Rund fünf Millionen Euro zuviel gezahlt

Der könnte, so der vorläufige Stand der Recherchen, rund fünf Millionen Euro zu viel an Vergütungen gezahlt und damit dem Klinikum massiv geschadet haben. Bürgermeister Dr. Eckhard Ruthemeyer, der als Rathaus-Chef die Gesellschafterseite des Krankenhauses vertritt und die nicht-öffentliche Sondersitzung am Freitagabend leitete, sagte gegenüber dem Anzeiger: „Im Fokus der Sonderprüfung steht der ehemalige Geschäftsführer.“ Die Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten und mögliche Pflichtverletzungen „haben sich weiter verfestigt“. Im Kern gehe es um Verträge mit Arztpraxen, die ans Klinikum angeschlossen sind. Wörtlich beziffert Ruthemeyer die womöglich zu Unrecht geflossenen Zahlungen „im mittleren siebenstelligen Bereich“. 

Aufgefallen seien diese Zahlungen dem neuen Geschäftsführer Sven Freytag. Er werde zusammen mit Ruthemeyer am Montag zu den Details Stellung nehmen und erläutern, ob sich sein Vorgänger womöglich strafrechtlichen Ermittlungen stellen muss. Die würden spätestens dann beginnen, wenn das Klinikum oder die Stadt als Gesellschafterin eine Strafanzeige stellt. Geprüft werde außerdem, inwieweit Schadensersatzansprüche gegen den Ex-Chef geltend gemacht werden können. „Wir sind auf der Zielgerade bei den Untersuchungen“, sagt Ruthemeyer. Aber eben weil die Ziellinie noch nicht überschritten sei, äußere er sich zurückhaltend – zumal es sich um eine ebenso „diffizile wie komplexe Materie“ handele. 

Neuer Geschäftsführer entdeckt Unregelmäßigkeiten

Auf die zunächst von Freytag entdeckten Unregelmäßigkeiten war in den vergangenen Wochen die Beratungsgesellschaft KPMG Law mit einer Sonderprüfung gesetzt worden; die Firma habe mit ihren Recherchen den Verdacht erhärtet. 

Die KPMG-Mitarbeiter haben zudem Freitagabend ihr Sanierungs- und Restrukturierungs-Konzept für das städtische Krankenhaus vorgelegt. Binnen drei Jahren sollen die Finanzen im Klinikum in Ordnung gebracht werden und das Haus zu einem „leistungs- und qualitätsorientierten Grund- und Regelversorger“ geformt werden. Der Empfehlung der Berater, dem Klinikum mit weiteren neun Millionen unter die Arme zu greifen, um die Eigenkapitaldecke des Hauses zu vergrößern, ist der Hauptausschuss gefolgt. 

Stadt übernimmt 6-Millionen-Bürgschaft

Er hat nach Angaben Ruthemeyers „mit großer Mehrheit“ einer sechs Millionen Euro schweren Bürgschaft der Stadt zugestimmt. Nicht zugestimmt hat der Ausschuss dagegen dem Antrag von SPD, Grünen und SO-Partei, die stadteigene Immobilientochter ZGW solle dem Klinikum die Bauten abkaufen, um den finanziellen Spielraum zu vergrößern. Das Klinikum, so die Wirtschaftsberater, sei in „eine existenzgefährdende Krise“ geraten. Doch das Potenzial und die Nachfrage nach genügend ärztlichen Versorgungsleistungen in Soest und der Region gäben es her, um wieder auf die Beine zu kommen und sich am Markt zu behaupten. Die dafür nötige Neuausrichtung soll ohne Kündigungen gelingen; allerdings könnten „tarifliche Steigerungen in bestimmten Bereichen begrenzt“ werden.

Bürgermeister Ruthemeyer äußerte sich am Samstag „betroffen über das Ausmaß der Geschehnisse“ und versprach „eine gründliche Sachaufklärung mit allen Mitteln“. Auf die Frage, warum es erst eines neuen Geschäftsführers bedurft habe, um die mutmaßlich zwielichtigen Geschäfte aufzudecken, uns ob dies über all die Jahre nicht die Aufgabe des Aufsichtsrat gewesen wäre, sagte er gegenüber dem Anzeiger: „Diese Verträge sind uns nicht vorgelegt worden und waren uns auch sonst nicht bekannt.“ Die Festlegung der offenbar überzogenen Vergütungen sei das laufende Geschäft der Klinikleitung gewesen.

Über das Gutachten und die nötigen Schritte für die Sanierung werden in Kürze der Aufsichtsrat des Krankenhauses, der Hauptausschuss und Ende Juni noch der Stadtrat befinden.

Auch interessant

Kommentare