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Kritik an Focus-Siegel: Klinikum Hanau wirbt mit umstrittener Auszeichnung

„Top regionales Krankenhaus“: Mit dieser Auszeichnung von „Focus“ schmückt sich das Klinikum seit sechs Jahren. Doch es gibt auch Kritik an den Siegeln.
„Top regionales Krankenhaus“: Mit dieser Auszeichnung von „Focus“ schmückt sich das Klinikum seit sechs Jahren. Doch es gibt auch Kritik an den Siegeln. © Dagmar Gärtner

Das Klinikum Hanau wirbt seit Jahren mit dem Siegel des Magazins Focus. Die Auszeichnung ist unter Experten und Ärzten umstritten. Jetzt äußert sich das Klinikum.

Hanau – „Top regionales Krankenhaus“ – unter anderem mit dieser Auszeichnung des Magazins „Focus Gesundheit“ schmückt sich das Klinikum Hanau seit sechs Jahren in Folge. Auch einzelne Fachabteilungen dürfen sich nach der Bewertung der Schwesterzeitschrift des „Focus“-Nachrichtenmagazins für medizinische Themen „Top nationales Krankenhaus“, einzelne Ärzte „Top Mediziner“ nennen.

Klinikum Hanau wirbt mit Focus-Auszeichnung

Zuletzt informierte das Krankenhaus darüber, dass Oberärztin Dr. Andrea Weitensteiner im Rahmen einer aktuellen Erhebung sowohl als Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin als auch als Kinderneurologin im Main-Kinzig-Kreis empfohlen werde. Und es ist gerade eine Woche her, da wurde die Auszeichnung von Dr. Axel Eickhoff im Bereich Gastroskopie als „Top Mediziner“ bejubelt.

Die aktuellen wie auch die vergangenen Empfehlungen von „Focus“ machte das Klinikum stets per Mitteilung öffentlich. Zudem sind die sogenannten Siegel prominent auf der Internetseite zu sehen, vor Ort im Klinikum hängen sie gut sichtbar an einer Wand. Die Botschaft: In diesem Haus können Patienten auf hervorragende Qualität vertrauen.

Klinikum Hanau muss für Auszeichnung mehrere Tausend Euro zahlen

Doch die Siegel sind nicht unumstritten. Zum einen: Mit den „Focus“-Auszeichnungen werben zu dürfen, kostet Geld – und das nicht zu knapp. Das Klinikum zahlt jährlich jeweils zwischen 2000 und 3400 Euro für die Nutzung eines Siegels, teilt die Pressestelle des Hauses auf Nachfrage unserer Zeitung mit.

Angesichts der Zahl der Auszeichnungen kommt da pro Jahr eine ordentliche Summe zustande. Kritiker bemängeln daher immer wieder, dass es bei den „Focus“-Listen eher um wirtschaftliche Interessen als um Patientenaufklärung geht.

Klinikum Hanau: Fragliche Kriterien für Auszeichnung

Zudem seien die Kriterien für die Vergabe fraglich. Wichtigster Bewertungsparameter sind Kollegenempfehlungen, neben Fragebögen und Patientenbewertungen. Das „unabhängige Rechercheinstitut“ Munich Inquire Media (Minq) führt im Auftrag von „Focus“ telefonische Experteninterviews durch, ist auf der Internetseite des Magazins zur Methodik nachzulesen.

Außerdem werden Kliniken und niedergelassene Ärzte nach ihren Erfahrungen und Ratschlägen befragt. Das ARD-Magazin „Plusminus“ zitierte in einem Bericht zum Thema „Focus“-Listen vom September 2019 Juristin Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale in Bad Homburg.

Kritik an Kriterien für Auszeichnung des Klinikums Hanau

Die Institution hatte die Methoden überprüft, die „Focus Gesundheit“ veröffentlicht. „Wenn ich mir die Kriterien anschaue, soweit sie überhaupt vorhanden sind und nachprüfbar sind, dann meine ich, dass das den Anforderungen an die Rechtsprechung nicht genügt“, sagte Köber damals „Plusminus“. Bewertungen müssten für den Verbraucher nachvollziehbar sein.

„Und wenn man das vor Augen hat und sich dann die Kriterien anschaut, dann fragt man sich natürlich, geben die das Testergebnis oder die Verbraucher-Umfrage tatsächlich her“, wurde die Juristin weiter zitiert.

Zahl der Auszeichnungen steigt auffällig

Köber fand laut „Plusminus“ auch die Steigerung der Anzahl ausgezeichneter Kliniken und Ärzte über die Jahre auffällig. Im letzten Heft von „Focus Gesundheit“ wurden 3600 Ärzte mit dem Siegel versehen, 2011 waren es noch 1500. Auch die Zahl der ausgezeichneten Krankenhäuser steigt stetig an.

Ein gutes Geschäft für „Focus“. Es gehe nicht darum, nach sachlichen und neutralen Kriterien Ärzte oder Krankenhäuser zu bewerten, sondern darum, das Siegel zu verkaufen, vermutete daher auch Christiane Köber.

Laut Bericht hatten zudem Ärzte und Klinikbetreiber gegenüber „Plusminus“ Zweifel an den Kriterien geübt. „Focus“ wies die Kritik zurück: „Die Methodik ist absolut transparent und hinreichend nachvollziehbar“, hieß es im Bericht von September 2019.

Auszeichnung für Klinikum: Ärger vor Gericht

Schon viele Jahre zuvor schied die „Focus“-Liste die Geister – und beschäftigte die Justiz. Die Bayrische Landesärztekammer hatte gegen „Focus“ geklagt, mit dem Ziel, eine weitere Veröffentlichung der Listen zu unterbinden, geht aus einem damaligen Bericht des „Ärzteblatts“ hervor.

Der damalige und 2018 verstorbene Ärztekammerpräsident Dr. Hans Hege kritisierte vor allem die Methodik. Die Aussagekraft der Krankenhaus-Liste sei begrenzt, da die Auswahl der Kliniken willkürlich getroffen scheine. Manche Kriterien ließen keinerlei Rückschlüsse auf ein objektives Qualitätsurteil zu. Die Liste gebe dem Patienten überhaupt keine sachgerechten Informationen, war Hege überzeugt.

Klage gegen Auszeichnung zurückgewiesen

Auch gegen die Ärzte-Topliste hatte der Ärztekammerpräsident Bedenken. Das Oberlandesgericht München aber wies in zweiter Instanz die Klage gegen die Liste ab, weil es an einer übermäßig werbenden Darstellung fehle, die den Rahmen einer sachlichen Information über die Ärzte verlasse.

„In ihrem abschließenden Urteil bestätigten die Richter die Zuverlässigkeit des Vorgehens. Seitdem hält Minq trotz der großen Aufwände an dem soliden und gerichtlich überprüften Verfahren fest“, heißt es auf der Internetseite des Instituts. Allerdings vertrat die Kammer damals laut „Ärzteblatt“ auch die Ansicht, die Kriterien seien nicht geeignet, tatsächlich die besten Ärzte zu ermitteln.

Klinikum Hanau erntet Kritik für Auszeichnung

Angesichts der jüngsten Auszeichnungen für das Klinikum Hanau hatte sich auch ein Leser in der Redaktion gemeldet und Bezug auf die vergangene Kritik genommen. „Insgesamt beurteile ich das Klinikum Hanau als sehr gut. Deshalb bin ich verwundert (auch leicht verärgert), dass sich die dortigen Verantwortlichen immer wieder mit dem fragwürdigen und gekauften ‘Focus’-Siegel schmücken. Eigentlich schadet es eher dem Ansehen“, schrieb der Leser.

Anlass für uns, genauer nachzufragen. Das Klinikum Hanau hat keine Zweifel an der Qualität der Siegel. „Mit der Erhebung der Daten für die ‘Focus’-Auszeichnung ist ein unabhängiges Institut beauftragt. In den Datenpool fließen unter anderem die gesetzlich vorgeschriebenen Qualitätsberichte der Kliniken, Zertifikate von Fachgesellschaften, Publikationen in Fachzeitschriften, Interviews mit Ärzten und Patientenverbänden sowie die Angaben aus umfangreichen Fragebögen an die Kliniken selbst, ein. Die unterschiedlichen Quellen, die das Institut für die Recherche heranzieht, deuten auf eine sachliche Recherche hin“, teilt Klinikumssprecherin Janina Sauer mit.

Klinikum Hanau weist Kritik zurück

Dass die Werbung mit dem Siegel ordentlich Geld kostet, spielt für das Stadtkrankenhaus keine Rolle. „Eine Aufnahme in die Liste, und damit die Auszeichnung mit dem Siegel, ist kostenlos und unabhängig davon, ob sich eine Klinik die Siegelnutzung für Kommunikationszwecke lizenzieren lässt oder nicht“, betont Sauer.

Insbesondere die „umfangreichen Fragebögen, die wir als Klinik für die Befragung jährlich ausfüllen, deuten darauf hin, dass sich das Recherche-Institut um eine sachliche Beurteilung aller Kliniken bemüht“.

Klinikum Hanau wirbt gerne mit Auszeichnung

Warum legt das Klinikum überhaupt Wert darauf, mit dem Siegel zu werben? Dazu sagt Sauer: „Patienten informieren sich vor einem Klinikaufenthalt über Auszeichnungen, Zertifikate und Expertenwissen der unterschiedlichen Kliniken, um dann eine bewusste Entscheidung zu treffen.“

Laut Sauer wurde das Klinikum 2012 zum ersten Mal als „Top regionales Krankenhaus“ ausgezeichnet, seit 2017 wird die Klinik für Neurologie für den Bereich Parkinson als „Top nationales Krankenhaus“ ausgezeichnet, seitdem wird auch Dr. Eickhoff für den Bereich Gastroskopie als „Top-Mediziner“ ausgezeichnet. Seit 2019 wird auch die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe für den Bereich Geburten als „Top nationales Krankenhaus“ gelistet.

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