Abgrenzung zwischen Auffälligkeitsprüfung und Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit

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Die Krankenhäuser müssen sich gerade in immer noch bei den Gerichten anhängigen Altfällen mit den Behauptungen der Krankenkassen auseinandersetzen, dass eigentlich keine Auffälligkeitsprüfung im Sinne des § 275 Abs. 1c SGB V aF. durchgeführt worden sei, sondern „nur“ eine Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit, so dass etwa kein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V aF. entstanden sei.

Dabei nehmen die Versuche einer nachträglichen „Umwidmung“ einer Auffälligkeitsprüfung in eine angebliche sachlich-rechnerische Prüfung teilweise absurde Züge an.

In einer aktuellen Entscheidung des SG München vom 20.02.2020 (- S 15 KR 4333/18 -) war die Frage etwa die Frage zu klären, ob die Prüfung der Abrechnung eines Zusatzentgeltes für die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentraten (ATK) eine Auffälligkeitsprüfung oder eine Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit gewesen ist, wenn der MD sich nur zu der Frage der medizinischen Notwendigkeit der ATK geäußert hat.

Nicht ohne deutliche Seitenhiebe an das BSG hat das SG München in dieser lesenswerten Entscheidung zunächst die wenig strukturierte Rechtsprechung des BSG zur sachlich-rechnerischen Prüfung referiert und zutreffend festgestellt, dass die Inhalte dieses angeblich selbständigen Prüfregimes in Abgrenzung zur gesetzlich geregelten Auffälligkeitsprüfung nicht klar bestimmt sind.

Das Gericht geht dann unter Berufung auf den Beschlüsse des BVerfG vom 26.11.2018 (- 1 BvR 318/17 – u.a.), davon aus, dass das Institut der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung grundsätzlich bei Kodierungsfragen im weitesten Sinne und eine Auffälligkeitsprüfung bei Fragen der Fehlbelegung (primäre und sekundäre Fehlbelegung) vorliegen. Ungeklärt bleibt aber auch nach dem SG München weiter, welches Institut zur Anwendung kommt, wenn als Vorfrage der richtigen Kodierung gerade die Notwendigkeit der stationären Behandlung dem Grunde und dem Umfang nach im Streit steht. Die zuständigen Richter nahmen an, dass insoweit – wenn auch Wirtschaftlichkeitsfragen neben reinen Kodierungsfragen betroffen sind – beide Institute selbständig nebeneinanderstehen, also zugleich eine Auffälligkeitsprüfung und eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit vorliegen kann.

Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BSG soll dann zur Abgrenzung der beiden Institute, eine Unterscheidung nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen erfolgen (BSG, Urteil vom 28.03.2017 – B 1 KR 23/16 R –). Für den Fall, dass der so ermittelte Wille der Krankenkasse nach dem zunächst maßgeblichen Empfängerhorizont des MD nicht mit dem aus objektiver Empfängersicht des Krankenhauses ermittelten Wille der Krankenkasse übereinstimmt, ist darauf abzustellen, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren. Für die Auslegung des Prüfauftrags ist daher zuletzt allein auf den maßgeblichen Empfängerhorizont des Krankenhauses abzustellen. Etwaige Übermittlungs- und Formulierungsfehler des MD müssen sich insoweit zulasten der Krankenkasse auswirken, weil alleine diese sich zur Abrechnungsprüfung des MD bedient und alleine in der Lage wäre, die Richtigkeit und Vollständigkeit der vom MD an das Krankenhaus versandten Prüfanzeige zu überprüfen. Ist daher der wirkliche Wille nicht aufklärbar oder meint die Krankenkasse, dass sie eigentlich einen Auftrag zur Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit geben wollte (also einen Auftrag für eine Prüfung erteilen wollte, welche die Krankenkassen bis 2014 auch nicht kannten!), ist es allein Sache der Krankenkasse dies nachzuweisen. Zweifel gehen zu Lasten der beweisbelasteten Krankenkasse, so dass im Zweifel eher von einer Auffälligkeitsprüfung auszugehen ist.

Die Entscheidung zeigt noch einmal sehr deutlich, zu welchen absurden Argumentationen die Krankenkassen nach Etablierung der unterschiedlichen  Prüfregime neigen, um der Ausschlussfrist bzw. der Zahlung Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c SGB V aF. zu entgehen. Diesen Versuchen kann aber mit den vom SG München aufgezeigten Auslegungsgrundsätzen und den daraus folgenden beweisrechtlichen Konsequenzen durchaus begegnet werden, wobei zu hoffen bleibt, dass sich mehr Sozialgerichte den Versuchen einer nachträglichen Umwidmung der Auffälligkeitsprüfung durch die Krankenkassen so deutlich verweigern.

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