Die Aller-Weser-Klinik (AWK) mit den Standorten Verden und Achim ist wieder finanziell in der Klemme. Wie Geschäftsführerin Marianne Baehr in ihrem Antrag „zur weiteren Kapitalstärkung und Liquiditätssicherung im Haushaltsjahr 2020“ schreibt, benötigt die Klinik sechs Millionen Euro. Mit diesem Geld könnte die gemeinnützige Gesellschaft das Kapitaldefizit aus 2019 in Höhe von 2,4 Millionen Euro ausgleichen und gleichzeitig mit den restlichen 3,6 Millionen Euro die Liquidität bis zum Jahresende 2020 sicherstellen.
Nicht überraschend
Überraschend kommen diese Zahlen aus Sicht der Kreisverwaltung nicht, wie Kreiskämmerer Holger Piplat betont. „Das ist ein Kapitalnachschub, wie er in dieser Höhe auch im Haushaltsplan 2020 vorgesehen ist.“ Die Höhe der Summe sei absehbar gewesen und beruhe auf den Erfahrungen der vergangenen Jahre. „Die Klinik vereinbart mit den Krankenkassen ein Budget, und wenn die erbrachten Leistungen das übersteigen, dann entsteht eine Finanzierungslücke. Auf der anderen Seite zeigen diese Mehrleistungen auch, dass ein entsprechender Bedarf da ist und die Leistungen von den Bürgern gerne angenommen werden“, erklärt Piplat. Der Zuschuss an die AWK bedeute keine Haushaltsüberschreitung und sei kein Betrag, der den Kreishaushalt aus den Angeln heben werde.
Wo die erneute Defizite herrühren, begründet Marianne Baehr in ihrem Antrag vor allem damit, dass die Klinik freie Stellen beim Pflegepersonal und bei den Ärzten mit Honorarkräften habe besetzen müssen. „Das hat zu erheblichen Kostensteigerungen geführt“, so Baehr. Neu dazugekommen in diesem Jahr sei die Covid-19-Pandemie. „Bei Krankenhäusern haben die gesetzlich vorgegebenen Auflagen zu hohen Umsatzeinbrüchen geführt“, schreibt die Geschäftsführerin. Zwar habe der Gesetzgeber Ausgleichszahlungen für verschobene Operationen und Eingriffe beschlossen, diese reichten jedoch nicht aus, um die Mindereinnahmen zu decken. Auch Erlösausfälle aus den ambulanten Leistungen würden dadurch nicht ausgeglichen – ebenso wenig wie die Sachkostenpauschale für die persönliche Schutzausrüstung der Mitarbeiter, zumal die Preissteigerung bei manchen Artikeln bei 7000 Prozent liege, so Baehr.
Bezogen auf das Jahresergebnis 2020 sieht die AWK-Geschäftsführerin keinen Grund für Optimismus. „Erste Hochrechnungen zeigen eine Verschlechterung des Jahresergebnisses um etwa 1,9 Millionen Euro. Dies würde zu einem negativen Betriebsergebnis von etwa sieben Millionen Euro für das Wirtschaftsjahr 2020 führen“, teilt Baehr dem Landkreis mit.
Auch Kämmerer Holger Piplat rechnet mit einem AWK-Jahresergebnis das wegen der Corona-Krise noch schlechter ausfallen könnte als 2018. Damals fehlten der Klinik 6,8 Millionen Euro für eine schwarze Null. „Im Prinzip kennen wir den Zuschussbedarf aus den vergangenen Jahren, und man könnte jetzt der Klinik auch gleich die höhere Summe auf einen Schlag überweisen. Aber wir meinen, dass die AWK so viel Liquidität auf einen Schlag nicht benötigt“, sagt Piplat.
Ebenfalls einen Förderbedarf für Investitionen sieht die Leitung der Aller-Weser-Klinik im laufenden Jahr. Am 4. Juni hat die AWK schriftlich eine Gesamtzuwendung des Landkreises Verden von 670 000 Euro beantragt. Hintergrund ist, dass Niedersachsen im Zuge der Einzelförderungsmaßnahme „Bettenhausneubau“ für das Krankenhaus Verden seine pauschalen Fördermittel „für die Wiederbeschaffung kurzfristiger Anlagegüter sowie kleine bauliche Maßnahmen für fünf Jahre um 50 Prozent gekürzt hat“. Dieser gekürzte Betrag „reicht in keiner Weise aus, die Medizintechnik, die pflegerische Ausstattung als auch andere technische Anlagen in den beiden Krankenhäusern Verden und Achim auf einem angemessen notwendigen Niveau vorzuhalten“, heißt es in der Beschlussvorlage der Verwaltung für die Sitzung des nicht-öffentlichen Kreisausschusses, der am 29. Juni über die Anträge entscheiden wird. „Das kann der Kreisausschuss, weil es keine Haushaltsüberschreitung gibt“, so der Kämmerer.
„Diese Kürzung war vorher bekannt“, sagt Holger Piplat. „Das Land hat 30 Millionen Euro für den Neubau des Bettenhauses gegeben und eben die pauschale Förderung für medizinisches Gerät reduziert.“