Krankenhausleiter Klaus Emmerich: „Patienten würden sterben“

Klaus Emmerich leitet in Bayern zwei kleine regionale Krankenhäuser und fordert angesichts Corona ein Ende der Krankenhaus-Schließungen und ein Umsteuern.

Seit Jahren sinkt die Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland. Das gefährdet die medizinische Versorgung in Flächenstaaten und ländlichen Regionen, befürchten manche Experten.
Seit Jahren sinkt die Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland. Das gefährdet die medizinische Versorgung in Flächenstaaten und ländlichen Regionen, befürchten manche Experten.dpa

Berlin-Seit 1991 sinkt die Zahl der Krankenhäuser und es steigt gleichzeitig die Anzahl der Patienten. Die Bundesregierung fördert zudem den Abbau von Krankenhäusern, obwohl dies eine Mehrheit der Bürger ablehnt, wie eine repräsentative Studie im Auftrag des Vereins Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) belegt. Klaus Emmerich leitet in Bayern zwei kleine regionale Krankenhäuser und fordert angesichts Corona ein Umsteuern.

Herr Emmerich, in Deutschland gibt es 1900 Kliniken – ist das Luxus im Vergleich zu anderen Ländern?

Selbst die Gesundheitsminister sehen es – mittlerweile – nicht mehr als Luxus an, weil wir besser als andere Länder in Europa auf die Corona-Pandemie vorbereitet waren. In der Vergangenheit hatten Gesundheitsminister und Gesundheitsökonomen noch Bettenreduzierungen und Schließungen von Krankenhäusern gefordert. Man darf die Flächenstaaten nicht vergessen, die große Gebiete abdecken. Wenn dort die kleinen Krankenhäuser schließen, wären wir nicht in der Lage, eine Anfahrtszeit von 30 Minuten zu gewährleisten. Patienten würden in Notfällen die Krankenhäuser nicht erreichen.

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Foto: privat
Klaus Emmerich,
62, leitet als Ökonom das St. Anna-Krankenhaus in Sulzberg-Rosenberg und die St. Johannes-Klinik in Auerbach. Beides sind öffentlich-rechtliche Krankenhäuser. Er beschäftigt sich seit 2015 mit dem Krankenhaus-Sterben.

Die 30 Minuten sind gesetzlich geregelt. Dennoch herrscht Personalnot. Die Bertelsmann-Stiftung argumentiert, man könne eine Vielzahl der Klinken schließen und die Qualität steigern, weil dann Personal in wenigen großen Häusern konzentriert werden könnte – ist das falsch?

Es gibt keine schlechtere Qualität kleinerer Krankenhäuser. In den Bereichen, in denen sie tätig sind, sind sie nach dem Portal Weiße Liste der Bertelsmann-Stiftung zum Teil besser oder mindestens gleich gut. Bei der Behandlung von Begleiterkrankungen, etwa der Lungenentzündung während eines hoch komplexen Herzinfarkts, sind die großen Krankenhäuser oft schlechter. Und wenn man das Personal ausschließlich in großen Kliniken bündeln würde, würde man in der Fläche massiv ausdünnen.

Welche Folgen hätte das?

Dann könnte ein akuter Herzinfarkt-Patient  zur Erstversorgung in kein nächstgelegenes Krankenhaus gebracht werden. Wenn man diese Zwischenstationen wegnimmt, werden viele auf der Straße versterben. Das erzählen die Befürworter der Klinik-Konzentration nicht.

In Deutschland kommen laut Bertelsmann-Stiftung überproportional häufig Patienten in Krankenhäuser, die auch ambulant behandelt werden könnten.

Ich kann das für meine beiden Krankenhäusern nicht bestätigen. Es ist davon auszugehen, dass es sich um Einzelfälle handelt. Der medizinische Dienst der Krankenkassen wacht im Übrigen auch darüber, dass wir unnötige stationäre Eingriffe vermeiden und Kosten verursachen. Wir bekommen dann das Geld schlicht nicht.

Das deutsche Gesundheitswesen gilt aber als eines der teuersten. Das kann man nicht ignorieren.

Wir sind hier nicht in einem reinen Wirtschaftsbetrieb. Wir haben einen Kernauftrag, Patienten adäquat zu versorgen. Seien wir doch dankbar, dass es uns bei Corona gelungen ist, die Patienten ausreichend zu versorgen und die weitere Ausbreitung zu vermeiden. Das haben wir dem Gesundheitssystem mit den vermeintlich hohen Kosten zu verdanken. Wir sind eines der reichsten Länder der Welt und sollen die Wirtschaftlichkeit vor die Gesundheit stellen?

Sie leiten zwei öffentlich-rechtliche Klinken die bezuschusst werden müssen.

In der Fläche und auf dem Land springen unsere Häuser ein, weil keine private Klinik bereit ist, einen solchen Standort aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen zu betreiben. Dann kommt der öffentlich-rechtliche Betreiber und muss die Defizite in Kauf nehmen. Das ist das Problem.

Das defizitäre Geschäft müssen die regionalen Krankenhäuser machen und dann heißt es, sie sind zu teuer?

Genau.

Die Bundesregierung fördert sogar die Schließung von Krankenhäusern?

Ja, im Rahmen eines Strukturfonds werden jährlich eine Milliarde Euro in die Hand genommen, nur um Krankenhäuser zu schließen oder in andere Einrichtungen, etwa medizinische Versorgungszentren oder Reha-Einrichtungen, umzuwandeln. Bund und Länder teilen sich die Summe.