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Mediziner begleitet ab 2021 per Video mehrere Rettungswageneinsätze

NRW führt den Tele-Notarzt ein

Höxter/Paderborn (WB). Die Vorstellung mag befremdlich für manchen Patienten sein, aber in den Kreisen Lippe, Höxter und Paderborn soll sie ab Anfang 2021 real werden: Wenn man im Notfall über die Nummer 112 einen Rettungswagen ruft, rücken umgehend Sanitäter an – aber nicht zwingend ein Notarzt. Der soll die Einsatzkräfte bei Bedarf über eine Videoverbindung beraten: Über Kameras sieht er den Patienten im Krankenwagen, kann aus der Ferne selbst in die Augen des Kranken blicken.

Hilmar Riemenschneider

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Foto: dpa

In Aachen hat sich das System seit Jahren bewährt. Und auch Hessen testet die so genannten Tele-Notärzte, die in Notfällen Rettungssanitätern bei der Entscheidung helfen, was zu tun ist.

Start in Paderborn, Höxter und Lippe

Paderborn, Höxter und Lippe machen den Anfang, die Federführung übernimmt die Leitstelle Paderborn. „Bis Ende 2022 sollen in allen fünf Regierungsbezirken des Landes entsprechende Leitzentralen eingerichtet sein“, kündigte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag in Düsseldorf an. Mit landesweit 16 Standorten könnte das neue Unterstützungssystem flächendeckend und kommunenübergreifend funktionieren, haben Experten der Universität Maastricht ausgerechnet, die das Aachener Projekt begleitet haben. Ein Team von fünf Telenotärzten könne bis zu 1,5 Millionen Einwohner versorgen. 11.333 Mal rückte 2018 im Kreis Paderborn ein Notarzt aus, um den Rettungsdienst bei Notfällen zu unterstützten.

In Aachen beispielsweise begleitet ein Tele-Notarzt über eine Mobilfunkverbindung bis zu drei Einsätze gleichzeitig. „In Aachen zeigt man uns tagtäglich, dass der Telenotarzt die bereits vorhandenen Strukturen des Rettungswesens exzellent ergänzt“, bilanzierte Laumann. Zur Praxis gehört auch, dass wie bisher ein Notarzt sofort mit ausrückt, wenn Lebensgefahr besteht.

Mobilfunkbox mit drei Sim-Karten

Neben der üblichen medizinischen Ausrüstung fährt in den speziell ausgerüsteten Rettungswagen eine Mobilfunkbox mit, in der drei Sim-Karten unterschiedlicher Netzanbieter installiert sind. Denn dünne Verbindungen, wie sie in Ostwestfalen zu finden sind, kennt man auch im Umland von Aachen. Über Mobilfunk kann ein Tele-Notarzt per Video oder Telefon hinzugezogen werden, dafür werden EKG-Daten und andere Informationen direkt auf den Bildschirm in der Leistelle übermittelt. Im Vorfeld müssen die Mediziner allerdings eine Zusatzausbildung absolvieren, die von den Ärztekammern angeboten wird.

Mit 100.000 Euro je Leitstelle und bis zu 30.000 Euro je Rettungswagen ist das System der Telenotärzte nicht ganz billig. Doch unterstützen neben den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Kommunalen Spitzenverbänden auch die Krankenkassen das Vorhaben und übernehmen die Kosten. Sie vereinbarten – symbolträchtig am Tag des Notrufs 112 – gemeinsame Leitlinien für die Einführung des digitalen Notarztes.

Gegen Ärztemangel in ländlichen Regionen

Der Ärztemangel in ländlichen Regionen und auch die bevorstehenden Veränderungen bei den Krankenhäusern erforderten Anpassungen im Rettungswesen, betonte Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. „Der Tele-Notarzt kann Versorgungslücken schließen“, sagte er. Patienten könnten schneller und gezielter versorgt werden. Wie Laumann lobte er das neue Modell als zentralen Baustein in der Digitalisierung des Gesundheitswesens.

Skeptisch zeigte sich der Landkreistag. „Wichtig ist uns, dass die landesweite Einführung von Tele-Notärzten kein Sparprogramm wird“, mahnte Hauptgeschäftsführer Martin Klein. Die Qualität der Notfallversorgung müsse vielmehr steigen. Die Städte und Kreise sind Träger der Rettungsdienste und müssen für das neue System Trägergemeinschaften bilden.

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