Gesundheitswesen
Horrende Kosten, jetzt reagieren Basler Spitäler: Strengere Regeln für Chirurgen-Löhne

Die beiden Basel verbieten ab nächstem Jahr Zusatzhonorare für jene Ärzte, die häufig operieren.

Leif Simonsen
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Fehlanreize, die zu höheren Gesundheitskosten führen: Chirurgen, die häufig zum Skalpell greifen, bekommen heute hohe Zulagen. (Symbolbild)

Fehlanreize, die zu höheren Gesundheitskosten führen: Chirurgen, die häufig zum Skalpell greifen, bekommen heute hohe Zulagen. (Symbolbild)

Pixabay

Nach der gescheiterten Spitalfusion sind die Gesundheitsdirektoren der beiden Basel auf der Suche nach neuen Lösungen, um die Gesundheitskosten zu dämpfen. Grosse Hoffnung setzen Lukas Engelberger (CVP, BS) und Thomas Weber (SVP, BL) in die gemeinsame Spitalliste, die ab nächstem Jahr in Kraft tritt. Fortan gilt unter anderem: Diejenigen Spitäler, die berücksichtigt werden wollen, müssen sich an eine Obergrenze bei den chirurgischen Eingriffen halten. Bisher nicht bekannt war, dass die beiden Kantone auch ein neues Lohnsystem durchsetzen wollen, welches die Kader- und Chefärzte betreffen wird. Anne Tschudin, Sprecherin des Basler Gesundheitsdepartements, bestätigt: «Die beiden Gesundheitsdirektoren werden bei der neuen Spitalliste ab 2021 mit allen Leistungserbringern vereinbaren, dass sie keine rein mengen- und umsatzgetriebenen Lohnelemente mehr vorsehen.» Die Spitäler seien bereits im vergangenen Herbst über den Paradigmenwechsel informiert worden.

Ziel ist es nicht nur, die hohen Arztlöhne zu deckeln, sondern vor allem, unnötige Operationen zu verhindern. Solange die Arzt-Honorare an die Anzahl der Eingriffe gebunden sind, besteht der Anreiz, auch dann einen Eingriff durchzuführen, wenn dieser nicht erforderlich wäre. Zumindest die Statistik besagt, dass solche Fehlanreize bestehen. Der Versorgungsplanungsbericht beider Basel 2019 kam zum Schluss, dass in den regionalen Spitälern viel zu häufig operiert wird. In 16 Disziplinen gibt es im Vergleich zu anderen Regionen der Schweiz eine «unerklärbare Varianz» – betroffen ist neben der Orthopädie unter anderem die Kardiologie (vor allem wegen der Herzkatheter), die Urologie, die Rheumatologie und die Hals-Nasen-Ohren-Chirurgie.

Das Universitätsspital findet die Stossrichtung hin zu Honorarpauschalen, die von der Mengenentwicklung entkoppelt sind, grundsätzlichrichtig.

(Quelle: Nicolas Drechsler, Universitätsspital Basel)

Fixlöhne machen nur 60 Prozent der Saläre aus

Bei der Abkehr von den mengenrelevanten Boni hat das Unispital Basel (USB) bereits einen ersten Schritt gemacht. Seit Januar sind die Orthopäden, deren Abteilung im Bethesda-Spital geführt wird, im Fixlohn angestellt. Der Standortleiter begründete gegenüber dem Radio SRF: «Ein Anreizsystem, das primär auf Boni ausgerichtet ist, ist falsch.»

Dieser Argumentation folgt sein Arbeitgeber. USB-Sprecher Nicolas Drechsler sagt: «Das Universitätsspital Basel findet die Stossrichtung hin zu Honorarpauschalen, die von der Mengenentwicklung entkoppelt sind, grundsätzlich richtig.» Auch beim Kantonsspital Baselland (KSBL) ist man der Meinung, dass die Gesundheitsdirektoren Boni-Exzesse unterbinden sollen. «Wir begrüssen diesen Trend und die Auflage der Spitalliste und stehen diesbezüglich auch mit der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion im Austausch», sagt KSBL-Sprecherin Anita Kuoni.

Keine Freudensprünge werden allerdings jene Ärzte machen, die einen grossen Bestandteil ihres Lohns erwirtschaften, indem sie Privatversicherte operieren. Knapp die Hälfte der knapp fünfzig Chefärzte des Unispitals verdient mehr als eine halbe Million Franken – die Fixlöhne betragen dabei lediglich sechzig Prozent des gesamten Salärs. Ein Kaderarzt am KSBL verdiente 2018 durchschnittlich 326000 Franken. Wie hoch der Anteil des Lohns ist, den die Operateure dank der Fallzahlen erwirtschaften, wird nicht kommuniziert. Als das Kantonsspital die Kaderarztlöhne vor zwei Jahren publik machte, hiess es lediglich, in diesen Salären seien auch die «variablen Anteile enthalten, also die Honorare für die Behandlung von privat- und Halbprivatversicherten und die leistungsabhängigen Komponenten».

Boni in Belegspitälern sind schwierig zu verbieten

Im Hinblick auf die kantonalen Vorgaben jedenfalls geben beide öffentlichen Häuser an, bereits jetzt neue Kaderlohnsysteme auszuarbeiten. Welche Kosteneinsparungen mit der neuen Bonus-Regelung verbunden sind, darüber sind aber «mit heutigem Stand noch keine Aussagen möglich», sagt Anne Tschudin.

Es kommt dies nicht zuletzt darauf an, wie die Privatkliniken in die Pflicht genommen werden können. Den offiziellen Bewerbungsunterlagen der beiden Kantone für die Spitalliste ist zwar zu entnehmen, «dass zielbezogene Bonuszahlungen von Chefärzten, leitenden Ärzten und Belegärzten nicht an den Umsatz und/oder an der Menge und/oder an den Schweregrad (CaseMix) von Behandlungen ausgerichtet werden.[...]». Das gelte auch für Belegspitäler, also die Häuser, die keine fixe Anstellungsverträge für ihre Ärzte haben. Ob die Kantone aber tatsächlich eine gesetzliche Grundlage für den Umgang mit Belegärzten entwickeln können, die dank häufiger Eingriffe ihr Salär in die Höhe schrauben können, ist unklar. Es bräuchte dafür einen Wandel hin zum Fixlohnsystem in den Privatkliniken: Das sei für keinen Spitaldirektor durchzusetzen, heisst es in Expertenkreisen.

Bei den Privatkliniken bleibt den Gesundheitsdirektoren im Hinblick auf die Spitalliste 2021 wohl nur ein Trumpf: die systematische Beschränkung durch Mengendeckelung.