«So kann und darf es nicht weitergehen»: Die vier Spitalverbunde weisen mit 20,3 Millionen Franken ein deutliches Minus aus – und es wird 2020 noch schlimmer

Die Finanzkennzahlen der neun St.Galler Spitäler für 2019 sind prekär. Das Budget 2020 rechnet mit einem Verlust von 35,5 Millionen Franken.

Christoph Zweili
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«So darf es nicht weitergehen»: Deutlicher kann das Fazit von Felix M. Sennhauser, Verwaltungsratspräsident der St.Galler Spitalverbunde, an der Jahresmedienkonferenz vom Montag nicht sein. Die operativen Ergebnisse in allen vier Spitalverbunden gehen in den letzten Jahren zurück, 2019 sind alle in die roten Zahlen abgerutscht – und das bei einem Minus von 20,3 Millionen Franken deutlich. Nur das Kantonsspital St.Gallen selber hat schwarze Zahlen geschrieben, alle andern Spitäler haben Verluste eingefahren. Das ist ein Novum im Kanton.

Und für 2020 sind die Aussichten noch trüber: Man werde in allen vier Spitalregionen «noch einmal deutlich negativer» abschliessen, sagte Sennhauser – budgetiert ist ein Minus von 35,5 Millionen Franken. Im Jahr 2018 hatte das Rechnungsergebnis der ganzen Spitalgruppe noch bei knapp minus vier Millionen Franken gelegen.

Die Spital-CEOS an einem Tisch: Stefan Lichtensteiger, Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland; Daniel Germann, Direktor Kantonsspital St.Gallen; Peter Werder, Spitaldirektor Spital Linth, und René Fiechter, Spitalregion Fürstenland Toggenburg an der Jahresmedienkonferenz der St.Galler Spitäler. In der Mitte Felix H. Sennhauser, Verwaltungsratspräsident der Spitalverbunde des Kantons St. Gallen.

Die Spital-CEOS an einem Tisch: Stefan Lichtensteiger, Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland; Daniel Germann, Direktor Kantonsspital St.Gallen; Peter Werder, Spitaldirektor Spital Linth, und René Fiechter, Spitalregion Fürstenland Toggenburg an der Jahresmedienkonferenz der St.Galler Spitäler. In der Mitte Felix H. Sennhauser, Verwaltungsratspräsident der Spitalverbunde des Kantons St. Gallen.

Bild: Benjamin Manser

Ohne «strukturelle Veränderungen und eine neue Strategie» seien diese Verluste nicht zu kompensieren. Was Sennhauser damit meint, ist klar: Es braucht nicht neun Spitäler, um eine qualitativ gute Grundversorgung im Kanton sicherzustellen. Mit andern Worten: Es hat zu viele Landspitäler.

Der Ausweg aus dem Dilemma und die nachhaltige finanzielle Gesundung gelinge nur mit dem Modell «4plus5», also vier Mehrspartenspitäler an den Standorten St.Gallen, Grabs, Uznach und Wil und fünf regionalen Gesundheits- und Notfallzentren in Altstätten, Flawil, Rorschach, Walenstadt und Wattwil. Die präsentierten Zahlen fliessen nun laut Sennhauser in die Botschaft der Regierung ein, damit diese im März der vorberatenden Kommission zugeleitet werden kann. Der Kantonsrat wird sich im April an einer Sondersession mit dem Thema befassen.

Spitalregion 1

Das Kantonsspital St.Gallen mit den Standorten St.Gallen, Rorschach und Flawil weist für 2019 einen Verlust von 1,9 Millionen Franken aus. 2018 hatte noch ein Gewinn von 2,5 Millionen Franken resultiert. An fast allen Spitälern gibt es eine Verlagerung von stationären zu ambulanten Behandlungen, über die ganze Gruppe ergibt das eine Zunahme von 7,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Trotz der intensiven Bauarbeiten auf dem Gelände erhöhte sich die Zahl der ambulanten Behandlungen auf 526'666 (2018: 511'188), während die 36'746 stationären Austritte nur leicht unter dem Vorjahreswert von 36'972 lagen. Das führte dazu, dass der budgetierte Verlust «deutlich tiefer ausfiel als erwartet».
Vom KSSG zu den Landspitälern Rorschach und Flawil gibt es deutliche Unterschiede. Diese schrieben von 2016 bis 2018 jährliche Verluste von je rund sechs Millionen Franken.

Spitalregion 2

Die Spitalregion Werdenberg Sarganserland Werdenberg mit den Standorten Altstätten, Grabs und Altstätten schliesst das Geschäftsjahr 2019 mit einem Verlust von 4,2 Millionen Franken ab. 2018 hatte man einer «rosa Null» erzielt, für 2019 war ein ausgeglichenes Ergebnis budgetiert worden. Im Vergleich zu 2018 wurden mit 121'593 Patienten zwar mehr ambulante Besuche verzeichnet, gleichzeitig gingen aber die stationären Zahlen von 16'165 auf 15'352 zurück. Im Standortvergleich der Landspitäler von 2016 bis 2018 schliesst das Spital Altstätten dank der tiefen Anlagekosten (alte Substanz) mehr oder weniger ausgeglichen ab: Hier gibt es seit 2004 keine Geburtshilfe mehr und wird an den Wochenenden nicht mehr operiert. Walenstadt schreibt im gleichen Zeitraum Jahr für Jahr rote Zahlen: Ende 2019 wurde die Geburtshilfe aufgegeben und nach Grabs verlagert – hier wurden jeweils hohe Gewinnmargen (Ebitda) erreicht. Die Zahlen für 2019 sind für alle drei Spitäler noch nicht bekannt.

Spitalregion 3

Das Spital Linth in Uznach in der Spitalregion 3 weist mit 8,5 Millionen Franken das höchste Defizit innerhalb der vier Spitalverbunde aus. Im Vorjahr hatte noch ein kleiner Gewinn resultiert. Spitaldirektor Peter Werner, gerade mal zwei Wochen im Amt, machte für den Rückgang von 700 stationären Patienten den zu zwei Dritteln umgesetzten Spitalumbau verantwortlich. Die «Ambulantisierung» habe sich negativ auf die Ertragsseite ausgewirkt.

Spitalregion 4

Die Spitalregion Fürstenland Toggenburg mit den Standorten Wattwil und Wil schloss das Geschäftsjahr 2019 mit einem Verlust von 5,7 Millionen Franken ab – budgetiert war ein Minus von 6,7 Millionen Franken. Von 2016 bis 2018 hatten an beiden Standorten ebenfalls Verluste resultiert, mit einer Ausnahme: 2018 hatte das Spital Wil ein Plus von 230000 Franken ausgewiesen. Für die beiden Spitäler gibt es noch keine aktuellen Zahlen für 2019.

Ob all der Zahlen dürfe man die fachlich-medizinische Entwicklung nicht vergessen, sagte Sennhauser.

«Sie machen eine Restrukturierung zwingend und dringlich.»

Er verwies auf den Fachkräftemangel, die Spezialisierung, die strukturellen Vorgaben zu vermehrten ambulanten Behandlungen zu Lasten der stationären Eingriffe und den Fortschritt in der Medizin mit kürzeren Spitalaufenthalten und damit weniger Bettenbedarf.

Spitäler rufen Parlamentarier auf den Plan

Am Montagmorgen präsentierte der Verwaltungsrat der Spitalverbunde seine blutroten Zahlen, am Nachmittag tagte das Parlament. Das Thema Spitäler fand über die Budgetdebatte denn auch Eingang in den Kantonsrat. Walter Locher (FDP) referierte aus der Medienkonferenz: Die Zahlen zeigten einmal mehr den dringenden Handlungsbedarf auf. «Passiert nichts, sind Eigenkapitalbezüge unumgänglich.» Es handle sich aber nicht nur um ein finanzielles Problem, sondern werde zunehmend zum Qualitätsproblem, sagte er. «Spitalfinanzen: Es ist fünf vor zwölf», lautet der dringliche Vorstoss seiner Fraktion zu aktuellem Anlass. In der Interpellation will die FDP-Fraktion von der Regierung unter anderem wissen, wie sie die Versorgungsqualität einschätzt und ob nach dem Notkredit für die Spitalregion Fürstenland Toggenburg weitere anstehen.

Alle Fraktionen wollen handeln


In einem Punkt sind alle Fraktionspräsidentinnen und -Präsidenten mit Locher einig. Es muss etwas passieren. Zuerst gelte es aber, die Botschaft der Regierung und die Spitalsession im April abzuwarten. Während die CVP aus diesem Grund auf dringliche Vorstösse verzichtet, haben sich SP und SVP zusammengetan. «Leistungsabbau bis zum demokratischen Beschluss stoppen», lautet der Titel der dringlichen Motion. Um die politische Diskussion nicht weiter zu vergiften, brauche es klare Vorgaben der Politik, heisst es darin. Und weiter: «Präjudizierende Beschlüsse sind zu unterlassen.» Indem bereits Leistungen aus den bedrohten Spitälern nach Grabs, St.Gallen und Wil verlagert wurden, habe der Verwaltungsrat Einfluss auf die am Montag präsentierten Zahlen der einzelnen Standorte genommen. Die beiden Vorstösse werden voraussichtlich in der heutigen Sitzung behandelt. (nh)