S 5 KR 258/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 258/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 2.739,22 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung für eine stationäre Behandlung.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuches, Fünftes Buch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Der bei der Beklagten versicherte Herr H S, geboren am 00.00.1943 (im Folgenden: Versicherter), befand sich in der Zeit vom 02.02.2015 bis zum 05.02.2015 in der stationären Behandlung im Haus der Klägerin. Die Aufnahme erfolgte zur operativen Entfernung eines Kirschnerdrahtes. Dieser war im Rahmen einer osteosynthetisch versorgten Oberarmfraktur links eingebracht worden und hatte sich gelockert.

Bei dem Versicherten bestand eine ebenfalls eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz. Vor Beginn der stationären Behandlung war von der Nephrologischen Gemeinschaftspraxis Dres. T am 30.01.2015 ein Dialysebericht erstellt worden, aus dem sich weitere bei dem Versicherten vorliegende Diagnosen ergaben. Ferner war darin ein Protokoll über die aktuell durchzuführende Dialyse und die derzeitige Medikation enthalten.

Der Versicherte wurde am Morgen des 02.02.2015 stationär aufgenommen, ohne dass ein Aufnahmebefund erstellt wurde. Am Tag der Aufnahme wurde er dialysiert, am 03.02.2015 wurde der Kirschner-Draht entfernt und am 04.02.2015 erfolgte eine weitere Dialyse. Im Anschluss daran wurde der Versicherte entlassen. Die Behandlung verlief komplikationslos.

Die Klägerin rechnete für die Behandlung mit Rechnung vom 10.03.2015 einen Betrag von 2739,92 EUR ab. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 17.03.2015 darauf hin, dass die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung überprüft werden soll. Der eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenkassen Westfalen-Lippe (MDK) kam am 10.08.2015 zu dem Ergebnis, dass keine konkrete medizinische Begründung aus den Unterlagen abzuleiten sei, warum der operative Eingriff unter stationären Bedingungen erfolgen musste. Sowohl dem Operationsbericht als auch der Nachbeobachtung sei ein komplikationsloser Verlauf zu entnehmen. Klinikpflichtige Besonderheiten seien nicht mitgeteilt worden.

Die Klägerin war mit dem Ergebnis der Begutachtung nicht einverstanden.

Mit der am 29.03.2016 erhobenen Klage begehrt sie die Zahlung der Vergütung für die stationäre Behandlung. Es sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass bei dem Versicherten multiple Vorerkrankungen bestanden, die eine Behandlung im ambulanten Setting unverhältnismäßig riskant gemacht hätten. Es sei daher aus Gründen der Patientensicherheit nicht fachgerecht gewesen, den Eingriff ambulant durchzuführen.Dabei seien insbesondere die koronare Herzerkrankung und der Diabetes mellitus als Risikofaktoren zu berücksichtigen. Der Versicherte sei gleichfalls auf die Einnahme von Marcumar angewiesen, die er für den Eingriff habe pausieren müssen. Insbesondere müsse vorliegend das anästhesiologische Risikoprofil bedacht werden, was die Einholung eines entsprechenden Fachgutachtens erfordere.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.739,92 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.09.2015 zu zahlen.

Die Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Notwendigkeit der stationären Behandlung sei nicht belegt. Der durchgeführte Eingriff (OPS-Code 5-787.-03 - Entfernung von Osteosynthesematerial: Draht: Humerus Distal) sei in dem Katalog zum ambulanten Operieren nach § 115 b SGB V in der Kategorie 1 als regelmäßig ambulant erbringbar gekennzeichnet. Auch die durchgeführte Dialysebehandlung rechtfertige nicht die stationäre Aufnahme. Unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots komme es nur darauf an, ob nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung und dem damals verfügbaren Wissens-und Kenntnisstand des Krankenhausarztes eine Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen sei.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie (Zusatzbezeichnung: Sozialmedizin) Dr. N L eingeholt. Auf Inhalt und Ergebnisse des am 24.03.2017 nach Aktenlage erstellten Gutachtens wird verwiesen. Nach Auseinandersetzung mit dem Gutachten durch die Klägerin hat das Gericht eine ergänzende Stellungnahme von dem Sachverständigen eingeholt, die am 08.08.2017 vorgelegt wurde und auf deren Inhalt ebenfalls verwiesen wird.

Auf Antrag der Klägerin hat das Gericht den Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens zum Verhandlungstermin geladen. Auf seine in der Sitzungsniederschrift enthaltenen Ausführungen nimmt die Kammer Bezug.

Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren neben der Gerichtskate die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Behandlungsdokumentation der Klägerin. Auf den Inhalt wird wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, denn es geht bei einer auf Zahlung von Behandlungskosten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen; die Einhaltung einer Klagefrist war nicht geboten (st. Rspr. des Bundessozialgerichts [BSG], vgl. etwa Urteil vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R -, juris Rn. 13).

Die Klägerin kann von der Beklagten jedoch keine Vergütung in Höhe von 2.739,92 EUR nebst Zinsen verlangen, denn ein Zahlungsanspruch der Klägerin besteht nicht.

Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses gegenüber einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten. Der Behandlungspflicht des zugelassenen Krankenhauses nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung festgelegt wird (vgl. BSG Urteil vom 25.11.2010 - B 3 KR 4/10 R -, juris Rn. 9 f.; BSG Urteil vom 29.04.2010 - B 3 KR 11/09 R -, juris Rn. 7; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R -, juris Rn. 10). Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht dabei unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch einen Versicherten. Da der Zahlungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses jedoch in aller Regel mit dem Naturalleistungsanspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung korrespondiert, müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhauspflegebedürftigkeit vorliegen (Landessozialgericht Niedersachsen Urteil vom 30.01.2002 - L 4 KR 110/00 -, juris Rn. 22).

Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Leistungsumfang umfasst gemäß §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V auch Krankenhausbehandlung, die vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht wird. Der Sachleistungsanspruch des Versicherten umfasst vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

Die Höhe des Vergütungsanspruchs ergibt sich gemäß § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG i.V.m. §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG aus einem diagnosebezogenen, pauschalierenden Vergütungssystem, bestehend aus einer Fallpauschalenvereinbarung und einem Fallpauschalenkatalog (G-DRG), hier in der im Jahr 2015 geltenden Fassung. Dem liegt ein System zugrunde, bei dem in einem als "Groupierung" bezeichneten Prozess aus den ermittelten Diagnosen, Operationen und Prozeduren mithilfe eines zertifizierten Softwareprogramms unter Einbeziehung von weiteren Variablen (Alter des Patienten, Verweildauer, usw.) eine DRG-Pauschale und die dafür zu zahlende Vergütung ermittelt werden (vgl. hierzu BSG Urteil vom 08.11.2011 - B 1 KR 8/11 R -, juris).

Ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkasse und damit korrespondierend ein Zahlungsanspruch des Krankenhauses war vorliegend jedoch nicht gegeben, da nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Krankenhausbehandlung des Versicherten medizinisch erforderlich war. Insbesondere sind in der Dokumentation keine konkreten Nachweise dokumentiert, die belegen, dass das Behandlungsziel nicht auch im Rahmen einer ambulanten Behandlung hätte erreicht werden können.

Die Erforderlichkeit einer vollstationären Behandlung in einem Krankenhaus setzt nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V voraus, dass die Aufnahme "nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann". Dies bringt die Konzeption des Gesetzgebers eines abgestuften Leistungssystems zum Ausdruck, in dem eine Rechtspflicht besteht, insbesondere die Leistungsbreite der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung vorrangig zu nutzen (vgl. Noftz in Hauck/ Noftz, SGB V, Stand 2/2016, § 39 Rn. 68, BSG, Urteil vom 19. April 2016 – B 1 KR 21/15 R – juris).

Soweit § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V Behandlungsziele in den Blick nimmt, wird auf § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V Bezug genommen, d.h. es ist insbesondere danach zu fragen, ob eine ambulante Krankenbehandlung ausreicht, um die Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Erforderlich ist die Krankenhausbehandlung, wenn bezogen auf ein Behandlungsziel die besonderen Mittel eines Krankenhauses eingesetzt werden müssen. Als solche Mittel hat die Rechtsprechung insbesondere die apparative Mindestausstattung eines Krankenhauses, besonders geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten bzw. rufbereiten Arzt herausgestellt. Vorausgesetzt wird weder der Einsatz all dieser Mittel, noch genügt die Erforderlichkeit lediglich eines der Mittel. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt (BSG, Ur-teil vom 17. November 2015 – B 1 KR 18/15 R – juris).

Des Weiteren richtet sich die Fragen, ob eine Krankenhausbehandlung die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erfüllt, allein nach medizinischen Erfordernissen (BSG, Beschluss des Großen Senats vom 25. September 2007 – GS 1/06 – juris Rn. 15 ff.). Eine Auslegung, nach der die Notwendigkeit einer stationären Behandlung nicht mit medizinischen, sondern anderen Gründen – z.B. dem Fehlen alternativer Versorgungs- und Unterbringungsmöglichkeiten – begründet wird, ist nicht zulässig. Dabei ist die Frage, ob eine stationäre Behandlung erforderlich war, ausgehend von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes grundsätzlich uneingeschränkt gerichtlich überprüfbar.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien war eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht erkennbar. Die bei dem Versicherten durchgeführte Entfernung von Ostheosynthesematerial ist als stationäre Leistung eines Krankenhauses grundsätzlich dann nicht erforderlich, wenn diese Leistung stattdessen auch durch niedergelassene Vertragsärzte ambulant erbracht werden kann. Krankenhausbehandlung darf nämlich nur dann verordnet und erbracht werden, wenn eine ambulante Versorgung des Versicherten zur Erzielung des Heil- oder Linderungserfolgs nicht ausreicht (§ 74 Abs 4 S 1 SGB V). Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung und damit auch kein Vergütungsanspruch des Krankenhauses (BSG, Urteil vom 14.10.2014, B 1 KR 27/13 R juris). Der im Regelungssystem des SGB V angelegte Vorrang der vertragsärztlich ambulanten Behandlung ist dabei zu berücksichtigen.

Der OPS 5-787.-03 (Entfernung von Osteosynthesematerial: Draht: Humerus Distal) ist als ambulant durchführbare Operation nach Abschnitt 1 der Anlage 1 zum Vertrag nach § 115 b Abs 1 SGB V der Kategorie 1 zugeordnet. Er ist damit in der Regel ambulant durchführbar.

Nach der in dem AOP-Vertrag in Bezug genommenen Anlage 2 werden allgemeine Tatbestände bestimmt, bei deren Vorliegen eine stationäre Durchführung der Behandlung erforderlich sein kann (§ 115 b Abs 1 S 2). Dies ist in § 3 Abs 3 AOP-Vertrag niedergelegt, worin es heißt, dass allgemeine Tatbestände, bei deren Vorliegen eine stationäre Durchführung der in der Regel ambulant durchzuführenden Leistung erforderlich sein kann, die Kriterien A, B, D, E und F gemäß Anlage 2 zu den gemeinsamen Empfehlungen zum Prüfverfahren nach § 17 c KHG in der gültigen Fassung vom 15.04.2004 sein können. Die insoweit in Bezug genommenen Kataloge der G-AEP-Kriterien (German Appropriateness Evaluation Protocol) finden damit Anwendung und schreiben Kriterien fest, nach denen je nach Schwere der Erkrankung, Intensität der Behandlung oder der durchgeführten Operation, nach Schwere der Komorbiditäten, nach der postoperativen Notwendigkeit intensiver Betreuung sowie unter Berücksichtigung sozialer Faktoren eine stationäre Durchführung der grundsätzlich ambulant möglichen Behandlung in Betracht kommen kann.

Der auf diese Weise ausgelöste Vergütungsanspruch des Krankenhauses ist zunächst erst dann gegeben, wenn das Krankenhaus den Grund für die stationäre Aufnahme, sofern sich dies nicht schon aus den Aufnahmediagnosen selbst ergibt, näher darlegt (BSG, Urteil vom 21.03.2013, B 3 KR 28/12 R).

Die stationäre Behandlungsbedürftigkeit des Versicherten ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht allein aufgrund der bestehenden Begleiterkrankungen. Insoweit ergeben sich aus der Dokumentation keine konkreten Befunde oder Ereignisse, die die Notwendigkeit der stationären Behandlung auf der Grundlage der G-AEP-Kriterien belegen. Dies steht fest nach den für die Kammer gut nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, der mehrfach und medizinisch begründet auf das Fehlen konkreter Befunde verweist, die die Notwendigkeit der stationären Behandlung belegen könnten. Da die Patientendokumentation keine Aussage zu dem Allgemeinzustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Aufnahme zulässt, hatte die Kammer letztlich zulasten der Klägerin von der Nichterweisbarkeit der Notwendigkeit stationärer Behandlung auszugehen.

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der aufnehmende Krankenhausarzt am 02.02.2015 keinen Aufnahmebefund erstellt hat. Der entsprechende Bogen blieb unausgefüllt und weist lediglich den Grund der Aufnahme (Entfernung des Kirschner-Drahtes) und die im Wesentlichen bestehende Begleiterkrankung (dialyspflichtige Niereninsuffizienz) aus.

Der Sachverständige führt für die Kammer überzeugend aus, dass allein aus chirurgischer Sicht der durchgeführte Eingriff hätte ambulant durchgeführt werden können. Fest steht zwar auch, dass schwerwiegendere Grunderkrankungen auch für kleinere Eingriffe ein Risiko darstellen können, so dass ein ambulantes Setting auch bei der hier erforderlichen Entfernung eines Kirschner-Drahtes nicht geeignet sein kann. So ist es durchaus denkbar, dass die bei dem Versicherten vorliegenden Grunderkrankungen ein Operationsrisiko darstellen können. Allerdings ergeben sich aus der Patientendokumentation keinerlei Hinweise auf den Allgemeinzustand im Zusammenhang mit der chronischen Nierenerkrankung. Auch das Bluthochdruckleiden Ist lediglich als Diagnose in dem Bericht der nephrologischen Praxis aufgeführt. Ein aktueller Befund hierzu findet sich in den Unterlagen nicht und kann daher für die Begründung der Notwendigkeit der stationären Behandlung nicht herangezogen werden.

Soweit die Klägerin auf die Vielzahl der in dem Bericht der nephrologischen Praxis aufgeführten Diagnosen verweist, lassen sich hieraus keine konkreten Anhaltspunkte entnehmen, die auf eine besondere Schwere der Erkrankung entsprechend Anl. 2 der G-AEP-Kriterien schließen lassen. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Intensität der Behandlung (B-Kriterium der Empfehlungen zum Prüfverfahren) kein Zusatzkriterium darzustellen vermag, da – hierüber besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit – die Entfernung eines Kirschnerdrahtes ein kleiner und ohne besondere Schwierigkeiten zu erbringender Eingriff ist (vgl. Bundesverband Ambulantes Operieren e.V. https://www.operieren.de/e3224/e10/e451/e456/e9449/). Bei stringenter Prüfung der A-Kriterien lagen jedoch auch nach den Ausführungen der Klägerin weder eine plötzliche Bewusstseinsstörung (A1), ein akuter Verlust der Sehfähigkeit oder des Gleichgewichtssinnes (A4) noch ein dringender Verdacht oder Nachweis einer myokardialen Ischämie (A 11) vor.

Auch wenn eine chronische Niereninsuffizienz eine schwere Gesundheitsstörungen darstellt, müssen sich hieraus nicht zwangsläufig und ohne weitere Prüfung Hinweise ergeben, die regelhaft und unabhängig von dem durchzuführenden Eingriff eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit erfordern. Auch bei Vorliegen eines D-Kriteriums nach den Empfehlungen zum Prüfverfahren muss anhand konkreter Befunde die stationäre Behandlungsbedürftigkeit durch das Krankenhaus nachgewiesen sein. Ein Diabetesleiden oder eine behandlungsrelevante Nieren- / Leberfunktionsstörung können zwar Komorbiditäten darstellen, die in Verbindung mit krankenhausspezifischen Maßnahmen die stationäre Behandlungsbedürftigkeit bei grundsätzlich ambulant erbringbaren Leistungen begründen können, jedoch muss sich auch bei diesem Patientenkreis die konkrete Überwachungspflichtigkeit anhand der Dokumentation belegen lassen. Angaben hierzu fehlen jedoch und können nach Auffassung der Kammer aufgrund der festgestellten Diagnosen nicht unterstellt werden.

Auch ein etwaiges Bluthochdruckleiden stellt keine in diesem Sinne schwerwiegende Komorbidität dar. Der Sachverständige führt hierzu aus, dass die Dokumentation ausschließlich Normalwerte ausweist, so dass davon auszugehen ist, dass das Bluthochdruckleiden im Falle des Versicherten medikamentös gut eingestellt war. Ob eine konkrete Gefahr der Entgleisung bestand (D6 der G-AEP-Kriterien) lässt sich den Unterlagen ebenfalls nicht entnehmen.

Ebenso kann der Umstand einer in der Vergangenheit durchgeführten koronaren Bypass-Operation keine stationäre Behandlungsbedürftigkeit für die Entfernung des Kirschner-Drahtes zu begründen, denn Ziel einer solchen Operation ist die Wiederherstellung der normalen Leistungsfähigkeit. Ohne konkrete Befunde, die auf eine Durchblutungsstörung der Herzkranzgefäße schließen lassen, kann sich aus diesem Aspekt ebenso wenig die stationäre Behandlungsbedürftigkeit ableiten wie aus der Diagnose "Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose". Auch insoweit bleibt unklar, welche klinischen Befunde nach durchlaufener Beinvenenthrombose noch vorliegen.

Die Kammer folgt auch den Ausführungen des Sachverständigen im Hinblick auf die Einstufung in die ASA-Klassifikation. Allerdings ist zunächst darauf hinzuweisen ist, dass diese Klassifikation – entwickelt von der American Society of Anesthesiologists (ASA) – als Scoring-System zur Einteilung von Patienten bezüglich ihres körperlichen Zustandes in die G-AEP-Kriterien keinen Eingang gefunden hat. Zu bedenken ist auch, dass neben der ASA-Klassifikation verschiedene weitere Faktoren wie u. a. Alter, Art und Dauer des operativen Eingriffs, Qualität von Operateur und Anästhesist, materielle Ausstattung und postoperative Nachsorge als Kriterien zu berücksichtigen sind, die das perioperative Risiko beeinflussen können. Die Klassifikation allein ist daher ungeeignet, um eine Prognose zum Ausgang der Operation zu stellen oder die Komplikationsrate eines Krankenhauses im Rahmen der Qualitätssicherung zu beurteilen, was bereits den ursprünglichen Autoren bewusst war (Saklad M. Grading of patients for surgical procedures. Anesthesiology 1941; 2:281-4, recherchiert bei www.wikipedia.de). Im Übrigen bestätigt auch im Falle des Versicherten das Narkoserisiko nach dieser Klassifikation das Vorliegen einer schweren Erkrankung, woraus sich unzweifelhaft bestimmte medizinische Vorkehrungen für die Durchführung der Anästhesie ergeben dürften. Eine Aussage über die stationäre Behandlungsbedürftigkeit lässt sich aus der Klassifikation in der von der Klägerin gewünschten Weise jedoch nicht ableiten. Insbesondere ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, weshalb der behandelnde Chirurg an die Zuordnung des Anästhesisten insoweit gebunden sein sollte, als dass dadurch die Prüfung der Notwendigkeit stationärer Behandlung anhand konkreter Befunde entfallen könnte.

Zu weiteren Ermittlungen insbesondere in anästhesiologischer Hinsicht sah sich die Kammer nicht veranlasst. In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. L geht die Kammer davon aus, dass sich aus einer weiteren Begutachtung angesichts der fehlenden Befunde in der Patientendokumentation keine weitergehenden Erkenntnisse ergeben können. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit der stationären Behandlung aus der ExAnte-Sicht des aufnehmenden Krankenhausarztes zu beurteilen ist. Die Einschätzung des Anästhesiologen betrifft hingegen allein den Komplex der Durchführung der Narkose. Hierbei handelt es sich um nur einen Aspekt der Behandlung. Aus der Bestätigung eines im Falle des Versicherten bestehenden Narkoserisikos allein kann die stationäre Behandlungsbedürftigkeit und damit der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht hergeleitet werden.

Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs 1 VwGO.

Die Streitwertentscheidung richtet sich nach § 52 Abs 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
Saved