Gesundheitswesen Krefelder Klinik-Chefs sind sauer

Krefeld · Der Bundestag hat eine Vorschrift verabschiedet, um falsche Krankenhaus-Rechnungen einzudämmen. Das Ziel wird verfehlt, sagen Klinik-Chefs. Sie fürchten Finanz-Probleme.

 Die Verantwortlichen in Krefelder Kliniken finden die neue Gesetzgebung nicht gut.

Die Verantwortlichen in Krefelder Kliniken finden die neue Gesetzgebung nicht gut.

Foto: picture alliance/dpa/Roland Weihrauch

Viele Buchtstaben in riesiger Schrift, viele Ausrufezeichen: Die Anzeige der Krefelder Krankenhäuser fällt ins Auge. Der Text liest sich dramatisch. „Strafe für soziale Verantwortung? Schluss damit“, steht in der Annonce. Vor wenigen Tagen haben sich die Krefelder Kliniken so über die Zeitung an die Öffentlichkeit und explizit die örtlichen Bundestagsabgeordneten gewandt. Alexianer, Malteser, Augustinus Gruppe und Helios wollen, dass ein im Dezember vom Bundestag verabschiedetes Gesetz geändert wird.

Es geht dabei um viel Geld und womöglich falsche Abrechnungen aus Kliniken. Die Vorschrift regelt Kosten, die Krankenhäuser den Kassen in Rechnung stellen dürfen. Der Paragraf sieht vor, dass die Klinik der Krankenkasse für jede unberechtigt zu hohe Rechnung mindestens 300 Euro Strafe zahlen muss. Die Strafe kann auch höher ausfallen: nämlich bis zu zehn Prozent des zu hoch in Rechnung gestellten Betrages. Die Idee hinter der strengen Neuregelung: Kliniken sollen durch die Strafandrohung von falschen Rechnungen abgehalten werden. Durch inkorrekte Krankenhausabrechnungen fehlen große Summen an Beitragsgeld in der Gesetzlichen Krankenversicherung – jährlich knapp eine Milliarde Euro.

Da klingt der Vorstoß der Politik ja erstmal fair, mag der Laie denken. Klingt ziemlich gemein, denken Klinik-Bosse. Die Krankenhäuser beklagen: Die Strafzahlungen werden ebenso fällig, wenn sie die Patienten nicht entlassen können, weil die Anschlussversorgung nicht gewährleistet ist. Wenn also ein Platz in der Reha oder der Kurzzeit-Pflege fehlt, obwohl die Behandlung im Hospital beendet ist. Ein längerer Aufenthalt im Krankenzimmer hat für die Kliniken in diesen Fällen nichts mit falschen Abrechnungen zu tun. Es gehe um soziale Verantwortung. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft argumentiert: „Es ist allen Beteiligten bekannt, dass etwa 50 Prozent der beanstandeten Krankenhausabrechnungen weder Fehler noch Versäumnisse der Krankenhäuser zu Grunde liegen.“

Hauke Schild, Geschäftsführer der Malteser Kliniken Rhein-Ruhr, befürchtet drastische Auswirkungen: „Mit diesem Gesetz werden die Krankenhäuser bestraft und im schlimmsten Fall werden viele Kliniken in Deutschland von der Bildfläche verschwinden.“ Man habe nichts gegen eine faire Überprüfung von Krankenhausabrechnungen und Korrekturen von Abrechnungsfehlern. „Aber die geplanten Strafzahlungen müssen gestrichen werden. Zumal auch die Versprechungen gebrochen werden, mehr Pflegepersonal einzustellen und die Kosten auch finanziert zu bekommen.“

Anderer Standort, gleicher Ärger. Michael Wilke, Regionalgeschäftsführer der Alexianer Krefeld, sagt: „Das Gesetz bestraft die Krankenhäuser für Versäumnisse der Politik, die Kapazitäten für eine pflegerisch-therapeutische Versorgung nach dem Krankenhausaufenthalt sicherzustellen.“ Patienten die man nicht adäquat unterbringen könne, dürfen nicht einfach entlassen werden. „Und genau dafür werden wir per Gesetz zusätzlich bestraft.“

Die Alexianer verweisen auf Bemühungen, möglichst schnell eine Anschlussversorgung herzustellen. Das werde bereits mit der Aufnahme im Krankenhaus vorbereitet und begleitet. Wenn jedoch den Fachkräften die Möglichkeiten fehlen, einen Platz für die weitere Versorgung zu finden, sei eine Entlassung aus dem Krankenhaus nicht möglich. Nach der aktuellen Gesetzeslage gibt es aus Sicht der Alexianer daher zwei Möglichkeiten. Entweder das Krankenhaus bleibt auf den Kosten des verlängerten Aufenthaltes sitzen oder es muss wegen der beanstandeten Abrechnung eine Strafe zahlen.

Kerstin Radomski, CDU-Abgeordnete für Krefeld, weiß um den Ärger der Krankenhäuser. Sie habe mit Verantwortlichen im Wahlkreis gesprochen. „Deren Anliegen ist in Berlin bekannt und damit einhergehend auch der von ihnen benannte strukturelle Änderungsbedarf hinsichtlich der Anschlussversorgung.“ Die Kollegen des Gesundheitsausschusses hätten das Thema auf der Agenda. Im Grundsatz verteidigt sie jedoch die Vorschrift, die ihre Fraktion unterstützt hat. „Dem Gesetzgeber ist mehr Transparenz bei den Abrechnungen von Krankenhäusern wichtig, da diese dem Gemeinwesen zugute kommt.“

Mit den im Gesetz gefundenen Regelungen sei ein Kompromiss gefunden worden, der allen Seiten gerecht werden muss, so Radomski. „Dabei wurden auch die Abrechnungsprüfungen bürokratisch einfacher und für beide Seiten tragfähig gestaltet. Die Krankenhäuser werden durch die neue Systematik mit der Einführung von Prüfquoten erheblich entlastet.“ Das bedeutet unter anderem: Wie oft ein Haus geprüft wird, richtet sich nach der Quote der beanstandeten Abrechnungen. Je höher die Quote, desto häufiger wird geprüft. Nach Logik der Kliniken könnte das eben die Falschen treffen.

Mehr Verständnis als bei den Regierungsparteien finden die Krankenhäuser bei der FDP.  Selbstverständlich seien regelmäßige Prüfungen von Krankenhausrechnungen notwendig, sagt der Krefelder FDP-Abgeordnete Otto Fricke. Dennoch: „Die FDP hat den maßgeblichen Gesetzentwurf allerdings ausdrücklich nicht unterstützt, da die Regelungen bürokratisch, umständlich und insbesondere für die Krankenhäuser verunsichernd sind.“ Die Umgestaltung der Prüfung in ihrer Gesamtheit bekämpfe nicht die Ursachen der Abrechnungsstreitigkeiten sondern lediglich die Symptome. „Diese Lösung wird der steigenden Komplexität des Vergütungssystems nicht gerecht uns setzt falsche Anreize“, sagt Fricke.

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