S 21 KR 342/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 21 KR 342/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 17.281,02 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Operations- und Prozedurenschlüssel (OPS) 5-541.2 ("Relaparotomie"), 5-542.0 ("Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe der Bauchwand: Exzision"), 5-543.1 ("Exzision und Destruktion von peritonealem Gewebe: Mesenteriumresektion") und 5-543.3 ("Exzision und Destruktion von peritonealem Gewebe: Destruktion") zu kodieren sind.

Die Klägerin betreibt ein in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommenes Plankrankenhaus. Eine bei der beklagten Krankenkasse versicherte Person wurde vom 24.01.2012 bis 22.02.2012 vollstationär in dem Krankenhaus der Klägerin behandelt. Am 26.01.2012 erfolgte eine partielle Resektion des Dickdarmes. Es folgten am 1., 3., und 6.2.2012 weitere Eingriffe, deren Kodierung streitig ist.

Das Krankenhaus der Klägerin rechnete den Aufenthalt mit der DRG G35Z ab. Die Beklagte veranlasste eine Fallprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK). Der Gutachter änderte mit der Anmerkung "Zugangsweg bei Platzbauch" den für den 01.02.2012 kodierten 5-541.2 ("Relaparotomie") in 5-983 ("Reoperation") sowie den für denselben Tag kodierten OPS 5-543.1 ("Exzision und Destruktion von peritonealem Gewebe: Mesenteriumresektion") mit der Anmerkung "Resektion vom Lig. falciforme wegen Mangeldurchblutung" in 5-543.x ("Exzision und Destruktion von peritonealem Gewebe: Sonstige") ab. Darüber hinaus strich er die für den 03.02.2012 und den 06.02.2012 jeweils neben einem VAC-Wechsel (OPS 5-916.a3) kodierten OPS 5-542.0 ("Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe der Bauchwand: Exzision") und 5-543.3 ("Exzision und Destruktion von peritonealem Gewebe: Destruktion") als im Sinne der Kodierrichtlinien nicht relevante Prozedur mit der Begründung "monokausale Kodierung, Inspektion und Säuberung beim VAC-Wechsel am offenen Abdomen inklusive".

Die Beklagte, welche zunächst den vollen Rechnungsbetrag gezahlt hatte, bat um Korrektur der Krankenhausrechnung und nahm am 04.06.2012 eine Verrechnung in Höhe von 17.281,02 EUR mit einer unstreitigen Forderung des Krankenhauses vor. Das Krankenhaus widersprach mit Schreiben vom 03.08.2012 der Einschätzung des MDK und teilte mit, man halte an der Rechnungslegung in vollem Umfang fest.

Mit der am 30.12.2014 erhobenen Klage macht die Klägerin den verrechneten Betrag geltend. Es hat zunächst beantragt,

Es wird festgestellt, dass der mit Schreiben vom 30.04.2012 und 18.02.2013 geltend gemachte Rückforderungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin betreffend die stationäre Krankenhausbehandlung der Patientin G. H. ( ...1942) im Zeitraum vom 24.01. bis 22.02.20102 n dem von der Klägerin betriebenen Diakonissenkrankenhaus in D. nicht besteht.

In dem Erörterungstermin vom 18.10.2017 hat der Sitzungsvertreter der Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 30.10.2017 hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten unter beweisantritt durch Sachverständigengutachten insbesondere vorgetragen, die Wiedereröffnung der freien Bauchhöhle gelte als Relaparatomie, unabhängig von der zuvor erfolgten Art und Weise des –ggf. temporären – Verschlusses der Bauchhöhle. Es genüge also, dass die Bauchhöhle durch die V.A.C verschlossen worden sei. eine naht sei nicht erforderlich.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.281,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten seit dem 14.06.2012 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin steht kein weiterer Vergütungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Beklagte hat zu Recht eine Verrechnung vorgenommen, weil ihr nach zunächst vollständiger Zahlung des Rechnungsbetrags ein Erstattungsanspruch in Höhe des verrechneten Betrages zustand. Auf die Frage der Verjährung kommt es nicht an, weil die durch die Klägerin geltend gemachte Forderung nicht mehr besteht.

Die Kammer legt ihrer Entscheidung das insoweit übereinstimmende Vorbringen der Beteiligten zugrunde. Bei übereinstimmendem Vorbringen aufgrund der besonderen fachlichen Kompetenz der Beteiligten bedarf es insoweit keiner Ermittlungen des Gerichts (Urteil des Bundessozialgerichts vom 21.04.2015, B 1 KR 10/15 R).

Die OPS 5-541.2, 5-542-0, 5-543.1 und 5-543.3 waren vorliegend nicht zu kodieren.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Abrechnungsbestimmungen und Vergütungsregelungen einschließlich der Deutschen Kodierrichtlinien und der Operations- und Prozedurenschlüssel stets eng nach ihrem Wortlaut anzuwenden und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen (zuletzt Urteil vom 19.04.2016, B 1 KR 34/15 R, zitiert nach Juris, hier Randnr. 15).

Die Anwendung und Auslegung von Rechtsnormen – um solche handelt es sich bei den Abrechnungsregelungen – ist Aufgabe des Gerichts. Das Gericht kann diese Aufgabe nicht an einen Gutachter delegieren.

Der MDK-Gutachter hat zu Recht den für den 01.02.2012 kodierten OPS 5-541.2 ("Relaparotomie") in 5-983 ("Reoperation") abgeändert. Nach Abschnitt P013d der Deutschen Kodierrichtlinien ist bei der Wiedereröffnung eines Operationsgebietes insbesondere zur Behandlung einer Komplikation zunächst zu prüfen, ob die durchgeführte Operation mit Wiedereröffnung des Operationsgebietes im OPS durch einen spezifischen Kode im betreffenden Organkapitel kodiert werden kann. Gibt es keinen spezifischen Kode, dann ist die durchgeführte Operation zusammen mit einem Zusatzkode wie z.B. 5-983 "Reoperation" für die Reoperation anzugeben. Demnach war die am 01.02.2012 wegen Komplikationen (laut OP-Bericht: "Am heutigen Tage kam es am oberen Wundpol zu einer fleischwasserfarbenen Sekretion. Unter VD Platzbauch soll die umgehende Revision erfolgen, ") durchgeführte Reoperation auch als solche zu kodieren, nicht aber als Relaparatomie.

Die durch den MDK-Gutachter vorgenommene Änderung des für denselben Tag kodierten OPS 5-543.1 in den OPS 5-543.x ist zutreffend, weil nach dem OP-Bericht nicht das Mesenterium, sondern das Ligamentum falciforme entfernt wurde.

Die jeweils für den 03.02.2012 und den 06.02.2012 neben dem VAC-Wechsel (OPS 5-916.a3) kodierten OPS 5-542.0 ("Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe der Bauchwand: Exzision") und 5-543.3 ("Exzision und Destruktion von peritonealem Gewebe: Destruktion") waren nicht gesondert zu kodieren. Dies folgt aus den Regelungen der Deutschen Kodierrichtlinien:

Abschnitt P001f der Deutschen Kodierrichtlinien, Version 2012 (download von www.dimdi.de) "Allgemeine Kodierrichtlinien für Prozeduren" enthält folgende Vorgaben:

"Alle signifikanten Prozeduren, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen wurden und im OPS abbildbar sind, sind zu kodieren. Dieses schließt diagnostische, therapeutische und pflegerische Prozeduren ein. Die Definition einer signifikanten Prozedur ist, dass sie entweder

- chirurgischer Natur ist

- ein Eingriffsrisiko birgt

- ein Anästhesierisiko birgt

- Spezialeinrichtungen oder Geräte oder spezielle Ausbildung erfordert.

Es ist besonders wichtig, dass alle signifikanten und kodierbaren Prozeduren, einschließlich traditioneller "nicht-chirurgischer" Prozeduren verschlüsselt werden.

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Prozedurenkomponenten

Normalerweise ist eine Prozedur vollständig mit all ihren Komponenten, wie z.B. Vorbereitung, Lagerung, Anästhesie, Zugang, Naht, usw. in einem Kode abgebildet (siehe Beispiel 1 und 2). Abweichungen davon sind in den Hinweisen beschrieben. Bei den Operationen am Nervensystem zum Beispiel ist gewöhnlich der Zugang zusätzlich zu kodieren.

Deshalb werden diese individuellen Komponenten einer bereits kodierten Prozedur nicht noch einmal gesondert verschlüsselt.

Ebenso sind eingriffsverwandte diagnostische Maßnahmen nicht gesondert zu kodieren, wenn diese in derselben Sitzung durchgeführt werden und regelhaft Bestandteil der interventionell-therapeutischen Prozeduren sind und dies im OPS nicht anders geregelt ist (z.B. diagnostische Arthroskopie vor arthroskopischer Meniskektomie wird nicht verschlüsselt).

Auch andere Prozeduren, wie z.B. Schmerztherapie (mit Ausnahme des OPS-Kodes 8-919 Komplexe Akutschmerzbehandlung), enterale oder parenterale Ernährung sind nur dann zu kodieren, wenn sie als alleinige Maßnahmen durchgeführt wurden (siehe Beispiel 3)."

Es schließen sich die Beispiele 1 bis 3 an. Unter Beispiel 3 findet sich der Satz:

"Eigenständige Prozeduren, die nicht im direkten Zusammenhang mit einer operativen Prozedur stehen, werden getrennt kodiert."

Die durchgeführten Exzisionen und Destruktionen sind signifikante Prozeduren, weil sie "chirurgischer Natur" sind. Sie sind auch – anders als etwa eine Naht – keine Komponenten einer anderen Prozedur. Ob Exzisionen und Destruktionen regelhaft Bestandteil einer der anderen durchgeführten Prozeduren, etwa des Wechsels des VAC-Systems, sind, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn sie sind jedenfalls keine diagnostischen Maßnahmen. Daher greift der Ausschluss der Kodierbarkeit ("Ebenso sind eingriffsverwandte diagnostische Maßnahmen nicht gesondert zu kodieren, ") hier nicht. Die Exzisionen und Destruktionen sind aber nicht zu kodieren, weil sie nicht als alleinige Maßnahmen durchgeführt wurden. Dies folgt aus dem vorletzten zitierten Satz ("Auch andere Prozeduren "). Der Satz enthält eine eigenständige einschränkende Regelung. Dem Wortlaut nach betrifft er ausdrücklich Prozeduren, nicht etwa Prozedurenkomponenten. Der Satz erfasst demnach auch die streitigen Exzisionen und Destruktionen. Diese wurden aber nicht als "alleinige Maßnahmen" im Sinne der Regelung durchgeführt. Denn sie hätten ohne den Wechsel des VAC-Systems nicht stattgefunden.

Aus den dargelegten Gründen war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a Sozialgerichtsgesetz, 154 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 197a Sozialgerichtsgesetz, 63 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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