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„Unwürdig“Bestatter kritisiert pietätlösen Umgang mit Verstorbenen in Kölner Kliniken

Lesezeit 4 Minuten
Brian Müschenborn

Bestatter Brian Müschenborn

  • Knapp 50 Prozent der Menschen sterben nach aktuellen Zahlen in einer Klinik, weitere 30 Prozent in Pflegeheimen.
  • Der Bestatter Brian Müschenborn beklagt den Umgang von Kölner Krankenhäusern und Heimen mit Verstorbenen.
  • Ob mit Katheter im Metallsarg, Zettel im Gesicht oder Verstorbene, die „noch in ihrem Kot liegen“ – der Umgang sei oft „unwürdig und indiskutabel“.

Köln – Niemand wünscht sich einen Tod im Krankenhaus. „Die meisten – laut repräsentativen Umfragen sind es 80 Prozent – wünschen sich, zu Hause zu sterben“, sagt der  Bestatter Brian Müschenborn, der auch Vorsitzender des Kölner Bestatterverbandes ist. In der Realität sei es jedoch andersherum: Knapp 50  Prozent versterben nach aktuellen Zahlen des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes in einer Klinik, weitere 30 Prozent im Pflegeheim.

Wenn Müschenborn oder einer seiner Bestatterkollegen die Verstorbenen  in Kölner Krankenhäusern in der Pathologie abholen, müssen sie  oft schlucken. „Häufig müssen wir den Toten  im Bestattungsinstitut erst ihre Würde zurückgeben“, umschreibt er  seine Aufgabe.

Mit Katheter im Metallsarg

Verstorbene  lägen  mit Venenkatheter im Handgelenk in dem Metallsarg  oder auf der Metallbahre, EKG-Knöpfe klebten auf Körpern, nicht selten werde  der Blasenkatheter nicht gezogen und der Urinkatheterbeutel liege mit dabei. Einzelne Kölner Krankenhäuser explizit benennen will er ausdrücklich nicht. „Es geht nicht um Schuldzuweisung, sondern darum, einen  Kulturwandel anzuregen. Es geht um eine Ethik dem Toten gegenüber.“ Dafür will er auch in seiner Rolle als Vorsitzender des Kölner Bestatterverbandes sensibilisieren.

Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte jüngst die Frage aufgeworfen, ob sich Respekt und Krankenhausbürokratie ausschließen. Es ging um pietätlose Behördenbriefe, die Hinterbliebene nach dem Tod ihrer Lieben von Krankenhäusern bekommen.

Markierung mit Namensaufkleber im Gesicht

Für Müschenborn gehört das beides zusammen: Es geht um die Haltung dem  Verstorbenen gegenüber. Und ihm fallen viele Beispiele ein, wo diese nicht gewahrt wird.  Vom Austausch mit den anderen Kollegen weiß er, dass das  keine Einzelfälle sind.  Erst kürzlich hat er sich wieder mit einem Kollegen über die Unart ausgetauscht, Verstorbene  im Krankenhaus nach ihrem Tod mit einem Namensaufkleber mitten im Gesicht zu markieren. 

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„Das ist  unwürdig und indiskutabel. Jeder weiß, dass das bei einem Lebenden,  ein absolutes No Go wäre, jemandem etwas ungefragt ins Gesicht zu kleben.“   Die Krankenhäuser würden dann mit Verwechslungsgefahr argumentieren. Bisweilen auch mit Praktikabilität, wenn man den Verstorbenen aus der Lade ziehe und sofort erkenne, um wen es sich handele. „Aber das könnte man ja auch mit Patientenbändchen am Arm machen, die in manchen Krankenhäusern längst Standard sind.“

In Kölner Heimen ist die Situation nicht besser

In einem katholischen Krankenhaus in Köln  wurden bis vor wenigen Wochen die Leichen im Kühlraum noch mit dem Rollwagen an der Heizung festgekettet. Erst wenn der Bestatter in der Verwaltung die 25 Euro für die Ausstellung des Totenscheins entrichtet hatte, wurde ihm der Schlüssel ausgehändigt, um den Rollwagen  loszuketten. „Oft ist es einfach Gedankenlosigkeit, weil man sich  nie die Frage stellt: Möchte ich, dass man mit mir so umgeht.“

In Kölner Heimen sei das oft nicht besser. Als er vor zwei Wochen eine am Vorabend verstorbene Dame in einem privaten Altenheim abgeholt habe, „lag diese noch in ihrem Kot“. Es gebe Heime, in denen Angehörige genötigt würden, das Zimmer ihres vormittags verstorbenen Angehörigen bis 14 Uhr leer zu räumen, damit  nahtlos nachbelegt werden könne.

„Unser Krankenhaus ist für die Lebenden, nicht für die Toten“

Für den Bestatter ist es eine wichtige Frage, ob es eine ethische Norm in dem Haus gibt oder ob die Leitfrage lautet, was die Wirtschaftlichkeit hergibt. „Unser Krankenhaus ist für die Lebenden, nicht für die Toten.“ Diesen Satz, der ihm einmal nach einer Beschwerde  von einem Arzt gesagt wurde, stellt er einen anderen entgegen: „Die Würde des Toten ist unantastbar.“

Er sehe den Verstorbenen  weiter als ein „Du“ und nicht als funktionales Objekt.  Das Problem ist, dass der würdelose Umgang den  Angehörigen meist verborgen bleibt. Längst nicht alle Kölner Krankenhäuser haben – wie etwa die vier Häuser der Cellitinnen – Abschiedsräume, in denen die Angehörigen sich  verabschieden können. Manchmal gebe es nicht mal  einen Raum, in den Verstorbene geschoben werden könnten.

Dann geht es direkt in die Kühlung und den Angehörigen werde die wertvolle  Begegnung  direkt nach dem Tode genommen. „Wenn sie den Leichnam  später beim Bestatter wiedersehen, ist er oft schon  stark verändert.“ Er wünscht sich für alle  Krankenhäuser eine Ethikkommission, die Standards erarbeitet, wie man sich  um Verstorbene kümmert.  „Dass man sich  fragt, was ist ethisch vertretbar und nicht, wie kann ich den Toten so schnell wie möglich loswerden.“

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