Verbindliche Fallzahlen für schwierige Eingriffe werden von einem Großteil der Krankenhäuser offenbar umgangen. Das zeigt eine aktuelle Auswertung der Operationszahlen an Kliniken.

In Deutschland gibt es bislang nur für sieben Indikationen Mindestmengen, aber selbst diese werden kaum eingehalten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des Science Media Centers, der Weissen Liste und der Bertelsmann-Stiftung. 459 von 1.157 Kliniken (39,7 %) haben im Jahr 2017 komplexe Eingriffe vorgenommen, obwohl sie die vorgegebenen Fallzahlen unterschritten haben. Das entspricht laut Studienautoren bundesweit etwa 4.300 Operationen.

Auffällig ist dabei, dass es große regionale Unterschiede bei der Erfüllung der Mindestmengen gibt: Erreichen in Bremen 62,5 % der Kliniken die vorgegebenen Mindestmengen nicht und in Brandenburg 56,7 %, trifft das in Mecklenburg-Vorpommern nur auf 29,2 % zu, in Baden-Württemberg auf 30,7 %.

Je komplexer die Operation, desto düsterer die Lage

Zudem werden die Mindestmengen seltener eingehalten, wenn die Operation komplexer ist. "Während im Bereich Knieprothesen inzwischen neun von zehn Kliniken die - allerdings nach Ansicht von Fachleuten zu niedrigen - Mindestmengen erreichen, sieht das bei den übrigen Operationen - allesamt hochkomplex und risikoreich - meist anders aus", heißt es in der Analyse. So erreichten etwa von 378 Kliniken, die im Jahr 2017 komplexe Operationen an der Speiseröhre vorgenommen haben, laut der Studie 198 (52,4 %) die Mindestmenge von zehn Fällen pro Jahr nicht. 131 dieser Kliniken gaben noch nicht einmal Ausnahmetatbestände an.

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© UKH Halle_MedFak_Zentrale Fotostelle

Nierentransplantationen gehören zu den sieben Indikationen, für die in Deutschland Mindestmengen für Operationen gelten.

Ähnliche Zahlen fanden die Experten auch bei Pankreasoperationen. Wissenschaftler haben für alle komplexen Pankreasoperationen in Deutschland zwischen 2009 und 2014 eine Sterblichkeit von 11,5 % in Kliniken mit bis zu acht Eingriffen pro Jahr errechnet. Bei Kliniken mit bis zu zwei Operationen pro Woche lag die Sterblichkeit lediglich bei 6,5 %. Über so viel Erfahrung in diesem Bereich verfügen in Deutschland nur 15 Kliniken. Operiert wurde 2017 aber an 605 deutschen Krankenhäusern. Die Mindestmenge lag auch hier bei zehn Eingriffen pro Jahr.

Geringere Sterblichkeit bei Klinikkonzentration

Dabei zeigt sich laut Studienautoren, dass sich mit Zentrenbildung große Erfolge erzielen lassen. So sei es in den Niederlanden gelungen, mit einer strikten Einhaltung der Mindestmenge von zehn Patienten pro Jahr die Sterblichkeit nach Operationen an der Bauchspeicheldrüse von etwa zehn auf fünf Prozent zu halbieren. In Dänemark sei die Herzinfarktsterblichkeit in den vergangenen zehn Jahren von etwa acht auf vier Prozent gesunken, nachdem die Zahl der zuständigen Kliniken von 50 auf vier reduziert worden sei.

Sieben Eingriffe mit Mindestmenge

Mindestmengen gelten in Deutschland neben den drei genannten Eingriffen auch für die Transplantationen von Stammzellen (25), Lebern (20) und Nieren (25) sowie für die Versorgung von Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1.250 Gramm.

Die Mindestmengenregelung ist 2004 eingeführt worden und sollte mithilfe finanzieller Sanktionen durchgesetzt werden. Doch dazu ist es bislang kaum gekommen, da die Kliniken häufig Ausnahmetatbestände geltend machen. Dazu zählen beispielsweise Notfälle, der Aufbau eines neuen Leistungsbereichs, personelle Neuausrichtung oder das Votum der Landesbehörde wegen der Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung.

Die Datenanalyse zeigt auch, dass ein Viertel der Kliniken, die 2017 Mindestmengeneingriffe vornahmen, unvollständige Qualitätsberichte abgegeben haben. Die Kliniken äußerten sich nicht dazu, ob sie die Mindestmengen erfüllt hatten. Die fehlerhafte Dokumentation in den Qualitätsberichten wird bislang nicht sanktioniert.