L 5 KR 84/20 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 KR 197/20 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 84/20 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im gesetzlichen System der Krankenhausabrechnungsprüfung hat eine Krankenkasse einen Anspruch gegenüber dem MDK auf fristgerechte Erledigung der erteilten Prüfaufträge (§§ 275 Abs. 1, Abs. 1c SGB V iVm PrüfvV).
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 18.02.2020 abgeändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Abrechnungsprüfauftrage unter den Fallnummern 10071828, 4052466 und 10303738 den gesetzlichen Anforderungen entsprechend fristgerecht zu erledigen.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in der ersten Instanz vollumfänglich, in der zweiten Instanz zu 3/5. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten der Beschwerdeinstanz zu 2/5.

Gründe:

Die Antragstellerin begehrt im Eilrechtsschutz die gerichtliche Anordnung der Verpflichtung des Antragsgegners zur fristgerechten Erstellung von Gutachten über Krankenhausabrechnungen.

1. Im März 2019 erteilte die Antragstellerin dem Antragsgegner u.a. sechs Abrechnungsprüfaufträge, die sich auf die Abrechnung von stationären Leistungen verschiedener Leistungserbringer aus dem Bereich der Psychiatrie bezogen. Der Antragsgegner teilte im August 2019 mit, die Anzahl der Prüfaufträge habe mittlerweile einen Stand erreicht, der die fristgerecht leistbaren Fallerledigungen übersteige. Wegen des Abarbeitungsstaus würden eingehende Aufträge, welche die mitgeteilten, an den Marktanteilen ausgerichteten Orientierungswerte der jeweiligen Kasse überstiegen, zurückgestellt. Wenn die Begutachtungsressourcen nicht ausreichten und Verfristungen nicht mehr zu verhindern seien, würden die Aufträge derjenigen Kassen als erste verfristen, die am meisten über den jeweiligen Orientierungswerten Prüfaufträge erteilt hätten. So werde vermieden, dass überproportional einsteuernde Kassen andere verdrängten. Zur Fallsteuerung biete er an, monatlich und kassenspezifisch mit einer Aufstellung über die Anzahl der offenen Aufträge und Zurückstellungen sowie über die Über- bzw. Unterschreitung der Orientierungswerte zu informieren. Am 12.11.2019 teilte der Antragsgegner mit, wie in den vergangenen Quartalen des Jahres 2019 würden auch in nächster Zukunft nicht alle psychiatrischen Aufträge fristgerecht bearbeitet werden können. Die Kassen erhielten jedoch die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, welche ihrer Aufträge begutachtet und welche 50% sie stornieren. Die Antragstellerin teilte unter Berufung auf die gesetzlichen Fristen einer GKV mit, dass eine Stornierung nicht erfolge. Darauf antwortete der Antragsgegner, er werde 50 % der Aufträge zurückstellen, damit die restlichen Aufträge fristgerecht bearbeitet werden könnten. Dem widersprach die Antragstellerin und bat um Klarstellung, dass alle Prüfaufträge fristgerecht bearbeitet würden bzw. forderte den Antragsteller auf zu erklären, welche von insgesamt 13 Prüfaufträgen - zu denen auch die sechs oben benannten zählten - jeweils zu einem bestimmten Datum, das dem Ablauf einer Frist von zehn Monaten und zwei Wochen entspreche, erfüllt würden.

2. Am 20.12.2019 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht München (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt zur vorläufigen Verpflichtung der rechtzeitigen Erstellung der Gutachten zu sechs Prüfaufträgen (Verfahren S 59 KR 3754/19 ER). Zur Begründung hat die Antragstellerin im Wesentlichen vorgetragen, sie habe einen Anspruch, die MDK-Gutachten zu den von ihr erteilten Prüfaufträgen spätestens zwei Wochen vor Ablauf der in § 8 S. 3 der Prüfverfahrensvereinbarung vom 03.02.2016 (PrüfvV) festgelegten Frist von elf Monaten zu erhalten. Sie benötige diese Gutachten, um die gemäß § 8 S.1 und 2 PrüfvV vorgeschriebene abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsansprüchen unter Darlegung der wesentlichen Gründe den betroffenen Krankenhäusern mitzuteilen. Nach Eingang des Gutachtens bedürfe es einer Bearbeitungsdauer von zwei Wochen, um die Mitteilung an das Krankenhaus fertigzustellen, insbesondere, weil es hierzu regelmäßig Rückfragen an die Gutachter gebe, die in der Regel schwer erreichbar seien. Wenn es nicht gelinge, die Mitteilungen nach § 8 S. 1 und 2 PrüfvV an die betroffenen Krankenhäuser rechtzeitig zu machen, seien etwaige Erstattungsansprüche gegenüber den Krankenhäusern gemäß § 8 S. 4 PrüfvV ausgeschlossen. Dadurch entstehe ein Ausfall möglicher Erstattungsansprüchen in Höhe von insgesamt 18.094,61 EUR. Die Antragstellerin hat auf die Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 18.07.2013 - B 3 KR 21/12 R) verwiesen. Aufgrund der Auffälligkeiten der streitgegenständlichen Krankenhausabrechnungen seien die Prüfaufträge veranlasst.

Der Antragsgegner hat im Kern erwidert, der Antrag sei schon deshalb unzulässig, weil die begehrten Gutachten keinen Verwaltungsakt darstellten und eine gerichtliche Anordnung zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führte. Es bestünden im Innenverhältnis zwischen Krankenkassen und dem Antragsgegner im Prüfungsverfahren keine Ansprüche aus subjektiven Rechten. Aus dem Prüfbericht des Bundesrechnungshofs vom 06.05.2019 sei ersichtlich, dass das derzeitige System der Prüfung der Krankenhausabrechnungen auf Veranlassung durch die Krankenkassen unwirtschaftlich und ineffizient sei und sich zu Lasten der Patientenversorgung auswirke. Die Antragstellerin hat einen der Prüfaufträge nach Erfüllung des Prüfauftrags für erledigt erklärt.

Mit Beschluss vom 16.01.2020 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Der zulässige Antrag sei nicht begründet. Es sei kein Anordnungsanspruch ersichtlich, weder aus § 275 Abs.1c SGB V noch aus der PrüfvV. Die Vertragsparteien der PrüfvV seien vielmehr verpflichtet, die Fristen zu verlängern, wenn die Erstellung fristgerechter Gutachten nicht möglich sei. § 17c Abs. 2 KHG berechtige die Vertragsparteien nicht zum Erlass rechtlicher Regelungen zu Lasten des Antraggegners. Dieses Ergebnis stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH zu Amtshaftungsansprüchen zwischen Körperschaften öffentlichen Rechts.

3. Dagegen hat die Antragstellerin am 21.01.2020 Beschwerde eingelegt (L 5 KR 36/20 B ER) und die vorläufige Verpflichtung zur Durchführung der Prüfung in vier Fällen beantragt sowie die Feststellung, dass hinsichtlich des erstinstanzlich für erledigt erklärten Auftrags Erledigung eingetreten ist. Der letzte der ursprünglich sechs Abrechnungsprüfaufträge ist wegen Zeitablaufs für erledigt erklärt worden. Die Antragstellerin hat die Beschwerde wie folgt begründet: Der Beschluss des Sozialgerichts verletzte materielles Recht, berücksichtige insbesondere nicht, dass der MDK bei der Vereinbarung der PrüfvV eingebunden war, missachte die Rechtsprechung des BSG und des BVerfG, setze sich mit dem Rechtsvortrag der Antragstellerin nicht ausreichend auseinander und sei unstimmig. Sie hat nochmals dargelegt, aus welchen Gründen sie einen Anspruch gegen den MDK habe, damit ihr die zeitgerechte Durchführung ihrer Prüfaufgaben im System der GKV möglich sei. Der Senat hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass sich das Eilverfahren mittlerweile durch Zeitablauf erledigt habe und daher das Rechtschutzbedürfnis weggefallen sei.

Daraufhin hat die Antragstellerin das Beschwerdeverfahren um mehrere Prüfaufträge erweitert, die nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Eilverfahrens gewesen sind. Diese Abrechnungsprüfaufträge sind dem Antragsgegner im März und April 2019 erteilt worden und noch nicht verfristet gewesen. Der Senat hat nach Anhörung mit Beschluss vom 10.02.2020 die nicht zwischenzeitlich erledigten Prüfaufträge der Antragserweiterung vom 31.01.2020 abgetrennt und an das instanziell zuständige SG München verwiesen (L 5 KR 64/20 ER). Die Antragstellerin hat einen Feststellungsantrag hinsichtlich "der Wirkungslosigkeit des Beschlusses des SG München" gestellt und hat die ursprünglich streitgegenständlichen Prüfaufträge aufgrund Zeitablaufs für erledigt erklärt.

Mit Beschluss vom 19.02.2020 hat der Senat die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen und die Feststellungsanträge abgelehnt, da im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes keine Eilbedürftigkeit für abstrakte Entscheidungen besteht.

4. Das SG hat mit Beschluss vom 18.02.2020 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der verwiesenen Verfahren abgelehnt im Wesentlichen mit der Begründung des SG-Beschlusses vom 16.01.2020 (S 59 KR 3547/19 KR).

5. Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und die vorläufige Verpflichtung zur Erledigung von fünf Abrechnungsprüfaufträgen beantragt. Diese Abrechnungsprüfaufträge betreffen Behandlungsfälle im stationären psychiatrischen Bereich und waren dem Antragsgegner im April 2019 erteilt worden; die Frist von 11 Monaten abzgl. 2 Wochen lief am 28.02.2020 ab (Fallnummern 100058047 und 4055112) bzw. läuft am 06.03.2020 (Fallnummern 10071828 und 10303738) und 11.03.2020 (Fallnummer 4052466) aus. Die Antragstellerin hat die Beschwerde damit begründet, dass die 29. Kammer den Beschluss der 59. Kammer im Wesentlichen wortgleich übernommen, einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt, die Rechtsprechung des BSG sowie des BVerfG missachte und sich nicht mit dem Vortrag der Antragstellerin auseinandergesetzt habe.

Der Antragsgegner hat erwidert, Sinn und Zweck der Abrechnungsprüfung sei die Integrität des Abrechnungsverfahrens und nicht die Einnahmeerzielung der Krankenkassen. Das Prüfverfahren sei zweiseitig zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern, daraus erwachsen keine subjektiven Ansprüche gegen den Antragsgegner. Zutreffend habe das Sozialgericht auf die Rechtsprechung des BGH zum Amtshaftungsrecht verwiesen. Der Antragsgegner habe nicht gegen Verpflichtungen zur konstruktiven Zusammenarbeit verstoßen, sein Verhalten entspreche dem Gebot der Gleichbehandlung bei Mangel.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 18.02.2020 abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, die Abrechnungsprüfaufträge unter den Fallnummern 10071828, 100058047, 4052466, 10303738, 4055112 den gesetzlichen Anforderungen entsprechend fristgerecht zu erfüllen.

Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Gegenstand der Entscheidungsfindung waren die Gerichtsakten beider Instanzen, sowie der Verfahren S 59 KR 3547/19 ER, L 5 KR 36/20 B ER und L 5 KR 64/20 ER gewesen. Auf diese wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist im tenorierten Umfang begründet.

1. Rechtsschutzziel der Antragstellerin ist, den Antragsgegner gerichtlich zu verpflichten, im April 2019 erteilte Abrechnungsprüfaufträge fristgerecht zu erledigen. Die Erfüllung von Prüfaufträgen sind keine Verwaltungsakte (§ 31 SGB X), sondern Realakte. Im einstweiligen Rechtsschutz ist dieses Ziel mit der Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs.2 SGG zu erreichen. Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen dabei bei Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes glaubhaft gemacht sein (BVerfG, Beschluss v. 25.02.2009 - 1 BvR 120/09). Das Recht der Antragstellerin, der Anordnungsanspruch, bezieht sich auf das materielle Recht, für das vorläufiger Rechtsschutz beantragt wird. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein eigenes System (Keller in Meyer-Ladewig et. al., SGG, 12. Aufl., 2017, § 86b Rdnr.27). In jedem Fall soll vermieden werden, dass die Antragstellerin vor vollendete Tatsachen gestellt wird, bevor sie wirksamen Rechtsschutz erlangen kann.

Grundsätzlich darf mit Entscheidungen nach § 86b Abs. 2 SGG die Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache beruht auf der grundsätzlich eingeschränkten Prüfungsintensität im Eilverfahren einerseits und der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) der Verwaltung und der Gerichte andererseits. Würde die Hauptsache vorweggenommen, obwohl gar nicht feststeht, dass dies der Rechtslage entspricht, würde Art. 20 Abs. 3 GG - und im Übrigen auch der gesetzlich vorgesehene Instanzenzug des Hauptsacheverfahrens - unterlaufen. Allerdings kann es exzeptionelle Konstellationen geben, in denen nur eine Vorwegnahme der Hauptsache irreparable Nachteile für den Rechtsschutzsuchenden vermeiden kann und daher nur durch die Vorwegnahme der Hauptsache dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) entsprochen werden kann. Dies ist dadurch aufzulösen, dass die Prüfung der Rechtslage über eine summarische Prüfung hinaus intensiviert wird und ein strenger Maßstab an Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund angelegt wird (Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., 2020, Rn. 426, 433, 434 mwN). Nur wenn ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit besteht, dass der materielle Anspruch gegeben ist, ist auch im Eilverfahren eine die Hauptsache vorwegnehmende Entscheidung zu treffen (vgl. LSG Schleswig-Holstein v. 14.01.2016 - L 5 R 236/15 B ER - Rn. 8; LSG Sachsen v. 06.02.2017 - L 1 KR 242/16 B ER, Rn. 23, jeweils zitiert nach juris).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend der nicht durch Zeitablauf erledigten Abrechnungsprüfaufträge.

a) Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, denn die Antragstellerin hat einen Anspruch gegen den Antragsteller auf fristgerechte Erfüllung der Abrechnungsprüfaufträge mit den Fallnummern 10071828, 4052466 und 10303738.

Die Krankenkassen sind nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK - hier des Antragsgegners - einzuholen. Aus § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ergibt sich, dass für die Einzelfallprüfung der Leistungsvoraussetzungen einer Krankenhausbehandlung und ihrer Abrechnung ein zwingendes gesetzliches Verfahren vorgegeben ist. Die Krankenkasse ist daher nicht befugt, ein anderes Verfahren zur Einzelfallprüfung durchzuführen, etwa eine Prüfung durch "hauseigene" Ärzte oder andere Gutachter- oder Prüfdienste. Im Abrechnungsprüfungsverfahren ist neben dem allgemeinen "prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot" in § 275 Abs. 1c S. 1 SGB V (in der bis 31.12.2019 gültigen Fassung, "aF"), welches Ausdruck in dem Wort "zeitnah" findet (vgl. dazu BSG, Urt. v. 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R, Rn. 30, zitiert nach juris und BSG, Urt. v. 18.07.2013 - B 3 KR 21/12 R), die Konkretisierung der auf § 17c Abs. 2 KHG beruhenden auf Bundesebene geltenden PrüfvV anzuwenden. Zutreffend stellt der Antragsgegner fest, dass Vertragspartner der PrüfvV der GKV-Spitzenverband und die DKG sind. Zwischen diesen Selbstverwaltungspartner entstehen - abhängig vom Ergebnis der Abrechnungsprüfung - Leistungs- bzw. Erstattungsansprüche zwischen den jeweils betroffenen Leistungsträger und Leistungserbringern. Diese haben über ihre Bundesverbände mit der PrüfvV einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen, der für die Krankenkassen, den jeweiligen MDK sowie alle nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser unmittelbar verbindlich ist (§ 17c Abs. 2 S. 4, § 2 Abs. 2 PrüfvV). Unmittelbar verbindlich bedeutet, dass es keines weiteren Aktes bedarf. Der Vertrag hat damit normative Wirkung. Anders als bei den Verträgen nach §§ 112 oder 115 SGB V wird durch die PrüfvV auch der MDK gebunden. Die gesetzliche Bindung des MDK an die Vertragsinhalte ist kein unzulässiger "Vertrag zu Lasten Dritter", sondern systemimmanent und notwendig, da die Krankenkassen für Versäumnisse des MDK, etwa bei der fristgemäßen Anzeige des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V, haften. Die Zurechnung des Handelns des MDK mit Wirkung gegenüber den Krankenkassen ergibt sich nicht aus der analogen Anwendung zivilrechtlicher Zurechnungstatbestände, sondern unmittelbar aus § 275 SGB V (ausführlich BSG, Urt. v. 13.11.2012 - B 1 KR 24/11 R, Rn. 25, zitiert nach juris).

Von der unmittelbaren Verbindlichkeit des Vertrages für den MDK bleibt unberührt, dass die Ärzte des MDK nach § 275 Abs. 5 S. 1 SGB V bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen sind. Der MDK ist an den Vertrag gebunden, obwohl er weder über einen der vertragsschließenden Bundesverbände mittelbar am Abschluss beteiligt ist noch durch Beitritt zu einem solchen Verband beteiligt sein kann. Nach dem Willen des Gesetzgebers "soll" deshalb auf Seiten des GKV-Spitzenverbandes der MDK des Spitzenverbandes an den Vertragsverhandlungen beteiligt werden (BT-Drs. 17/13947, 50), was nach dem glaubhaften Vortrag der Antragstellerin im Rahmen von Arbeitsgruppen vorliegend auch geschehen ist. Ein Mitspracheanspruch oder Vetorecht des MDK besteht indes nicht. Dies ist vor dem Hintergrund, dass der MDK kein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an den streitigen Vergütungsfragen hat, nicht zu beanstanden (Dettling/Gerlach/Gerlach, 2. Aufl. 2018, KHG § 17c Rn. 23a).

Die Abrechnungsprüfung ist keine Einnahmequelle der Krankenkasse zur Erhöhung deren Wettbewerbsfähigkeit. Die Antragstellerin ist jedoch als gesetzliche Krankenkasse durch den Gesetzgeber gehalten, das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V) durch die entsprechende Vergabe von Prüfaufträgen an den MDK - hier an den Antragsgsgegner - durchzusetzen. Ansonsten würde auch der Regelungszweck des § 275 Abs. 1c SGB V unterlaufen. Die Krankenhäuser können sich gegenüber der Antragstellerin auf das Unterlassen oder die Verspätung der Prüfanzeige oder als rechtserhebliche Mängel des Prüfverfahrens nach § 275 I Nr. 1 und I c SGB V berufen, auch wenn sie allein der Sphäre des MDK zuzurechnen sind (BSG - B 1 KR 24/11 R aaO; BSG, Urt. v. 16. 5. 2012 - B 3 KR 14/11 R unter ausdrücklicher Aufgabe von BSG, SozR 4-2500 § 112 Nr. 6 Rn. 17, 18). Dies gilt auch für die eine nicht fristgerechte Mitteilung ihrer Entscheidung gemäß § 8 PrüfvV.

Durch die PrüfvV sind die Fristen für die Erledigung der Abrechnungsprüfaufträge in "Zeitnähe" konkretisiert. Nach § 8 S. 3 und 4 PrüfvV kann die Antragstellerin als gesetzliche Krankenkasse nur bis zu einer Ausschlussfrist von elf Monaten Erstattungsansprüche gegen Krankenhäuser geltend machen. Dabei ist die vorhergehende Prüfung durch den MDK obligatorisch (§ 6 PrüfvV, § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Es besteht daher ein Anspruch der Antragstellerin gegenüber des Antragsgegners auf Erfüllung der erteilten Aufträge in einer Frist von maximal 10 Monaten (entsprechend der internen Bearbeitungsvorgabe des Antragsgegners) mit einem Kulanzzuschlag von zwei Wochen.

Der Vortrag des Antragsgegners zum Anstieg der Prüfaufträge ist zwar vollumfänglich nachvollziehbar. Auch mag der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit des Prüfverhaltens einiger Krankenkassen zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen unter Bezugnahme auf den Bericht des Bundesrechnungshofs (nach § 88 Abs. 2 BHO v. 06.05.2019) zutreffend erscheinen. Der Gesetzgeber hat auf die strukturellen Defizite reagiert und mit dem MDK-Reformgesetz dem stetigen Anstieg der Prüfaufträge und dem damit verbundenen Aufwand, auch für den Antragsgegner, entgegengesteuert und ein System der Prüfquoten zum 01.01.2020 eingeführt. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Antragstellerin keinen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Erledigung von im Jahr 2019 erteilten Abrechnungsprüfaufträgen hätte.

Der Antragsgegner hat aufgrund ihrer Rolle im System der Krankenhausabrechnungsprüfungen die Verpflichtung, organisatorisch sicherzustellen, dass ausreichend Kapazitäten und Fachkräfte vorgehalten werden, um Abrechnungsprüfaufträge, die von den Kassen nicht freiwillig storniert werden, fristgerecht zu erledigen und Abarbeitungsstaus zu vermeiden. Dies erscheint bei den vorliegenden im Streit stehenden 10,5-Monats-Fristen trotz des erheblichen Aufwands nicht unzumutbar. Die Fristen gelten auch für PEPP (Pauschalierte Entgelte in der Psychiatrie und Psychosomatik) - Fälle wie vorliegend. Der Hinweis des Antragstellers auf die geringe Erfolgsquote der Abrechnungsprüfungen auf diesem Fachgebiet mag zutreffend sein, jedoch liegt die Entscheidungskompetenz über die Durchführung von Abrechnungsprüfungen vor dem Hintergrund des § 12 SGB V und der Vorstandshaftung der gesetzlichen Krankenkassen allein bei der Antragstellerin. Sie ist bei der Prüfung von Krankenhausrechnungen "Herrin" des Begutachtungsauftrages an den MDK (ausführlich BSG, Urt. vom 28.02.2007 - B 3 KR 12/06 R, Rn. 15, zitiert nach juris).

Aus den bis 31.12.2019 geltenden Gesetzen ist keine Grundlage ersichtlich, die dem Antragsgegner das Recht vermittelte, Orientierungswerte anhand von Marktanteilen der Krankenkassen zu ermitteln und anhand dieser eine gleichbehandelnde Mangelverwaltung durchzuführen. Dies kommt einem organisierten Systemversagen gleich. Anhaltspunkte für die Aussichtslosigkeit der konkret streitigen Prüfaufträge der Krankenhausabrechnungen sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

Die Rechtsprechung des BGH zur Amtshaftung zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts ist nicht entscheidungserheblich, da im vorliegenden Verfahren der Anspruch auf die Erledigung von Aufträgen, d.h. die Vornahme von Realakten, streitgegenständlich ist.

Aufgrund der Abhängigkeit der Antragstellerin im System der Abrechnungsprüfung von dem Antragsgegner einerseits und der Zurechnung bzw. Haftung der Antragsgegnerin für den Antragsgegner gegenüber den Leistungserbringern andererseits ist somit ein Anordnungsanspruch zu bejahen.

b) Es besteht auch ein Anordnungsgrund. Die gerichtliche Entscheidung ist insoweit eilbedürftig, als die Antragstellerin nach Ablauf der 11-Monatsfrist (§ 8 S.3 PrüfvV) trotz Auffälligkeit einer Krankenhausabrechnung keine Möglichkeit mehr hat, diese zu korrigieren und gegebenenfalls zugunsten der Versichertengemeinschaft überzahlte Beträge zu verrechnen bzw. einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch durchzusetzen. Die Antragstellerin würde vor vollendete Tatsachen gestellt, denn potentielle Ansprüche im Verhältnis zu den Krankenhäusern können nach Fristablauf endgültig nicht mehr geltend gemacht werden. Ein Hauptsacheverfahren ist zur Erlangung des Ziels einer Rechnungskorrektur nicht in der Lage.

c) Einen Antrag auf Festsetzung von Zwangsgeld (§ 201 SGG) hat die Antragstellerin nicht gestellt.

3. Die Beschwerde war im Übrigen abzuweisen. Die Abrechnungsprüfaufträge mit den Fallnummern 100058047 und 4055112 haben sich am 28.02.2020, 24 Uhr, durch Zeitablauf erledigt. Insoweit besteht kein Rechtschutzbedürfnis mehr für eine gerichtliche Entscheidung im Eilverfahren.

4. Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a SGG iVm § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Da die Antragstellerin ihren Antrag trotz der eingetretenen Erledigungen durch Zeitablauf nicht angepasst hat, hat sie die diesem Verfahrensanteil zugewiesenen Kosten im Beschwerdeverfahren zu tragen.

5. Der Streitwert wird nach Anhörung durch gesonderten Beschluss festgesetzt.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar und beendet das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz.
Rechtskraft
Aus
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