Finanznot größer als bisher veröffentlichtKölner Kliniken brauchen 170 Millionen Euro

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Klinik Merheim

Das Krankenhaus in Merheim, eine der drei städtischen Kliniken.

  • 85 Millionen Euro sollten aus der Stadtkasse an die Kölner Kliniken fließen ؘ– zumindest war das der Betrag, von dem vor wenigen Tagen in einer Mitteilung des Presseamtes die Rede war.
  • Doch die Finanznot ist weit größer, das geht aus vertraulichen Unterlagen hervor, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen.
  • Fließt das Geld nicht, steht der Fortbestand der Krankenhäuser auf dem Spiel.

Köln – Die Finanznot der städtischen Kliniken ist weitaus größer als bisher bekannt – und als es Oberbürgermeisterin Henriette Reker und das Presseamt am Mittwoch offengelegt haben. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ braucht die Klinik-GmbH für ihr Überleben bis 2026 voraussichtlich 174 Millionen Euro aus der Stadtkasse.

Das geht aus vertraulichen Unterlagen hervor, in denen die Verwaltung den Stadtrat über die wirtschaftliche Situation des Tochterunternehmens informiert. Insgesamt steigen die aus Steuergeldern finanzierten Hilfen damit auf mehr als 370 Millionen Euro. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kliniken irgendwann zurückzahlen können, gilt im Rathaus als gering.

Presseamt nannte deutlich geringeren Betrag

In einer vor wenigen Tagen veröffentlichten Mitteilung nannte das Presseamt einen wesentlich geringeren Betrag. Darin hieß es, die Verwaltung befürworte ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 85,3 Millionen Euro. Der Kredit sei „notwendig, um die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kliniken jetzt und in Zukunft zu sichern sowie Investitionen der Kliniken zu ermöglichen“. Der Kredit, dem der Rat in seiner Sitzung am 26. März zustimmen soll, decke „den zusätzlichen Finanzbedarf der Kliniken für die Jahre 2020/2021“.

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Was jedoch unerwähnt bleibt: Bereits heute gehen Wirtschaftsprüfer davon aus, dass die Summe nicht ausreicht, um die Kliniken aus der Verlustzone zu führen. Ein die Kliniken „beratender Insolvenzrechtsanwalt“ habe die Planzahlen der Geschäftsführung hinterfragt, ist in den internen Papieren zu lesen. Zwar gibt es bereits ein Sanierungsgutachten des Unternehmens Ernst & Young. Weil die Geschäftsführung jedoch mehrere Bauvorhaben beschlossen habe und in ein „Medizin- und Standortkonzept“ investiere, benötigten die Krankenhäuser in Merheim, Holweide und an der Amsterdamer Straße deutlich mehr Geld als im Sanierungsgutachten ausgewiesen.

Auf Empfehlung des Insolvenzanwalts hätten die Kliniken eine auf das Gesundheitswesen spezialisierte Münchner Unternehmensberatung hinzugezogen. Deren Fachleute gehen, gemessen am Wirtschaftsplan der Kliniken für die Jahre 2020 und 2021, von geringeren Erlösen und höheren Personalkosten aus. Für das laufende Jahr sei ein Minus von 41,5 Millionen Euro zu erwarten, im kommenden eins von 34,5 Millionen Euro. Um über diesen Zeitraum hinaus den Fortbestand der Kliniken zu sichern, müsse die Stadt bis 2026 zusätzlich zu den bereits gewährten Darlehen insgesamt 170 Millionen Euro zuschießen.

Tiefgreifender Umbau beschlossen

Seit 2015 haben die Ratspolitiker mehrfach Finanzhilfen für das städtische Tochterunternehmen bewilligt. Der tatsächliche Bedarf dürfte den Fraktionen allerdings erst nach und nach bewusst geworden sein. Bis Ende 2019 summierten sich die Kredite und Bürgschaften auf 200 Millionen Euro. Nach jüngsten Erkenntnissen wird sich der Betrag nahezu verdoppeln.

Der Aufsichtsrat der Klinik-Gesellschaft hat im vorigen Jahr einen tiefgreifenden Umbau des Unternehmens beschlossen. Das Krankenhaus Holweide soll zu einem kleineren Gesundheitsstandort schrumpfen. Mittelfristig sollen sowohl die dort ansässige Frauenklinik nach Merheim verlegt werden wie die Geburtsklinik, das Brustzentrum, die Spezialchirurgie und HNO-Klinik.

Vertreter der Verwaltung und der Universitätsklinik verhandeln derzeit über eine Zusammenarbeit der jeweiligen Häuser in einem Verbund. Als Dachorganisation ist eine Stiftung vorgesehen. Der Geschäftsbetrieb der städtischen Kliniken soll in den Verbund übergehen, die Uniklinik trägt die Verantwortung. Die 4500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der kommunalen Krankenhäuser sollen eine Beschäftigungsgarantie erhalten. Die Grundstücke sollen im Eigentum der Stadt bleiben. Nach der Grundsatzentscheidung im vorigen November teilte Stadtchefin Reker mit, der Klinikverbund werde möglicherweise zum 1. Januar 2021 starten.

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