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Kristina Gnirke

Spahns Coronahilfe Zu wenig für den Kampf der Kliniken

Kristina Gnirke
Ein Kommentar von Kristina Gnirke
Einen Schutzschirm wollte Gesundheitsminister Spahn über die Kliniken spannen für den Kampf gegen das Coronavirus. Doch das bislang geplante Rettungspaket reicht nicht.
Gesundheitsminister Jens Spahn

Gesundheitsminister Jens Spahn

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CLEMENS BILAN/EPA-EFE/Shutterstock

Das Ansinnen klang gut. "Bitte verschieben Sie planbare Operationen und Eingriffe jetzt", bat Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn in einem Schreiben vor gut einer Woche die Geschäftsführer der deutschen Krankenhäuser. In seinem "eindringlichen Appell", wie er es nannte, sagte er auch zu, die wirtschaftlichen Folgen auszugleichen, damit keine Klinik deshalb in die Verlustzone rutscht. Doch in der Debatte über eine Lösung offenbart sich, dass Spahn der nötige Mut fehlt, seine Worte in Taten umzusetzen. Leidtragende könnten die Kliniken sein, und die vielen Menschen, die dort in den nächsten Wochen und Monaten auf Hilfe angewiesen sein werden.

In den Krankenhäusern räumen sie jetzt Abteilungen frei, organisieren ihre Teams neu, versuchen händeringend, genügend Material für Behandlungen zu beschaffen. Es fehlt an Schutzausrüstung, teils sogar an Material für Operationen, weil deren Transport an den Grenzen feststeckt. Es fehlt auch an genügend ausgebildeten Medizinern und Pflegekräften für die Intensivstationen. Und vielen Kliniken mangelt es letztendlich schon jetzt an genügend Einnahmen, weil sie Betten leer stehen lassen für Coronapatienten. Erste Häuser gehen auf Kurzarbeit, weil die nötige Liquidität fehlt.

Viel Zeit bleibt nicht mehr. Ärzte erwarten in den nächsten Wochen eine stark ansteigende Zahl von Menschen, die durch eine Coronavirus-Infektion schwer erkranken. Ein "absolutes Kampfgebiet" werden viele Kliniken aus Sicht von Ärzten.

Intensivmedizinern graut davor, sich bald entscheiden zu müssen, ob sie dem einen Kranken helfen oder lieber einem anderen mit besseren Aussichten. Sie sorgen sich, weil bald Ärzte beatmete Intensivpatienten versorgen müssen, die den Umgang mit den Geräten nur im Crashkurs gelernt haben. Sie fürchten, selbst zu erkranken und auszufallen, weil Atemmasken und Desinfektion knapp werden. Schon jetzt melden erste Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen, wie der Arbeitstakt hochschnellt, Routine nicht mehr einzuhalten ist, weil so viele Kranke zugleich versorgt werden müssen.

Spahn mutet Kliniken viel zu

Es wäre der richtige Zeitpunkt für den Schutzschirm, den Gesundheitsminister Spahn aufspannen will. Ein Schirm, der Kliniken absichert, sodass sie sich voll auf die Kranken konzentrieren können. An diesem Wochenende baute Gesundheitsminister Spahn sein Hilfspaket für die Kliniken zusammen. Der erste Gesetzentwurf steht - und schon muss der Minister nachbessern.

Denn die Kliniken laufen Sturm gegen den Plan. Aus gutem Grund: Spahn mutet den Krankenhäusern mehr zu, als diese tragen können. Weil ihm der Mut fehlt für einen großen Wurf? Denn die komplexen Abrechnungssysteme setzt er nicht aus, mit denen Krankenhäuser bisher bezahlt werden, obwohl für deren Umsetzung bald kaum jemand Zeit haben dürfte. Doch wann, wenn nicht jetzt, wo das Land auf eine fundamentale Gesundheitskrise zusteuert, wäre dafür der richtige Zeitpunkt?

3,3 Milliarden Euro will Spahn aus dem Bundeshaushalt bereitstellen. Krankenkassen sollen 4,5 Milliarden Euro dazugeben. Nun gäbe es erstmals Geld für leere Betten, für die höheren Ausgaben in der Pflege genauso, Bürokratie und Sanktionen würden ausgesetzt, lobte Spahn seinen Gesetzentwurf in der "Bild am Sonntag". "Durch pauschale Zahlungen sichern wir den Krankenhäusern kurzfristig und großzügig die dringend nötige Liquidität." Doch was er abgeliefert hat, entspricht nicht den großen Worten.

Denn es bleibt bei Bürokratie, es fehlt an sicheren Geldzuflüssen. Spahn will die Zahl der Intensivbetten verdoppeln, schließlich sind von den 28.000 bislang verfügbaren Betten rund 80 Prozent belegt. 30.000 Euro sollten die Kliniken für jedes neue Bett nach Spahns Gesetzentwurf erhalten, das tatsächlich fast drei Mal so viel kostet. Nun passt er aufgrund der Kritik diese Summe an und 50.000 Euro stehen im Raum.

Es ist fraglich, ob das reichen wird. Materialkosten wollte der Minister nicht erstatten, obwohl Krankenhäuser für die Mangelware Atemschutzmasken schon das 25-Fache am Markt bezahlen müssen. Rehakliniken, die jetzt freigeräumt werden, sind überhaupt nicht mit zusätzlichem Geld im Entwurf bedacht worden, obwohl ihre Erlöse großteils wegfallen.

Ärzte werden jetzt für Kranke gebraucht, nicht für Abrechnungen

Obendrein sollen Krankenhäuser ihre Ärzte weiterhin detailgetreu die Arbeit dokumentieren lassen für eine spätere Abrechnung der Einzelleistungen, und die Häuser sollen genau aufschlüsseln, wie viele Pflegekräfte pro Patienten gearbeitet haben. So soll letztlich geprüft werden, ob sie von den 4,5 Milliarden Euro der Kassen für die Pflege doch etwas zurückzahlen müssen.

Aber wer soll im Coronanotstand dafür die Zeit haben in den Kliniken? In guten Zeiten ist die detaillierte Dokumentation der Kliniken wichtig, um ihnen nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Geld zu bezahlen, und ein wichtiger Kontrollmechanismus für die Qualität der Krankenversorgung. Für die Kontrollen durch den Medizinischen Dienst sind die Abläufe zentral im Kampf etwa gegen Betrug, der auch in Krankenhäusern grassiert.

Vielleicht werden einige Kliniken die Lage auch ausnutzen, wenn sie jetzt Geld mit weniger Kontrollen erhalten. Doch das Gros muss jetzt zuvorderst abgesichert werden. Wenn alles überstanden ist, wäre die Zeit für große Strukturänderungen und eine genaue Kalkulation gekommen, wer im Gesundheitssystem das Geld zu Unrecht abzieht. Diese Aufgabe steht sowieso aus.

Hätten die Kliniken ihr Vorjahresbudget garantiert, wären alle abgesichert 

Arztpraxen hat Spahn ein einfaches Prozedere zugesichert, um ihnen zu helfen. Sie erhalten im Prinzip das Geld des Vorjahres, sobald ihnen durch die Versorgung von Corona-Patienten Nachteile entstehen. Es wäre eine genauso praktische Lösung für die Kliniken, die längst in den Verhandlungen mit dem Gesundheitsminister im Raum stand. Krankenhäuser, die ihr Budget aus dem Vorjahr sicher wissen, können ungestört an die Arbeit gehen und sich ihrer Liquidität sicher sein.

Die Frage wird nun sein, ob der Minister jetzt ausreichend stark umsteuert oder ob Bundeskanzlerin Angela Merkel in den jetzt noch geplanten Gesprächen einen kräftigen Schub in die richtige Richtung gibt. Immerhin sollen Krankenhäuser nun, nach deren Kritik, mehr Geld für freibleibende Betten erhalten und einen Zuschlag pro Patienten.

Kommende Woche soll und muss ein Gesetz für die Klinikhilfe stehen. "Die Krankenhäuser verdienen in dieser Zeit bestmögliche Unterstützung", schrieb Spahn am Samstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. "Wir sorgen für mehr finanzielle Sicherheit", versprach er den Klinken, "damit sich die, die dort für uns alle im Einsatz sind, mit ganzer Kraft um die Patienten kümmern können." Dafür braucht es jetzt mutige Weichenstellungen.