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Coronakrise Spahn will Kliniken mit bis zu 7,8 Milliarden Euro stützen

Im Kampf gegen das Coronavirus plant Gesundheitsminister Jens Spahn in einem Gesetzentwurf Milliardenhilfen. Das Geld soll Kliniken entlasten. Doch die kritisieren die Gegenfinanzierung als nicht ausreichend.
Gesundheitsminister Jens Spahn

Gesundheitsminister Jens Spahn

Foto: CLEMENS BILAN/EPA-EFE/Shutterstock

Krankenkassen und Gesundheitsministerium haben tagelang gerungen, wie Krankenhäuser bei der Bewältigung der Coronakrise entlastet und ihre Zusatzkosten finanziert werden können. Insgesamt 7,8 Milliarden Euro stellen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und die Kassen für die Kliniken bereit, zeigt ein Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums, der am Montag ins Kabinett gehen soll. An dem Papier, das dem SPIEGEL vorliegt, entzündet sich jedoch schon jetzt Kritik von Klinikunternehmen.

"Statt nach einem Rettungspaket sieht das eher nach einem Sterbepaket für kleinere Kliniken aus", heißt es bei einem großen Krankenhausträger. "Das, was in dem Entwurf an Ausgleichszahlungen vorgesehen ist, wird unsere Zusatzausgaben nicht decken." Zuvor hatte es schon zwischen Krankenkassen einen Konflikt gegeben um die Frage, wie die Kliniken finanziell entlastet werden sollen.

Das sei kein Schutzschirm, das ist ein fataler politischer Fehler des Ministers, kritisiert die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) den Entwurf. "Wir sind fassungslos, dass der Minister die Vorschläge der Krankenhäuser zur schnellen und unbürokratischen Hilfe einfach vom Tisch gefegt hat", sagt DKG-Präsident Gerald Gaß. "Der gesamte Entwurf ist eine Katastrophe für die Krankenhäuser und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit diesem Gesetzentwurf laufen wir Gefahr, dass in wenigen Monaten Krankenhäuser in Insolvenz gehen."

Für den Schutzschirm, den die Bundesregierung über die Kliniken spannen will, sollen die Kliniken je nach Größe zwischen 410 und 540 Euro erhalten als Ausgleich für verschobene Operationen und Eingriffe. Zudem sollen die Häuser die Zahl der Intensivbetten von derzeit 28.000 verdoppeln. Für jedes neu geschaffene Bett für Intensivpatienten erhalten sie danach pauschal 30.000 Euro, jedoch nur, wenn die jeweilige Landesbehörde dem Aufbau der neuen Kapazitäten zustimmt.

Kliniken: Kosten tatsächlich weit höher

"Unsere tatsächlichen Kosten liegen weit höher", moniert ein Krankenhausunternehmen. Ein Intensivbett etwa koste das Zwei- bis Dreifache der jetzt veranschlagten Summe von 30.000 Euro. Die horrenden Mehrkosten für Schutzausrüstung würden gar nicht abgedeckt. Zudem gebe es nun die Sorge, es müssten die Länder den Bettenaufbau nun erst genehmigen. "Mehr Bürokratie können wir uns derzeit nicht noch leisten", heißt es bei dem Klinikträger. "Das ist kein Sofortprogramm zur schnellen Hilfe."

Zudem fehle ein Passus in Spahns Gesetzentwurf, kritisiert ein Klinikträger, dass wie geplant die festgelegten Untergrenzen für das Pflegepersonal nicht mehr einzuhalten seien während der Coronakrise. Bei dem anstehenden Personalmangel sei dies dringend nötig, sonst müssten im Prinzip letztlich sogar Intensivabteilungen geschlossen werden.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hatte zuvor gefordert, die bisherige Fallpauschalenregelung auszusetzen, nach der die Kliniken die Finanzierung ihrer Leistungen und Kosten einzeln abrechnen und erst dann Geld erhalten. Die Gesellschaft plädierte für eine pauschale Zahlung an die Kliniken auf Basis ihrer Budgets des Vorjahres, um die Häuser schnell mit Liquidität auszustatten.

Krankenhaus in Viersen, NRW

Krankenhaus in Viersen, NRW

Foto: Roland Weihrauch/ dpa

"Die Krankenhäuser verschieben seit Montag planbare OPs und verzichten dabei auf viele Einnahmen. Das kompensieren wir", sagte Spahn der "Bild am Sonntag". Nun gebe es erstmals Geld für leere Betten, für die höheren Ausgaben in der Pflege genauso, Bürokratie und Sanktionen würden ausgesetzt. "Durch pauschale Zahlungen sichern wir den Krankenhäusern kurzfristig und großzügig die dringend nötige Liquidität. Für neue Intensivbetten gibt es einen pauschalen Zuschuss. Falls wir sehen sollten, dass das nicht reicht, können wir schnell nachsteuern." Spahn hatte die Krankenhäuser zuvor gebeten, nicht notwendige Operationen aufzuschieben, um in den Kliniken Platz für Coronapatienten zu schaffen.

Gegenfinanzierung der Kassen steht noch aus

Teuer ist das Programm schon jetzt, mit dem der Bund Kliniken, Praxen und Pflegeheime entlasten will. Arztpraxen und Pflegebetriebe sollen ihre zusätzlichen Ausgaben ebenfalls abgegolten bekommen. Auf den Bund kommen nun Mehrkosten für die Kliniken allein von bis zu 3,3 Milliarden Euro zu, auf die Krankenkassen zudem bis zu 4,5 Milliarden Euro - der Großteil davon bliebe bei den gesetzlichen Kassen hängen.

"Über die Frage, wie die Krankenkassen nun dafür ausgeglichen werden können, muss separat bald gesprochen werden", heißt es bei einer Kasse. Zudem müssten die Kliniken die 4,5 Milliarden Euro an Hilfen später wieder zurückzahlen, heißt es dort.

Die Kliniken ordern jetzt Beatmungsgeräte, Atemschutzmasken, Schutzkleidung und Desinfektionsmittel in Mengen zu teils absurd hohen Preisen. Schutzmasken etwa kosten derzeit rund das 25-Fache. Zugleich fahren sie unnötige Operationen herunter, die ihnen sonst Geld in die Kassen spülen, damit genügend Intensivbetten für die Behandlung der schweren Verläufe bei Coronapatienten verfügbar sind.

Denn bald erwarten Ärzte eine schnell ansteigende Welle von Erkrankten.  "Wir schätzen, dass es in den nächsten zwei Wochen richtig losgeht auch bei uns in Deutschland", sagte der Geschäftsführer der München Klinik, Axel Fischer.

AOK brach aus dem Kassenlager aus 

Noch bevor der neue Gesetzentwurf entstanden ist, gab es bereits Krach zwischen den Krankenkassen. Obwohl sich der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) schon mit dem Bundesgesundheitsministerium über die Grundzüge des jetzigen Gesetzentwurfs abgestimmt hatte, war der AOK-Bundesverband ausgeschert und auf die Linie der Kliniken eingeschwenkt. Laut dem AOK-Vorschlag hätten die Krankenhäuser einfach ihre Budgets des Vorjahres erneut erhalten plus Lohnänderungen und zusätzliche Hilfen für Corona-Behandlungen von 160 Euro für jeden behandelten Fall, auch wenn es sich nicht um Coronafälle handelt.

"Auf diese Weise wäre das Geld sofort ausgezahlt worden", heißt es bei einem Klinikträger, "und wir müssten nicht lange darauf warten, wie bei der jetzt weiterlaufenden Abrechnung über die Fallpauschalen." Die von der AOK präferierte Pauschale "wäre sehr viel pragmatischer gewesen". Manche Kassen jedoch befürchteten durch einen solchen Vorstoß einen Machtzuwachs der AOK, die als häufig federführende Kasse mit den meisten behandelten Patienten die Abrechnungen über sich laufen lassen würde nach dem dortigen Vorschlag. Zudem seien neue bürokratische Regelungen nötig gewesen.