Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen,

vor mehr als 20 Jahren wurden zunächst für die Abdominalchirurgie sog. Fast-Track-Behandlungskonzepte entwickelt und v. a. in den nordeuropäischen Ländern sehr erfolgreich in die Klinik eingeführt. Nach und nach wurden diese Konzepte auf andere Gebiete wie die Behandlung der Frakturen des proximalen Femur und schließlich auch auf die Hüft- und Knieendoprothetik übertragen und angepasst.

In Deutschland stand man dieser Entwicklung aus verschiedenen Gründen über lange Zeit sehr kritisch gegenüber. Der Begriff Fast-Track implizierte eine schnelle und damit unverantwortliche Entlassung des Patienten aus der ärztlichen Obhut und stationären Behandlung. Man fürchtete einen Qualitätsverlust und erwartete, v. a. in der Endoprothetik die Abwärtsspirale der DRG(Diagnosis Related Group)-Vergütung durch kürzere Liegezeiten noch zu verstärken.

Diejenigen Orthopäden, die sich mit den Inhalten und Grundprinzipien des Fast-Track beschäftigten und dieses Konzept konsequent in ihre Klinik einführten, erlebten allerdings eine völlig neue, bislang so nicht da gewesene Steigerung der Behandlungsqualität in der postoperativen Phase.

Die Entwicklung und der Erfolg von Fast-Track sind untrennbar mit dem Dänen Henrik Kehlet verbunden. Er formulierte die wichtigen Grundfragen, untersuchte v. a. in der Anfangsphase mögliche Nachteile, um dann viele wichtige Vorteile des Verfahrens zu entdecken, und sorgte für nahezu jeden Einzelschritt der Behandlung eine wissenschaftliche Evidenz. Im orthopädischen Bereich hat er sehr viel mit Henrik Husted zusammengearbeitet, der dieses Konzept für die Hüft- und Knieendoprothetik adaptierte und eine sehr beeindruckende Evidenz für diesen Fast-Track-Behandlungspfad geschaffen hat. Zu seinen Verdiensten gehört es, insbesondere für den Orthopäden lieb gewordene Traditionen systematisch zu hinterfragen, wissenschaftlich auf Evidenz zu untersuchen und bei mangelnden wissenschaftlichen Erkenntnissen diese zu verlassen und neue Wege zu gehen.

Der völlig neue Ansatz war im Fast-Track, den Patienten und seine schnellstmögliche Rehabilitation in den Mittelpunkt der Behandlung zu stellen. Dazu wurden in interdisziplinären Gruppen Behandlungsabläufe analysiert, verbessert und erneut auf Wirksamkeit der eingeleiteten Änderungen überprüft. Sehr stark förderlich war dabei die Teamarbeit auf Augenhöhe aller Beteiligten. Das Ergebnis war eine Optimierung der klinischen und logistischen Abläufe und dadurch die Steigerung der medizinischen Behandlungsqualität, die schlussendlich auch eine deutlich frühere Entlassung aus der stationären Behandlung bis hin zur Tageschirurgie möglich macht. Dadurch ergibt sich eine bei jeder Änderung immer angestrebte Win-win-Situation, indem sich die medizinische Qualität erhöht und gleichzeitig ökonomischer Druck kompensiert werden kann.

Wir sind den Herausgebern von Der Orthopäde sehr dankbar, dass sie uns mit diesem Themenheft zur Fast-Track-Endoprothetik beauftragten. Damit hatten wir die Möglichkeit, auf viele Fragen, die uns bei Kongressen und Vorträgen gestellt werden, näher einzugehen und die wissenschaftlichen Grundlagen dafür aufzuzeigen. Wir sind sehr froh, dass wir sehr erfahrene Protagonisten als Autoren gewinnen konnten, die Ihnen die Grundlagen der Behandlungspfade im Fast-Track vermitteln, aber auch die Schwierigkeiten bei der Implementierung beschreiben und Herausforderungen für die Zukunft aufzeigen. Ihnen sei an dieser Stelle besonders für ihre Bereitschaft zur Mitarbeit, ihr Engagement und ihre Mühe gedankt.

Wenn Sie durch das Studium dieses Themenheftes zum Nachdenken angeregt werden, eigene Behandlungsabläufe auf Evidenz zu hinterfragen und solche Konzepte auch in Ihrem Umfeld umzusetzen, dann hätten wir unser Ziel mehr als erreicht.

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M. Clarius

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U. Nöth