Nach dem Fund von Dias mit Patientenaufnahmen aus Beständen der ehemaligen Hochrhein-Eggberg-Klinik (HEK) im Bad Säckinger Kurgebiet. Denn zwischenzeitlich befasst sich der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit (LfDI) von Baden-Württemberg mit der Angelegenheit. Außerdem haben Stadt und Polizei gemeinsam das Gebäude in Augenschein genommen und Akten sowie lose im Haus herumliegende Einzelblätter in Verwahrung genommen, wie Rechts- und Ordnungsamtsleiterin Muriel Schwerdtner auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte.

Der Fund dieser Dias mit Patientenaufnahmen brachte den Stein ins Rollen.
Der Fund dieser Dias mit Patientenaufnahmen brachte den Stein ins Rollen. | Bild: Baier, Markus

Zur Erinnerung: Eine Spaziergängerin hatte vor einigen Wochen Dias mit Detailaufnahmen von Patienten der ehemaligen HEK nahe des Klinikgebäudes im stark von Fußgängern frequentierten Kurpark gefunden. Die Herkunft der Bilder aus Beständen der früheren Klinik war von deren ehemaligem medizinischem Direktor Dr. Arndt Dohmen bestätigt worden. Wie Dohmen im Gespräch mit unserer Zeitung erklärte, wurden die Aufnahmen zu Schulungszwecken verwendet, müssten aber dennoch unter Verschluss aufbewahrt werden.

Die Herkunft der Dias ist nach Ansicht des früheren medizinischen Direktors der HEK, Arndt Dohmen, unstrittig.
Die Herkunft der Dias ist nach Ansicht des früheren medizinischen Direktors der HEK, Arndt Dohmen, unstrittig. | Bild: Baier, Markus

Mit der sicheren Verwahrung der Akten beauftragte Insolvenzverwalter Uwe Kaiser nach der insolvenzbedingten Schließung des Hauses den Käufer der Immobilie Karl-Heinrich Drux.

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Da sich ursprüngliche Nutzungspläne für die frühere Klinik zwischenzeitlich zerschlagen haben und das Gebäude seit Jahren leer steht und auch immer wieder Ziel von Einbrüchen und Sachbeschädigungen wird, ist auch die einwandfreie Aufbewahrung der alten Patientenakten nicht mehr allen Bereichen gewährleistet. Davon konnten sich Redakteure unserer Zeitung bei einem gemeinsamen Rundgang mit den Gebäudeeigentümern selbst ein Bild machen.

Das Akten-Archiv ist zwar durch eine Stahltür gesichert, gleicht aber einem Schlachtfeld.
Das Akten-Archiv ist zwar durch eine Stahltür gesichert, gleicht aber einem Schlachtfeld. | Bild: Baier, Markus

Das eigentliche Aktenarchiv ist zwar gut gesichert, allerdings in einem chaotischen Zustand. Viele Patientenakten wurden bereits aussortiert und sollen vernichtet werden. Problematisch ist indes, dass die zur Vernichtung bestimmten Unterlagen bis zum etwaigen Abtransport in konventionellen Altpapier-Containern im Keller aufbewahrt werden, wo sich augenscheinlich immer wieder Unbefugte aufhalten und somit auch Zugang zu den aussortierten Akten haben.

Spuren der Verwüstung finden sich im HEK-Gebäude allenthalben.
Spuren der Verwüstung finden sich im HEK-Gebäude allenthalben. | Bild: Baier, Markus

Zwischenzeitlich ermittelt eben der Landesdatenschutzbeauftragte in dieser Angelegenheit, wie die in Stuttgart ansässige Behörde auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigt. Ein Bußgeldverfahren sei eingeleitet worden, Clarissa Henning von der dortigen Koordinierungs und Pressestelle.

Insbesondere dürfte aber die Frage im Mittelpunkt stehen wer für die Verstöße gegen den Datenschutz haftbar gemacht werden kann. Nach Beginn des Insolvenzverfahrens sei automatisch der Insolvenzverwalter für die sichere Aufbewahrung der Akten verantwortlich, heißt es dazu seitens des LfDI. Dieser könne die Aufgabe aber durchaus auf einen Investor übertragen – und damit auch die Verantwortung für die Akten. Allerdings müsse der Insolvenzverwalter weiterhin überwachen, dass die Sicherheit der Unterlagen gewährleistet sei. Kurz: Am Ende könnten sowohl Insolvenzverwalter Kaiser als auch Investor Drux zur Verantwortung gezogen werden.

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Der LfDI gibt sich bedeckt: „Derzeit dauern die Ermittlungen noch an. Nähere Auskünfte zum laufenden Bußgeldverfahren können aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit leider nicht erteilt werden.“

Auf jeden Fall haben sich auch Polizei und Stadtverwaltung in die Angelegenheit eingeschaltet und im Sinne der Amtshilfe Akten und Einzelblätter mit möglicherweise sensiblen Daten aus dem HEK-Gebäude sichergestellt, wie Polizei und Ordnungsamt darstellen: „Das Material lag verstreut auf dem Boden herum“, schildert Muriel Schwerdtner. Es sei von der Polizei sichergestellt und der Stadt zur sicheren Verwahrung für den Fall der Verwendung im laufenden Bußgeldverfahren übergeben worden: „Wir haben die Unterlagen unter Verschluss genommen. Damit ist die Gefahr für den Datenschutz vorerst gebannt.“

Offene Fenster wie dieses finden sich rund um die frühere Klinik immer wieder.
Offene Fenster wie dieses finden sich rund um die frühere Klinik immer wieder. | Bild: Baier, Markus

Anhaltspunkte für ein strafrechtliches Verhalten einer der beteiligten Parteien sind laut dem Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen, Florian Schumann, nicht feststellbar: „Verstöße gegen den Datenschutz sind in der Regel keine Straftatbestände sondern werden als Ordnungswidrigkeit geahndet.“

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Wie lange das Bußgeldverfahren dauern wird, ist nach Auskunft von LfDI-Pressesprecherin Clarissa Henning erzeit noch nicht absehbar. Allerdings sind Datenschutzverstöße im Zusammenhang mit unsachgemäßer Aufbewahrung oder Entsorgung von Patientenakten für die Behörde gewissermaßen Alltag: In der Vergangenheit wurden deshalb bereits in mehreren Fällen Bußgelder verhängt“, so Henning.

Regelungen für den Umgang mit Patientenakten

  1. .Welche Regeln gelten für die Aufbewahrung von Patientenunterlagen?
    In einer Patientenakte sind sämtlichen Behandlungsmaßnahmen zu dokumentieren sowie deren Ergebnisse aufzuzeichnen. Für die sachgemäße Aufbewahrung ist laut Landesdatenschutzbeauftragtem der behandelnde Arzt verantwortlich. Die Aufbewahrungsfrist beträgt in der Regel zehn Jahre nach Abschluss einer Behandlung. Je nach Art einer Therapie oder Verabreichung von Medikamenten kann die Frist aber auch 15 bis 30 Jahre betragen. So soll auch gewährleistet werden, dass etwaige Schadensersatzansprüche von Patienten wegen möglicher Fehlbehandlungen abgewehrt werden. Gesundheitsdaten werden durch die Datenschutzgrundverordnung als besondersnschutzwürdig klassifiziert. Zur Aufbewahrung und zum Schutz entsprechender Akten müssen demnach „geeignete technische und organisatorische Maßnahmen“ getroffen werden.
  2. .Wer ist im Fall einer Klinik-Insolvenz für die Aktenaufbewahrung verantwortlich?
    Mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das schuldnerische Vermögen wie auch über sämtliche Akten auf den Insolvenzverwalter über, erklärt der LfDI. Dieser kann, wie im Falle der HEK, den Käufer der Immobilie mit der Verwahrung der Akten betrauen, allerdings müsse der Insolvenzverwalter auch nach Erteilung eines entsprechenden Auftrages die ordnungsgemäße Ausführung überwachen. Im vorliegenden Fall könnten somit sowohl Insolvenzverwalter als auch Investor haftbar gemacht werden, je nach Ergebnis der laufenden Ermittlungen. Eindeutig ist indes die grundsätzliche Einordnung des LfDI jedenfalls: „Die Aufbewahrung von Patientenakten in einem leerstehenden Gebäude ohne regelmäßige Kontrollen ist nicht ausreichend sicher.“
  3. .Mache ich mich strafbar, wenn ich Patientenakten oder Dokumente finde, dies aber nicht melde?
    Nicht unbedingt. Der LfDI dazu: „Als Finder bin ich grundsätzlich nicht zur Handlung verpflichtet.“ Nach Möglichkeit sollten derartige Missstände aber gemeldet werden – entweder der LfDI-Dienststelle, der Polizei, dem Regierungspräsidium oder der zuständigen Bezirksärztekammer – damit für eine
    ordnungsgemäße Aufbewahrung der Unterlagen gesorgt werden kann. Nimmt der Finder die Unterlagen allerdings in Besitz, muss er dem Eigentümer oder ersatzweise dem Fundbüro unverzüglich Anzeige machen. Andernfalls läuft er Gefahr, sich wegen Unterschlagung strafbar zu
    machen. Über die personenbezogenen Daten, die in den Akten enthalten sind, darf sich der Finder nur in dem Maß Einblick verschaffen, wie notwendig ist, um den Besitzer ausfindig zu machen oder den Fund anzuzeigen. Andernfalls könnte er gemäß Bundesdatenschutzgesetz wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt werden. (msb)