Alain Berset eckt an – seine Pläne für die Schweizer Spitäler stossen bei den Kantonen auf heftigen Widerstand

Im Kampf gegen die Überversorgung will Gesundheitsminister Alain Berset die Preise der Spitäler drücken. Doch nun legen sich die Kantone quer. Sie sprechen von einem «massiven Eingriff».

Fabian Schäfer
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Gesundheitsminister Alain Berset will die Spielregeln für die Spitaltarife verschärfen und bringt damit die Kantone gegen sich auf. (Im Bild: Berset während der Sommersession der eidgenössischen Räte.)

Gesundheitsminister Alain Berset will die Spielregeln für die Spitaltarife verschärfen und bringt damit die Kantone gegen sich auf. (Im Bild: Berset während der Sommersession der eidgenössischen Räte.)

Alessandro Della Valle / Keystone

«Jedem Tääli siis Spitääli.» Der Spruch ist alt, aber immer noch gültig. Die Spitaldichte hierzulande ist im internationalen Vergleich nach wie vor hoch. Trotz der anspruchsvollen Topografie muss ein grosser Teil der Bevölkerung auch in abgelegenen Regionen nicht weit fahren, um das nächste Spital zu erreichen. Hinzu kommt, dass die Konzentration bei den Angeboten wenig fortgeschritten ist – viele Spitäler bieten viele Leistungen an. All dies kostet. Die Ausgaben für die Spitäler sind ein zentraler Faktor für die Höhe der Krankenkassenprämien, gleichzeitig belasten sie die Kantone.

Nun will Gesundheitsminister Alain Berset den Spitälern den Tarif durchgeben. Er plant eine Verordnungsänderung, die auf eine Reduktion der Tarife für stationäre Spitalbehandlungen abzielt. Berset will hier die Messlatte ehrgeiziger ansetzen als bisher: Die Tarife sollen sich neu an jenem Spital orientieren, das im schweizweiten Kostenvergleich am oberen Rand des günstigsten Viertels liegt (25. Perzentil). Somit dürfte der wirtschaftliche Druck grundsätzlich für drei Viertel aller Betriebe zunehmen. Die Vorgabe des Bundes würde zwar nicht absolut gelten, aber die Spitäler und Krankenversicherer müssten sich in ihren Tarifverhandlungen daran orientieren.

Die Spitäler zeichnen ein Horrorszenario

Das Ziel ist klar: mehr Wettbewerb – und letztlich eine Flurbereinigung. Im Vergleich zur heutigen Regelung würde sich die Gangart mit Bersets Plänen markant erhöhen. Die heutigen Vorgaben werden durch die Gerichte so ausgelegt, dass sich Versicherer und Spitäler bei ihren Verhandlungen auch an einem «Durchschnittsbetrieb» orientieren dürfen, der im schweizweiten Vergleich mittlere Kosten aufweist (50. Perzentil).

Dass die Spitäler den Vorschlag schroff zurückweisen, versteht sich von selbst. Im März hielt ihr Verband H+ fest, Berset gefährde mit seinen Plänen die Gesundheitsversorgung. Gestützt auf eigene Berechnungen setzte der Verband damals gar die Warnung ab, der Bund wolle 120 Spitäler schliessen und 10 000 Stellen abbauen. Das kam nicht überall gut an. Vertreter der Krankenkassen warfen dem Spitalverband vor, er versuche aus der Corona-Krise Kapital zu schlagen.

Die Kantone baten um mehr Zeit – vergeblich

Doch nun erhalten die Spitäler Schützenhilfe: Die Kantone sprechen sich in ihrer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme ebenfalls klar gegen Bersets Vorhaben aus. Sie sprechen von einem «massiven Eingriff» in die Preisgestaltung. Auch sonst fällt die Stellungnahme der kantonalen Gesundheitsdirektoren geharnischt aus. Sinnbildlich für die angespannte Stimmung steht ein unübersehbar indignierter Hinweis: Die Gesundheitsdirektoren monieren, «mehrmals» hätten sie eine Aussetzung der Vernehmlassung gefordert, weil die Meinungsbildung durch die Corona-Krise stark erschwert gewesen sei. «Wir bedauern, dass der Bundesrat dies nicht anerkannt hat.»

In der Sache widersprechen die Gesundheitsdirektoren Berset diametral. Dieser hatte seine Vorschläge unter dem Titel der «Versorgungsqualität» präsentiert, erreichen würde er aber laut den Kantonsvertretern das Gegenteil. Eine einheitliche Festlegung der Tarife wäre aus ihrer Sicht der Qualität abträglich, weil die Versorgung damit nur noch über das Kriterium der Kosten gesteuert würde. Dies könnten sie nicht unterstützen, halten die Gesundheitsdirektoren fest – und erwähnen explizit, sie trügen die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.

Die verschiedenen Hüte der Kantone

Allerdings dürften bei den Kantonen auch andere Motive mitspielen. Zum einen fürchten sie um ihren Einfluss, weil sie heute bei den Tarifen relativ viel Spielraum haben. Zum anderen haben die Kantone in der Spitalpolitik traditionell andere Interessen als der Bund: Vielfach sind sie Eigentümer von Spitälern. Zudem haben sie aus regional- und wirtschaftspolitischen Gründen wenig bis kein Interesse an Spitalschliessungen, da damit nicht nur potenziell grosser Ärger verbunden ist, sondern auch der Verlust von Arbeitsplätzen.