Gastkommentar
Die 12-Milliarden-Frage im Gesundheitswesen: Der Ball liegt nun beim Bundesrat

Gastbeitrag von Philomena Colatrella, Chefin der grössten Krankenkasse der Schweiz, zur Gesundheitsreform.

Philomena Colatrella
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Philomena Colatrella.

Philomena Colatrella.

Alex Spichale

Die Mühlen im Gesundheitswesen mahlen langsam. Grosse Reformen sind in der fast 25-jährigen Geschichte des Krankenversicherungsgesetzes die Ausnahme. Selbst kleine Schritte sind wegen divergierender Interessen das Resultat intensiver Verhandlungen. Oft blockieren sich die verschiedenen Akteure des Gesundheitswesens gegenseitig – zum Leidwesen der Versicherten. Zwei Beispiele aus der jüngsten Zeit beweisen jedoch, dass es auch anders geht: der Apothekentarif und der neue Arzttarif. Letzterer ist auch bekannt unter der Abkürzung «Tardoc». Beide wurden durch den Krankenkassenverband Curafutura auf den Weg gebracht. Und beide verbindet, dass über sie die medizinischen Leistungen sachgerecht und effizient abgerechnet werden, da diese Tarife auf einer validen Datenbasis beruhen.

Tardoc, der den bisherigen, veralteten Tarmed ersetzen soll, wurde vor kurzem erneut beim Bundesrat zur Genehmigung eingereicht. Es geht um viel Geld. Über diesen Tarif werden von Ärzten und Spitälern sämtliche ambulanten Leistungen abgerechnet, das sind jährlich 12 Milliarden Franken und entspricht einem Drittel aller Kosten in der Grundversicherung.

Für die Versicherten bringt der Tarif entscheidende Verbesserungen: Da die Kosten im neuen Tarif besser begründet sind und sich stabiler entwickeln, hat dies dämpfende Wirkung auf die Prämienentwicklung. Das Regelwerk schafft auch mehr Transparenz, da die Versicherten die Abrechnungen besser nachvollziehen können. Die einzelnen Positionen sind verständlicher dargestellt. Das beugt Überfakturierung oder gar Missbrauch vor.

Die Entstehung des Tardoc war ein Kraftakt. Über Jahre hinweg wurde um das neue Regelwerk gerungen. Die Tarifpartnerschaft ist etappenweise arg unter Beschuss gekommen. Mittlerweile sind die letzten Hindernisse aus dem Weg geräumt. Die vom Bundesamt für Gesundheit monierten Mängel wurden behoben. Für die Versicherten wird die Umstellung zu keinen zusätzlichen Kosten führen. Die Tarifpartner haben bewiesen, dass sie in der Lage sind, Brücken zu schlagen und breit abgestützte Lösungen zu erarbeiten, die von Krankenver­sicherern, Ärzten und Spitälern getragen werden. Die Türen für weitere Tarifpartner stehen weiterhin offen.

Es liegt nun einzig und alleine am Bundesrat, das tarifpartnerschaftliche Werk zum Leben zu erwecken und den Tardoc per 1. Januar 2022 in Kraft zu setzen. Damit unterstützt er die Tarifpartnerschaft, deren Fehlen er oft zu Recht moniert hat. Das soll zeitnah geschehen und nicht durch unnötige Manöver hinausgezögert werden. Die Versicherten werden es ihm danken.

Bis zur nächsten Überarbeitung des Tarifs werden nicht wieder mehrere Jahre vergehen. Der neue ambulante Arzttarif ist kein statisches Regelwerk, sondern soll durch ein nationales Tarifbüro stetig weiterentwickelt werden. Die Politik ist nun am Zug, um für die entsprechenden Rahmenbedingungen zu sorgen.

Philomena Colatrella ist Chefin der CSS Versicherung und Vizepräsidentin des Verbands Curafutura.