S 60 KR 2844/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
60
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 60 KR 2844/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 354/20
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert beträgt 2.868,91 EUR.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung einer Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.

In der Zeit vom 27.09.2016 bis zum 18.10.2016 wurde der bei der Klägerin versicherte Abdulmajid Ishaq Mohammed A. im Krankenhaus der Beklagten stationär behandelt. Für die erbrachten Leistungen rechnete die Beklagte gegenüber der Klägerin den Betrag von 7.676,93 EUR ab (Bl. 85/86 der Gerichtsakte). Die Rechnung wurde von der Klägerin beglichen. Ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) wurde nicht eingeleitet.

Am 07.11.2018 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben, das mit Verweisungsbeschluss vom 06.12.2018 den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Duisburg (SG) verwiesen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die Beklagte nicht die strukturellen Voraussetzungen für den OPS-Kode 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) erfülle. Das BSG, Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – habe rückwirkend verlangt, dass für den genannten Kode jederzeit eine bedarfsgerechte Therapie durch Psychologen, Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten zu gewährleisten sei, unabhängig davon, welche Therapiekombination der Patient im Krankheitsfall benötige. Die relevanten Qualitätsberichte hätten festgestellt, dass die erforderlichen Therapiebereiche durch die Beklagte nicht bzw. nur teilweise vorgehalten würden. Für 2016 seien keine Logopäden, Ergotherapeuten sowie Physiotherapeuten dokumentiert. Streitentscheidend sei nicht der einzelne Behandlungsfall, sondern die generellen Strukturvoraussetzungen. Die Ausschlussfrist nach § 275c Absatz 1c Satz 2 SGB V greife nicht bei Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Der Amtsermittlungsgrundsatz ermögliche eine umfassende Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts, auch wenn vorprozessual keine Ermittlungen stattgefunden hätten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 2.868,91 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 07.11.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Da die Beklagte nicht innerhalb der Sechswochenfrist ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 c SGB V eingeleitet habe, sei sie mit jedweden Einwendungen gegen die Abrechnung ausgeschlossen. Bei dieser Frist handele es sich um eine auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachtende Ausschlussfrist (BSG, Urteil vom 18.07.2013, – B 3 KR 21/12 R –). Soweit die Beklagte auf einen Referenzbericht zum Qualitätsbericht 2016 verweise, diene dieser weder dem Nachweis der Einhaltung von abstrakt-generellen Strukturmerkmalen noch beinhalte dieser Kooperationsvereinbarungen. Die Überprüfung abstrakt-genereller Mindestmerkmale eines OPS sei in Ermangelung einer Rechtsgrundlage im SGB V ausgeschlossen; eine solche werde erst mit dem durch das MDK-Reformgesetz eingeführten, ab dem 01.01.2020 geltenden § 275d SGB V geschaffen. Die Klägerin möge entsprechend der gemeinsamen Empfehlungen auf Landes- wie auf Bundesebene die Klage umgehend zurücknehmen.

Mit Hinweisen vom 24.02.2020 (Bl. 68 der Gerichtsakte), 11.03.2020 (Bl. 73 der Gerichtsakte), 01.04.2020 (Bl. 77 der Gerichtsakte) und 17.04.2020 (Bl. 88/89 der Gerichtsakte) hat die Vorsitzende die Klägerin auf das infolge der Nichteinleitung eines MDK-Prüfverfahrens bestehende Beweisverwertungsverbot für die Patientenakte hingewiesen und die Rücknahme der Klage angeregt. Mit Schriftsatz vom 11.03.2020 hat die Klägerin auf die Nachfrage der Vorsitzenden angegeben, dass eine MDK-Prüfung nicht stattgefunden habe und eine Verwaltungsakte nicht existiere. Mit Verfügung vom 16.03.2020, zugestellt der Beklagten am 20.03.2020 (Bl. 81 der Gerichtsakte) hat die Vorsitzende Gerichtsbescheid angekündigt, wozu die Klägerin mit Schriftsatz vom 07.04.2020 (Bl. 82 der Gerichtsakte) ihr Einverständnis erklärte. Mit Verfügung vom 17.04.2020 hat die Vorsitzende die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung geladen und diesen Termin aufgehoben, nachdem der Klägervertreter ausdrücklich Entscheidung ohne Termin beanspruchte (Bl. 101 der Gerichtsakte).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGG) ohne mündliche Ver-handlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid entschei-den, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist. Den Beteiligten wurde ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

II. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat zwar mit der Verpflichtungsklage nach § 54 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die falsche Klageart gewählt. Da es ihr offensichtlich um die Zahlung des Erstattungsanspruchs in Höhe von 2.868,91 EUR und mithin nicht um den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern um eine tatsächliche Leistung ging, ist der Antrag gerade noch als echte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG auslegungsfähig. Denn es handelt sich bei der auf die Erstattung von Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 13.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr. 5).

III. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Rückforderungsanspruch auf Zahlung von 2.868,91 EUR zuzüglich Zinsen aus öffentlich-rechtlichem Erstattungsanspruch analog § 812 BGB. Andere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch nach § 812 BGB analog setzt unter anderem voraus, dass die Beklagte im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat (vgl. vgl. u.a. BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R –, Rn. 11).

1. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die Beklagte hat die Zahlung der Rechnung aus dem Behandlungsfall des Abdulmajid Ishaq Mohammed A. in der Zeit vom 27.09.2016 bis zum 18.10.2016 nicht ohne rechtlichen Grund erbracht. Vielmehr hat die Beklagte einen entstandenen Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllt.

Der Vergütungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten ist aufgrund der durchgeführten stationären Behandlung entstanden, da die stationäre Behandlung die Erfüllung des Anspruchs der Versicherten auf die erforderliche Behandlung aus § 39 Abs. 1 SGB V gegenüber der Beklagten durch die Klägerin darstellt. Die Inanspruchnahme der nach § 39 Abs. 1 SGB V erforderlichen Leistung durch die Versicherte in einem für die Versorgung zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) führt nach § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V zu einer Zahlungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenkasse.

Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert in der Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen. Nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die zur Krankenbehandlung gehörende Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V) ist nur dann erforderlich, wenn die notwendige medizinische Versorgung allein mit Hilfe der besonderen Mittel eines Krankenhauses durchgeführt werden kann. Die Krankenhausbehandlung wird gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Der Anspruch ist auf vollstationäre Behandlung gerichtet, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V; vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2015 – L 5 KR 731/13 –, juris).

Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen im Einzelfall (vgl. BSGE 99, 111, Rn. 15). Der Prüfungsumfang ist im vorliegenden Fall allerdings zur Überzeugung der Kammer stark eingeschränkt. Indem die Klägerin es unterlassen hat, eine MDK-Prüfung im Verhältnis zur Beklagten einzuleiten, ist eine Präklusionswirkung in Hinblick auf mögliche medizinische Einwendungen eingetreten (SG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 23. Juli 2019 – S 15 KR 6688/18 –, Rn.18).

2. Gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einzuholen. Nach § 275 Abs. 1c Satz 1 und 2 SGB V ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 eine Prüfung nach Absatz 1 Nr. 1 zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den Medizinischen Dienst dem Krankenhaus anzuzeigen.

a) Die Regelung in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V hat zur Folge, dass Krankenkasse und MDK bei einzelfallbezogenen Abrechnungsprüfungen nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung – deren vollständige Erfüllung vorausgesetzt – jeweils zur Verfügung gestellt hat (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, – B 3 KR 14/11 R –, Rn. 17, juris). Die Vorschrift ist im Hinblick auf das streitige Behandlungsjahr 2016 auch für die vorliegende sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung anwendbar, wie der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2016 ausdrücklich klarstellte (aa.). Die Anwendbarkeit der Ausschlussfrist ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich möglicherweise um eine Strukturvoraussetzung handelt, da sich vorliegend die Erforderlichkeit einer bedarfsgerechten Therapie durch Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten nur im Einzelfall und nicht aufgrund der allgemeinen Organisation und Dienststruktur beurteilt werden kann (bb).

aa) Auch die Klägerin geht in ihrem Schriftsatz vom 11.03.2020 prinzipiell von einem Verwertungsverbot aus, meint dann aber, dass das Verwertungsverbot nicht für Überprüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit gelten würde (so für Fälle vor dem 31.12.2015 auch LSG NRW, Urt. v. 10.07.2019 – L 10 KR 538/15 – Rn. 39 unter ausdrücklichen Verweis auf die Gründe des SG Aachen, Urt. v. 04.08.2015 – S 13 KR 383/14 –, Rn. 14). Die Klägerin verkennt dabei, dass zum maßgeblichen Behandlungszeitpunkt im Jahre 2016 der Gesetzgeber in Kenntnis der BSG-Rechtsprechung bereits einen neuen Satz 4 in § 275 Absatz 1c SGB V eingefügt hatte, um klarzustellen, dass die Ausschlussfrist in § 275 Absatz 1c Satz 2 SGB V sowie die Regelungen über das Prüfverfahren sowohl für die auf die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung gerichtete "Auffälligkeitsprüfung" als auch die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung gilt. In dem zum 01.01.2016 in Kraft getretenen Satz 4 heißt es ausdrücklich: "Als Prüfung nach Satz 1 ist jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen, mit der die Krankenkasse den Medizinischen Dienst beauftragt und die eine Datenerhebung durch den Medizinischen Dienst beim Krankenhaus erfordert." Gemäß dieser Klarstellung ist nunmehr davon auszugehen, dass ab dem 01.01.2016 alle Prüfungen und damit auch die im vorliegenden Behandlungsfall durchgeführte sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung dem Fristerfordernis nach § 275 Absatz 1c SGB V unterliegen (so Gerlach, Die Strukturprüfung der Krankenkassen bei Krankenhäusern und ihre Folgen für die Krankenhausvergütung, NZS 2019, 724 (728)).

bb) § 275 Absatz 1c SGB V findet auch auf die Prüfung der Anforderungen des OPS-Kode 8-550 Anwendung. Zwar ging der nicht mehr für die Krankenhausvergütungsstreitigkeiten zuständige 3. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 18.07.2013 – B 3 KR 25/12 R –, Rn. 13 , davon aus, dass die Fristversäumnis Einwendungen gegen strukturelle Abrechnungsvoraussetzungen nicht ausschließe. Denn es handele sich nicht um eine medizinische Sachfrage des konkreten Einzelfalles, zu deren Klärung der MDK eingeschalten werden müsse, sondern um eine solche die aufgrund der allgemeinen Organisation und Dienststruktur des Krankenhauses zu beurteilen sei (so auch SG Düsseldorf, Urt. v. 27.01.2015 – S 11 KR 1238/11 –, Rn. 25, juris). Anders als die in dem vom BSG entschiedenen Fall aus 2008 zur Frage der ständigen ärztlichen Anwesenheit handelt es sich bei der Frage einer bedarfsgerechten Therapie unter Beteiligung aller Berufsgruppen indes um eine nur unter Auswertung der Patientenakte im Einzelfall beurteilbare Anforderung. Nach BSG, Urt. v. 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R –, Rn. 35 sind für den OPS-Kode 8-550 konkret wochenbezogen jeweils Behandlungsergebnisse und eigenständige Behandlungsziele je Therapiebereich aufgrund der wöchentlich stattfindenden gemeinsamen Teambesprechung einschließlich der personenbezogenen Benennung aller teilnehmenden Berufsgruppen nach ihren Vertretern und der fachärztlichen Behandlungsleitung zu dokumentieren. Die Erfüllung des Erfordernisses einer wochenbezogenen Dokumentation lässt sich mithin – wie bereits der Wortlaut einer Dokumentationspflicht unterstreicht – nur im Einzelfall beantworten. Zwar lässt sich möglicherweise aus der allgemeinen Krankenhausorganisation entnehmen, welches Personal in der jeweiligen Abteilung angestellt ist. So versteht die Kammer den Verweis der Klägerin auf den Referenzbericht zum Qualitätsbericht 2016. Inwieweit eine wochenbezogene Dokumentation der Behandlung im Einzelfall erfolgt ist, wie vom BSG in der oben genannten Entscheidung gefordert, lässt sich indes nicht mit den Dienstplänen oder der möglicherweise in dem Referenzbericht angegebenen personellen Ausstattung beurteilen, sondern erfordert die Auswertung der Patientenakte. Auch verbietet sich der Schluss, dass Physiotherapie o. ä. nicht durchgeführt wurde, weil die Beklagte zum streitgegenständlichen Zeitpunkt ausweislich des Referenzberichtes keine Physiotherapeuten angestellt hat. Denn der Referenzbericht erlaubt keine Aussage zu etwaigen nach Kenntnis der Kammer durchaus üblichen Kooperationsvereinbarungen mit niedergelassenen Physiotherapeuten. Entsprechend hätte der MDK zur Überprüfung des Einzelfalles eingeschaltet werden müssen. Eine Verlagerung der Prüfung in das gerichtliche Verfahren ist nicht statthaft, zumal es sich vorliegend auch nicht um eine strukturelle Anforderung handeln dürfte, die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse für die Erbringung der Leistung einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung erforderlich sein dürfte (zu dieser Differenzierung siehe Gerlach, Die Strukturprüfung der Krankenkassen bei Krankenhäusern und ihre Folgen für die Krankenhausvergütung, NZS 2019, 724 (726)). Diese Begrenzung der Sachverhaltsermittlung wirkt auch im Gerichtsverfahren fort (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, – B 3 KR 14/11 R –, Rn. 24, juris).

b) Die Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG wird durch eine unterlassene MDK-Prüfung eingeschränkt. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber die behördliche Sachverhaltsermittlung durch die bereichsspezifische Sonderregelung in § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V unter ein besonderes Beschleunigungsgebot gestellt hat (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, – B 3 KR 14/11 R –, Rn. 26, juris). Die gesetzliche Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c S 2 SGB V ist zudem Ausdruck der besonderen Verantwortungsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen im Rahmen ihres Auftrags zur stationären Versorgung der Versicherten. Sie soll eine schnelle Abwicklung und Abrechnung der großen Zahl der Behandlungsfälle ermöglichen und das Vertrauen der Beteiligten auf den Abschluss der Leistungsabrechnung schützen. Mit diesem Schutzzweck wäre es unvereinbar, wenn anstelle des nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zur Prüfung berufenen, wegen Ablaufs der Sechs-Wochen-Frist aber nicht mehr befugten MDK nunmehr die Sozialgerichte an dessen Stelle erstmals den von einer Krankenkasse aufgeworfenen medizinischen Zweifelsfragen nachgehen und in aller Regel umfangreich Beweis erheben müssten. Sie würden hierdurch nachhaltig in die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen eingreifen und im vorgerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässige Einzelfallprüfungen im Sozialgerichtsprozess durchführen, obwohl der Gesetzgeber mit der Einführung von § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V bewusst derartige Einzelfallprüfungen beschränken und stattdessen die Stichprobenprüfung nach § 17c Abs. 2 KHG aufwerten wollte (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, – B 3 KR 14/11 R –, Rn. 28, juris). Die von den Vertragsparteien und auch vom Gesetzgeber beabsichtigte Beschleunigung des Verfahrens würde konterkariert, wenn diesen die Möglichkeit eröffnet würde, nach nicht fristgerechter Einleitung eines Prüfverfahrens medizinische Einwendungen im Gerichtsverfahren zu plausibilisieren. Dies würde die Beschleunigungsmaxime ad absurdum führen (SG Duisburg, Urteil vom 08. Oktober 2019 – S 60 KR 158/18 –, Rn. 34, juris). Es besteht ein Beweisverwertungsverbot bzgl. der Patientenakte (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, – B 3 KR 14/11 R –, Rn. 30; ebenso SG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 01.02.2018, – S 18 KR 5146/16 –, jeweils juris). Anders als die Klägerin meint, darf die Kammer die von ihr vorprozessual unterbliebenen Ermittlungen im gerichtlichen Verfahren infolge des Verwertungsverbotes nicht mehr nachholen.

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – und einen Referenzbericht zum Qualitätsbericht 2016 darauf verweist, dass nicht nachgewiesen sei, dass jederzeit eine bedarfsgerechte Therapie durch Psychologen, Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten zu gewährleisten sei, unabhängig von der Therapiekombination im Einzelfall, handelt es sich um eine Behauptung ins Blaue hinein, die zu keinen weiteren Ermittlungen Anlass gibt. Eine Pflicht zur Sachaufklärung besteht in Bezug auf diejenigen Tatsachen, die für die Entscheidung in prozessualer und materieller Sicht wesentlich (entscheidungserheblich) sind und deren Vorliegen bzw. Nichtvorliegen nicht von vornherein offenkundig oder bereits erwiesen sind. Auch soweit die Klägerin möglicherweise meint, dass die Anforderungen an die wochenbezogene Dokumentation möglicherweise deshalb nicht erfüllt sind, weil das Bundessozialgericht diese Dokumentationspflicht erst in seiner Entscheidung vom 19.12.2017 – B 1 KR 19/17 R – nachträglich erkannt hat, zeitlich nach dem streitigen Behandlungsjahr, handelt es sich um bloße Spekulation. Das Gericht ist nicht gehalten bloßen Vermutungen oder jedem unsubstantiierten Vorbringen der Beteiligten nachzugehen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.10.2019 – L 11 KR 4112/18 –, Rn. 68 mit Hinweis auf BSG, Urt. v. 02.10.1996 – 6 BKa 63/95 –, juris, Rn 4). Auch der Amtsermittlungsgrundsatz gebietet bei der Feststellung von Tatsachen keine Aufklärung ins Blaue hinein ohne konkrete Anknüpfungspunkte (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.10.2019 – L 11 KR 4112/18 –, Rn. 68, juris mit Hinweis auf BSG, Urt. v. 15.03.2018 – B 3 P 17/17 B –, juris, Rn. 25; Urt. v. 27.11.2014, – B 3 KR 22/14 B –, juris, Rn. 13). Auch wenn amtliche Sachaufklärung nicht von Beteiligtenvorbringen (Tatsachenbehauptungen, Beweisanregungen, Beweisanträgen) abhängig ist, begründet der Amtsermittlungsgrundsatz keine Pflicht von Behörden und Gerichten, Tatsachen zu ermitteln, für deren Bestehen weder das Beteiligtenvorbringen noch sonstige konkrete Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte liefern. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - beide Beteiligten eine besondere professionelle Kompetenz aufweisen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.10.2019 – L 11 KR 4112/18 –, Rn. 68 - 69, juris mit Hinweis auf BSG, Urt. v. 06.03.2012, – B 1 KR 14/11 R –, SozR 4-2500 § 130 Nr. 2, Rn. 17).

Soweit die Beklagte auf die Entscheidung des BSG vom 19.11.2019 – B 1 KR 33/18 – Bezug nimmt, stützt diese zur Überzeugung der erkennenden Kammer den in § 275 Absatz 1c SGB V enthaltenen Präklusionsgedanken. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das BSG einen Behandlungsfall aus 2012 entschied, bei dem – im Unterschied zum hier zu entscheidenden Sachverhalt – ein Prüfverfahren durch den MDK durchgeführt worden war, weshalb die materielle Ausschlussfrist nach § 275 Absatz 1c SGB V gerade nicht zur Entscheidung stand. Jedenfalls beziehen sich die Ausführungen des BSG zu den Amtsermittlungspflichten nach § 103 SGG allein auf die Nichtvorlage bestimmter Unterlagen im MDK-Verfahren. In Rn. 17 hat das BSG in einem obiter dicta die Vertragsparteien der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) darin bestärkt, dass sie materielle Ausschlussfristen mit der Wirkung eines Verwertungsverbotes in das gerichtliche Verfahren regeln dürfen. Diese Ausschlusswirkung muss erst recht für den Prototyp der Ausschlussfrist in § 275 Absatz 1c SGB V 2016 gelten. Die von der Klägerin intendierte erstmalige Sachverhaltsermittlung und -aufbereitung im gerichtlichen Verfahren soll die genannte Vorschrift gerade verhindern.

bb) Die Prüfung beschränkt sich daher auf den Sachverhalt, wie er sich aus den nach § 301 Abs. 1 SGB V übermittelten Daten (Bl. 85/87 der Gerichtsakte) und der Rechnung darstellt. Diesen lässt sich lediglich entnehmen, dass der Versicherte Abdulmaijid Ishaq Mohammed A. zur Durchführung einer geriatrischen Komplexbehandlung vom 27.09.2016 bis zum 18.10.2016 aufgenommen wurde. Anhaltspunkte für eine nicht bedarfsgerechte Therapie oder unzureichende wöchentliche Behandlungsdokumentation ergeben sich aus diesen Daten nicht.

Der Vergütungsanspruch ist auch fällig. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt nach der Rechtsprechung des BSG eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und ggf. Verpflichtungen voraus, insbesondere aus § 301 SGB V. Die Informationen nach § 301 SGB V wurden der Beklagten übermittelt.

Vorliegend hat die Beklagte weder auf der ersten Stufe nicht-medizinische Nachfragen an die Klägerin gerichtet, noch auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1 Nr. 1 SGB V eingeleitet.

Das Beweisverwertungsverbot für die Patientenakte führt zu einer erheblichen Prüfungseinschränkung im gerichtlichen Verfahren und zu einer Verurteilung der Beklagten zur Begleichung des vollständigen Betrages aus der fällig gewordenen Rechnung.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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