L 9 KR 320/19

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 2/18
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 320/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 27/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Erstattungsforderung der Krankenkasse für eine ohne Rechtsgrund gezahlte Aufwandsentschädigung nach § 275 Abs. 1 c SGB V ist auch vor dem 01.01.2016 nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen.
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. August 2019 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 900,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit 27. Dezember 2016 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rückzahlung von Aufwandspauschalen von 300,00 EUR in drei Fällen.

Die Beklagte, Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenes Krankenhauses, behandelte dort - den bei der klagenden Krankenkasse versicherten JK stationär vom 19. Mai 2012 bis zum 27. Mai 2012. Sie berechnete der Klägerin hierfür 2.820,07 EUR (Fallpauschale - Diagnosis Related Group 2014 (DRG) I50.01 Sekundäre Rechtsherzinsuffizienz). Die Klägerin beauftragte den Medizinischen Dienst des Eisenbahnvermögens (MD BEV) zu prüfen, ob die Hauptdiagnose plausibel kodiert sei (17. Juli 2012). Der MD BEV kam nach Einblick in die Krankenakte des Versicherten zum Ergebnis, dass die Hauptdiagnose korrekt angegeben sei (datiert auf den 18. Januar 2013). Deshalb zahlte die Klägerin danach auf Anforderung der Beklagten (Rechnung vom 31. Dezember 2012) an diese eine Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 EUR; - die bei der klagenden Krankenkasse versicherte N K stationär vom 09. Januar 2012 bis zum 16. Januar 2012. Sie berechnete hierfür der Klägerin u.a. 953,30 EUR (Grundlage: OPS 8-857.12 Peritonealdialyse, kontinuierlich, nicht maschinell unterstützt [CAPD], mehr als 72 bis 144 Stunden). Die Klägerin beauftragte den MD BEV zu prüfen, ob die Kodierung der Diagnostik und Therapie (OPS) medizinisch plausibel sei (29. Februar 2012). Der MD BEV kam nach Einblick in die Krankenakte der Versicherten zum Ergebnis, dass die vom Krankenhaus angegebene OPS in den vorliegenden Unterlagen belegt sei (18. Oktober 2012). Deshalb zahlte die Klägerin an die Beklagte auf deren Anforderung (Rechnung vom 31. Oktober 2012) eine Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 EUR; - den bei der klagenden Krankenkasse versicherten G H stationär vom 18. September 2010 bis zum 27. September 2010. Sie berechnete der Klägerin hierfür 3.489,84 EUR (Fallpauschale - Diagnosis Related Group 2014 (DRG) J44.09 Chronische obstruktive Lungenkrankheit mit akuter Infektion der unteren Atemwege [Hauptdiagnose]; J96.1, H81.1 und Y57.9 [Nebendiagnosen]). Die Klägerin beauftragte den MDK BEV die Richtigkeit der Kodierung der Haupt- und Nebendiagnosen zu prüfen (November 2010). Der MD BEV bestätigte nach Einblick in die Krankenakte des Versicherten die Kodierung. Deshalb zahlte die Klägerin an die Beklagte auch hier auf Anforderung der Beklagten (Rechnung vom 30. September 2012) eine Aufwandspauschale i.H.v. 300,00 EUR.

Nachdem die Klägerin im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur sachlich-rechnerischen Überprüfung von Krankenhausrechnungen und die daran anknüpfende Nichtanwendbarkeit des § 275 Abs. 1c Satz 3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) (vgl. BSG; Urteil vom 01. Juli 2014, - B 1 KR 29/13 R -, juris) die Beklagte erfolglos zur Rückforderung der Aufwandspauschalen in den drei Fällen aufgefordert hatte (Schreiben vom 30. November 2016), erhob die Klägerin am 27. Dezember 2016 Klage zum Sozialgericht. Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 08. Juli 2019 abgewiesen und zur Begründung auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 09. April 2019 (L 11 KR 1359/18, juris) Bezug genommen. Danach bestehe zwar bei einer Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit vor 2016 kein Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V. In den Jahren 2009 bis 2012 vorbehaltlos gezahlte Aufwandspauschalen könnten in derartigen Fällen von den Krankenkassen gleichwohl nicht zurückgefordert werden. Die Rückforderung stelle sich angesichts der zwischen den professionellen Beteiligten damals einvernehmlich praktizierten Verfahrensweise als unbillig dar und verstoße gegen Treu und Glauben.

Gegen das ihr am 05. August 2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03. September 2019 Berufung eingelegt und sich zur Begründung weiterhin auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur sachlich-rechtlichen Prüfung von Krankenhausrechnungen berufen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. August 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 900,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Berlin für zutreffend und die Rechtsprechung des BSG insgesamt für nicht nachvollziehbar. Sie stehe mit den gesetzlichen Regelungen nicht im Einklang.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbingens der Beteiligten nimmt der Senat auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs und der Gerichtsakte Bezug.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte durch seinen Vorsitzenden als Berichterstatter (vgl. § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) und ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der streitigen 900,00 EUR gegen die Beklagte. Das Klagebegehren stellt sich als Rückforderung auf der Grundlage eines (insoweit allein in Betracht kommenden) öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches dar, den die Klägerin zulässigerweise mit der (echten) Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) verfolgen kann. Das für die Leistungsklage erforderliche Gleichordnungsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten liegt auch dann vor, wenn es - wie hier - nicht um die Krankenhausvergütung als solche, sondern "nur" um deren Prüfung geht (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Dezember 2018 – L 5 KR 738/16 –, juris unter Bezugnahme auf BSG Urteile vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R und vom 23.05.2017 - B 1 KR 24/16 R Rn. 8 m.w.N.).

1.) Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass der Berechtigte (hier die Klägerin) im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen (hier die Aufwandspauschalen) ohne rechtlichen Grund erbracht hat (BSG, Urteil vom 01.07.2014 - B 1 KR 62/12 R Rn. 9-, m.w.N). Das war hier der Fall. Die Klägerin hat in den drei hier streitgegenständlichen Fällen ohne rechtliche Verpflichtung jeweils die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 EUR gezahlt. Denn die hierfür erforderlichen Voraussetzungen des § 275 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1c Satz 3 SGB V lagen zum entscheidungserheblichen Zeitraum der Zahlung durch die Klägerin 2012 nicht vor. Die Überprüfung der Rechnungen der Beklagten in den streitigen Fällen erfolgte im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Berichtigungsprüfung und damit nicht nach § 275 SGB V und löste deshalb auch ohne Rechnungskorrektur keine Aufwandspauschale aus.

a) Die Klägerin wandte sich im Rahmen der Überprüfung der Rechnungen der Beklagten in den hier streitigen drei Fällen mit einer Frage nach der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung an den MD BEV, nämlich nach der richtigen Kodierung ("Ist / sind die Haupt-/Nebendiagnose(n) korrekt?" und "Ist / sind die Prozedur (en) korrekt?"). Ob eine Krankenkasse einen Prüfauftrag mit dem Ziel der Abrechnungsminderung i.S. des § 275 Abs. 1c S 3 SGB V oder der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung erteilt, bestimmt sich nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen (§ 69 Abs. 1 S 3 SGB V. Der nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG (vgl. BSG SozR 4-2500 § 275 Nr. 15 Rn. 11; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr. 29 Rn. 19) für die Auslegung des Auftrags maßgebliche wirkliche Wille (§ 69 Abs. 1 S 3 SGB V i.V.m. § 133 BGB) lässt sich den Prüfaufträgen - auch aus dem relevanten Empfängerhorizont zunächst des MD BEV - unschwer entnehmen: Der Klägerin ging es um die Klärung, ob die Beklagte die Vorgaben der Kodierrichtlinien beachtet hatte. Der MD BEV teilte dies auch der Klägerin mit. Damit war die konkrete Zielrichtung des Prüfauftrags klar. Sie war nicht auf eine Auffälligkeitsprüfung gerichtet.

b) Das Gesetz unterscheidet nach der Gesamtrechtssystematik die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit von den Prüfungen bei Auffälligkeit. Es überantwortet den Krankenkassen die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung, wenn Krankenhäuser GKV-Versicherte pflichtgemäß (vgl. § 39, § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V) behandeln. Das Überprüfungsrecht der Krankenkassen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit besteht unabhängig von den engeren Anforderungen einer Auffälligkeitsprüfung (§ 275 SGB V; ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSGE 119, 141 = SozR 4-2500 § 108 Nr. 4, Rn. 24 m.w.N.). Es unterliegt einem eigenen Prüfregime. Die gesetzliche Regelung der Informationsübermittlung vom Krankenhaus an die Krankenkassen (vgl. § 301 SGB V) korrespondiert mit der Prüfberechtigung der Krankenkassen. Diese sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf eine Leistungsverweigerung oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen (§ 301 SGB V). Denn das Krankenhaus hat hierzu zutreffend und vollständig alle Angaben zu machen, deren es zur Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung bedarf (§ 301 Abs. 1 SGB V, BSG, Urteil vom 01. Juli 2014 – B 1 KR 29/13 R –, BSGE 116, 165-172, SozR 4-2500 § 301 Nr. 4). Dies dient dazu, die Einhaltung der Abrechnungs- und Informationspflichten der Krankenhäuser zu überwachen und beruht i.Ü. auf § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen der Rechnungslegung in Einklang mit der historischen Gesetzesentwicklung. Das Gesetz lässt die erforderliche Übermittlung der Sozialdaten an die Krankenkassen für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit zweckgerecht zu. Weder die Regelungen der Stichprobenprüfung noch die Gesetzesänderungen zum 1. Januar 2016 schließen die Anwendung der Grundsätze der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung bis zum 31. Dezember 2015 und damit auch für den hier maßgeblichen Zeitraum aus. Prüft eine Krankenkasse wie hier nach dem vor dem 1. Januar 2016 geltenden Recht Krankenhausrechnungen über die Behandlung von Kassenpatienten auf sachlich-rechnerische Richtigkeit, löst dies keinen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale aus (hierzu und zu Vorstehendem mit ausführlicher Begründung BSG, Urteil vom 25. Oktober 2016 – B 1 KR 22/16 R –, BSGE 122, 87-102, SozR 4-2500 § 301 Nr. 7).

c) Dies begegnet verfassungsrechtlich keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere überschreitet die dargestellte Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung einer sachlich-rechnerischen Prüfung von einer in § 275 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 SGB V allein geregelten Auffälligkeitsprüfung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung nicht.

Die Abgrenzung einer solchen Auffälligkeitsprüfung von einer Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit ist vom Wortlaut des § 275 SGB V nicht ausgeschlossen und kann sich auf nachvollziehbare Anknüpfungspunkte im SGB V selbst – die Abrechnungsprüfung im Vertragsarztrecht nach §§ 106 ff SGB V – stützen. Auch wenn sich der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BSG im Kontext der Einführung und Änderung des § 275 Abs. 1c SGB V nicht zu Eigen gemacht hat, hat sie in der Sache durchaus gewichtige Gründe für sich: ein Prüfungsbedarf ist insbesondere wegen des Charakters des DRG-Systems als lernendes System und wegen der hohen Zahl an Fehlkodierungen von Diagnosen und therapeutischen Prozeduren plausibel.

Die angegriffene Rechtsprechung setzt sich nicht über den erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinweg. Zwar ist aufgrund der Gesetzesmaterialien unsicher, ob der Gesetzgeber das Problem der durch die Komplexität der DRG-Kodierregeln verursachten Fehlkodierungen als weitere Fallgruppe des § 275 Abs. 1c SGB V versteht, oder ob ihm der Unterschied zwischen sachlich-rechnerischer Richtigstellung und Wirtschaftlichkeitsprüfung möglicherweise nicht hinreichend bewusst war. Im Ergebnis begründet diese Unsicherheit aber keinen entgegenstehenden Willen, da dieser nicht klar erkennbar zutage getreten ist, sondern der Interpretation des Rechtsanwenders bedarf.

Schließlich hat die Rechtsänderung zum 1. Januar 2016 daran nichts geändert: Zwar ist unverkennbar, dass mit der Anfügung von § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V die streitige Rechtsprechung korrigiert werden sollte. Dies ist jedoch kein Indiz für einen vorher schon vorhandenen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers. Vielmehr zeigt die ausdrücklich als "Neuregelung" bezeichnete Änderung der Vorschrift (vgl. BTDrucks. 18/6586, S. 110), dass der Gesetzgeber von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, auf die Rechtsentwicklung, die dadurch entstandene Problemlage bei den Krankenkassen und der teilweise kritischen Stimmen im Schrifttum, "nunmehr" zu bestimmen, dass sich die Fristen- und Anzeigeregelung des Satzes 2 und die Regelung zur Aufwandspauschale in Satz 3 auf jegliche Prüfung der stationären Abrechnung beziehe (zum Vorstehenden BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. November 2018 – 1 BvR 318/17 –, juris).

2.) Diese Überlegungen gelten nicht nur ab Juli 2014, sondern in gleicher Weise auch für die davor abgewickelten Prüffälle. Weder aus dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG) noch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergibt sich etwas anderes (wie hier LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Dezember 2018 – L 5 KR 738/16 –, juris; a.A. zum Verstoß gegen Treu und Glauben, Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. März 2019 – L 4 KR 427/17 –, juris sowie Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09. April 2019 – L 11 KR 1359/18 –, juris).

a) Es gehört zu den anerkannten Aufgaben der Rechtsprechung, im Rahmen der Gesetze von ihr als rechtsgrundsätzlich aufgestellte Rechtssätze zu überprüfen und sie, wenn erforderlich, weiter zu entwickeln. Im Einzelfall kann dies auch dazu führen, dass ein früher als richtig angesehenes Normverständnis aufgegeben und abweichend entschieden wird. Der Umstand, dass ein im Wege richterlicher Rechtsfindung gewonnener Rechtssatz über einen langen Zeitraum Beachtung fand, mag in die Entscheidung einfließen, ob es gerechtfertigt ist, einen abweichenden Rechtssatz aufzustellen; er verleiht indes dem bisherigen Rechtssatz keine höhere Wertigkeit oder gar eine verfassungsrechtlich erhebliche Bestandsgarantie. Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe, an denen Rechtsprechungsänderungen zu messen sind, unterscheiden sich, abgesehen von dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes, nicht von denjenigen, die gegenüber dem erstmaligen Aufstellen eines Rechtssatzes durch ein Gericht angezeigt sind (vgl. BVerfGE 122, 248 (267)). Höchstrichterliche Rechtsprechung schafft kein Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben, verstößt nicht als solches gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Es bedarf deswegen nicht des Nachweises wesentlicher Änderungen der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen, damit ein Gericht ohne Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG von seiner früheren Rechtsprechung abweichen kann (vgl. BVerfGE 84, 212 (227 f.); 122, 248 (277)). Kein Prozessbeteiligter kann daher darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten (vgl. BVerfGE 78, 123 (126); 131, 20 (42)). Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Soweit durch gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden (vgl. BVerfGE 84, 212 (227 f.); 122, 248 (277 f.); 126, 369 (395); 131, 20 (42)). Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (vgl. BVerfGE 72, 302 (326); 122, 248 (277 f.); 126, 369 (395); 131, 20 (42)).

b) Eine solche gefestigte und langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung lag bezüglich der Aufwandspauschale nicht vor. Denn das BSG hatte in seiner Rechtsprechung vor dem 01. Juli 2014 einer Differenzierung zwischen Auffälligkeitsprüfung und Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit nicht ausdrücklich eine Absage erteilt. Es hat vielmehr keinen Anlass gesehen, zu dieser Frage einen Rechtssatz aufzustellen (insoweit übereinstimmende Auffassung LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Dezember 2018 – L 5 KR 738/16 –, juris; zum Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. März 2019 – L 4 KR 427/17 –, juris sowie Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09. April 2019 – L 11 KR 1359/18 –, juris). Da es hier bereits an einer gefestigten Rechtsprechung mangelt, die der 1. Senat des Bundessozialgerichts mit den Urteilen vom 01. Juli 2014 hätte ändern können, war er auch nicht gehalten, dies unter einstweiliger Beibehaltung der bisherigen Handhabung zunächst nur anzukündigen (vgl. zu dieser Problematik auch BSG, Urteil vom 28. September 2005 - B 6 KA 71/04 R Rn. 48 m.w.N.).

c) Gab es keine gefestigte Rechtsprechung, fehlt es auch an einer Vertrauensgrundlage für die Beteiligten, dass es bei der von ihnen praktizierten Rechtslage bleiben werde. Dies gilt nicht nur für noch nicht abgewickelte Fälle, sondern auch für solche, in denen die Krankenkassen nach einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung ohne Rechtsgrund eine Aufwandspauschale gezahlt haben, wie dies im vorliegenden Rechtsstreit der Fall ist. Auch insoweit fehlt es grundsätzlich an einer Vertrauensgrundlage des Krankenhauses, die zu Unrecht gezahlte Aufwandspauschale behalten zu dürfen. Eine Ausnahme hiervon kann nur dann vorliegen, wenn sich ein solches Vertrauen aus einem besonderen Verhalten der die Rückforderung betreibenden Krankenkasse herleiten ließe, wie dies ja auch für die Verwirkung einer Forderung anerkannt ist (sog. "Umstandsmoment") oder die Krankenkassen eine Unklarheit der Rechtslage selbst herbeigeführt hätten. Entsprechende Rechtsgrundsätze prägen auch die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte (vgl. hierzu grundlegend etwa BSG, Urteil vom 26. Juni 2002, B 6 KA 26/01 R, juris). Auch im Vertragsarztrecht ist aber anerkannt, dass eine bloß fehlerhafte Honorarzahlung kein Vertrauen in das Behaltendürfen begründet (vgl. BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris). Würde man einen guten Glauben in die Beständigkeit der Rechtslage vor dem Urteil des BSG vom 01. Juli 2014 bejahen, würde diese Rechtslage in allen abgewickelten Fällen ohne Berücksichtigung der Besonderheiten dieser Fälle wie durch ein Gesetz festgeschrieben, ohne dass den durch die verfassungsgerichtliche Judikatur aufgestellten Beschränkungen des Vertrauens auch nur ansatzweise Rechnung getragen werden könnte.

Für eine besondere Begründung des Vertrauens durch ein Verhalten der Klägerin sind im streitigen Fall weder von den Beteiligten Tatsachen vorgetragen worden noch sind solche aus den Akten ersichtlich. Die Beklagte hat der Klägerin vielmehr in allen drei Fällen die Aufwandspauschale in Rechnung gestellt und die Klägerin hat diese sodann bezahlt. Ein besonderes vertrauensbegründendes Handeln der Klägerin ist nicht zu erkennen. Berücksichtigt man weiter, dass der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger der kurzen sozialrechtlichen Verjährung des § 45 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch (SGB I) unterliegt, kommt auch nach der Auffassung des erkennenden Senats eine Berufung auf Treu und Glauben mangels schützenswerten Vertrauens nicht in Betracht (so schon LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Dezember 2018 – L 5 KR 738/16 –, juris m.w.N.).

3.) Die Rückzahlungsforderung der Klägerin ist auch nicht verjährt. Wie gerade dargelegt, unterliegt der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch einer Krankenkasse gegen einen Krankenhausträger der kurzen sozialrechtlichen Verjährung (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 71/12 R –, SozR 4-7610 § 204 Nr. 2). Die Verjährung der streitigen Erstattungsforderung begann nach Ablauf des Jahres 2012. Sie beginnt nämlich gemäß § 45 Abs. 1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im gleichgeordneten Leistungserbringungsverhältnis entsteht bereits im Augenblick der Überzahlung (vgl. z.B. BSGE 69, 158, 163 = SozR 3-1300 § 113 Nr. 1). Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin zahlte diese noch im Kalenderjahr 2012 die Aufwandsentschädigungen von jeweils 300,00 EUR an die Klägerin. Die Verjährungsfrist endete damit mit Ablauf des Jahres 2016; die Klägerin hat rechtzeitig am 27. Dezember 2016 Klage erhoben und damit den Ablauf der Verjährungsfrist gemäß § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.

4.) Die Klägerin hat auch Anspruch auf Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Dezember 2016. Dieser Zinsanspruch kann nicht auf Vereinbarungen oder sonstige Regelungen zum Anspruch auf Vergütung für erbrachte Leistungen gestützt werden, da die Aufwandspauschale kein Vergütungsanspruch des Leistungserbringers ist. Die Klägerin kann daher - mangels anderweitiger Rechtsgrundlage - nur Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend machen (BSG, Urteil vom 28. November 2013 – B 3 KR 4/13 R –, SozR 4-2500 § 275 Nr. 16). Danach hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Nach § 94 SGG wird die Streitsache durch die Erhebung der Klage rechtshängig. Die Klage ist am 27. Dezember 2016 beim SG eingegangen und damit rechtshängig geworden. Der Anspruch auf Prozesszinsen beginnt daher an diesem Tag.

5.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

6.) Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG im Hinblick auf die schon beim BSG anhängigen Revisionen gegen die Entscheidungen des LSG Nordrhein-Westfalen und des Bayerisches Landessozialgericht zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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