Die Corona-Krise treibt das Paracelsus-Spital an den Abgrund: Ohne einen neuen Partner ist die Schliessung unausweichlich

Die Leitung des Richterswiler Paracelsus-Spitals spricht von einer kritischen Lage. 250 Stellen sind bedroht – und die Zeit für den Notfallplan wird knapp.

Jan Hudec
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Das Paracelsus-Spital in Richterswil setzt auf eine Kombination aus Schul- und Komplementärmedizin.

Das Paracelsus-Spital in Richterswil setzt auf eine Kombination aus Schul- und Komplementärmedizin.

Annick Ramp

Zwei Monate hat die Leitung des Paracelsus-Spitals in Richterswil noch Zeit, um den Untergang abzuwenden. Die Lage sei kritisch, schreibt der Verwaltungsrat am Freitag in einer Medienmitteilung. Gelingt es nicht, bis Ende Jahr einen Kooperationspartner für das angeschlagene Spital zu finden, droht die Schliessung. Davon wären direkt und indirekt 250 Stellen betroffen.

«Wir versuchen mit aller Kraft, die Schliessung zu verhindern», sagt der Verwaltungsrat Jürgen Robe. Sein Ziel sei es, sämtliche Stellen zu retten, «aber das ist sicher ambitioniert», räumt er ein. Das Spital hat bereits die Nachlassstundung beantragt, diese wurde bis Ende Dezember gewährt.

Im Wesentlichen gibt es zwei Ursachen für die Schieflage, in der sich das kleine Spital oberhalb des Zürichsees nun befindet. So ist die finanzielle Situation für kleine Spitäler mit einem breiten Leistungsangebot generell schon schwierig.

Bund und Kanton haben in den letzten Jahren die Zügel stark angezogen. Der Druck auf die Kosten wurde erhöht, gleichzeitig sind auch die Anforderungen an die Spitäler gestiegen. So wird ihnen für bestimmte Eingriffe eine Mindestzahl von Behandlungen vorgeschrieben. «Als kleines Spital kommen wir in verschiedenen Bereichen einfach nicht auf genug hohe Fallzahlen und können deshalb gewisse Behandlungen nicht mehr anbieten», sagt Robe. Damit sind auch die Einnahmen gesunken. Mittels Einsparungen habe man die Finanzen im letzten Jahr aber im Lot halten können. «Wir sind zuversichtlich ins Jahr 2020 gestartet.»

Doch dann kam Corona.

«Das ist wie ein Tsunami über uns hinweggefegt und hat alle Fortschritte zunichtegemacht», sagt Robe. Vom Bund verordnet, mussten die Spitäler während sechs Wochen auf alle nicht dringenden Operationen verzichten, um Platz für Covid-19-Patienten zu schaffen. «Doch Covid-19-Patienten hatten wir in Richterswil am Ende fast keine.» Das Resultat waren hohe Ausfälle. Im Gegensatz zu anderen Spitälern haben sich dann auch nach der Aufhebung des Behandlungsstopps die Zahlen in Richterswil in vielen Bereichen nie mehr ganz erholt. Diese Umstände haben das Spital schliesslich an den Abgrund getrieben. Es blieb nur noch die Nachlassstundung.

Verhandlungen fallen in schwierige Phase

In den kommenden zwei Monaten verfolgt das Spital nun zwei parallele Pfade. Der eine führt zur Rettung, der andere zur Schliessung.

Wenn alles so kommt, wie es sich der Verwaltungsrat erhofft, dann findet sich ein Kooperationspartner. Idealerweise wäre dies ein anderes, grösseres Spital, das eine enge Zusammenarbeit anstrebt. In Richterswil könnte man sich dann auf gewisse Behandlungen fokussieren und hätte durch die Kooperation die nötigen Fallzahlen. Auch einen Verkauf schliesst der Verwaltungsrat nicht aus.

Die Verhandlungen fallen allerdings in eine schwierige Zeit. Die Zürcher Spitäler bereiten sich derzeit auf die zweite Corona-Welle vor. Viele stehen vor ungewissen finanziellen Aussichten, weil durchaus zu erwarten ist, dass wieder Einschränkungen für Operationen verfügt werden. Es ist fraglich, ob die Spitäler in dieser Zeit bereit sind, sich auf unternehmerische Risiken einzulassen.

Sollte es dem Paracelsus-Spital nicht gelingen, einen Partner zu finden, müsste das Haus im schlimmsten Fall schon auf Ende Jahr seine Türen schliessen. «Das wäre das Worst-Case-Szenario», sagt Robe. «Es wäre aber unverantwortlich, sich nicht auch darauf vorzubereiten.» Auch bei einer Schliessung sollen zumindest jene Bereiche weiterbetrieben werden, die derzeit noch gute Erträge erwirtschaften und für die Bevölkerung vor Ort wichtig sind. Robe spricht insbesondere von der Onkologie, der Paracelsus-Apotheke in Richterswil sowie dem Paracelsus-Zentrum Sonnenberg in Zürich.

Löhne können bis Ende Jahr bezahlt werden

Die Löhne der Mitarbeitenden sind bis Ende Jahr voll gedeckt. Für die Angestellten sollten Lösungen innerhalb der ausgelagerten Strukturen oder auch in anderen Betrieben gefunden werden, sagt Robe. Der NSN Medical AG, die das Paracelsus-Spital 2017 übernommen hat, gehören insgesamt neun Unternehmen, darunter sind zwei kleinere Kliniken sowie ambulante Zentren. Diese sind wirtschaftlich stabil, wie es in der Medienmitteilung heisst. Die Angestellten könnten also teilweise auch in anderen NSN-Betrieben unterkommen. Ohnehin hat das medizinische Personal gute Aussichten, wieder eine Stelle zu finden. «Andere Spitäler suchen händeringend nach Personal, wir haben schon entsprechende Anfragen erhalten», sagt Robe.

Zumindest für die nächsten zwei Monate liegt sein Fokus nun aber auf dem Rettungsplan.