Treuwidrigkeit der rückwirkenden Änderung der Erstattungspraxis durch Krankenkassen

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Nach wie vor sind die Sozialgerichte mit massenhaft Klagen von Krankenkassen auf Rückzahlung von Vergütungen aufgrund der Rechtsprechung des BSG beschäftigt, welche von der jahrelangen Erstattungspraxis der Krankenkassen abweicht. Gerade die Urteile des BSG zu den Anforderungen der Kodierung von neurologischen oder geriatrischen Komplexpauschalen führt zu Wellen von gerichtlichen Inanspruchnahmen der Krankenhäuser durch die Krankenkassen, obwohl vielleicht die Treuwidrigkeit dieses Verhaltens der Krankenkasse beanstandet worden ist.

Eine aktuelle Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 26.08.2020 (– L 9 KR 462/17 –) kann einen Hoffnungsschimmer für die betroffenen Krankenhäuser in diesen Massenverfahren bedeuten. Denn das LSG geht davon aus, dass einem Erstattungsanspruch einer Krankenkasse der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB (Treuwidrigkeit) entgegenstehen kann, wenn die Vergütung langjähriger Verwaltungspraxis entsprach und erst auf der Grundlage einer Entscheidung des BSG zu Kodierungsfragen rückwirkend für Zeiten vor der Entscheidung Erstattungsansprüche begründet werden.

Nach Auffassung der Richter dürfen die Krankenhäuser darauf vertrauen, dass die Krankenkassen insbesondere bereits geprüfte Abrechnungsfälle in der Vergangenheit abgeschlossen hat. Die Krankenhäuser müssen danach nicht damit rechnen, dass die Krankenkassen im Nachgang zu Entscheidungen des BSG zur Auslegung von OPS-Kodes bereits erfolgte Zahlungen erneut überprüfen. Das Vertrauen wird in dem Dauerrechtsverhältnis der Beteiligten nach dem Gericht zum einen durch in der Vergangenheit abgeschlossene Prüfverfahren begründen. Zahlt die Krankenkasse nach Einschaltung des MD und nachfolgender vollständiger Zahlung des Rechnungsbetrags einer Krankenhausbehandlung etwa auch die Aufwandspauschale, begründet das bei dem Krankenhaus das Vertrauen, dass die Prüfung damit endgültig abgeschlossen ist. Ferner wird das Vertrauen der Krankenhäuser dadurch begründet, dass bis zu den jeweiligen Entscheidungen des BSG in allen Behandlungsfällen die entsprechende Kodierung der Komplexbehandlung durch die Krankenkasse nicht beanstandet worden ist. Auch auf diese langjährige Verwaltungspraxis dürfen die Krankenhäuser nach dem Gericht vertrauen. Einer Erstattungsforderung, die dann erst vier Jahre später geltend gemacht wird, steht in diesem Rechtsverhältnis dann der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen.

Die Entscheidung ist zu begrüßen und entspricht erkennbar auch der Intention des Gesetzgebers, die er mit der verkürzten Verjährungsfrist in § 109 Abs. 5 SGB V verfolgt hat. Es bleibt zu hoffen, dass sich auch andere Gerichte an dieser Entscheidung orientieren und die Treuwidrigkeit der nachträglichen Erstattungsansprüche feststellen.

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