Hannover (dpa/lni) - Der Ärzteverband Marburger Bund fürchtet, dass der Personalmangel in den niedersächsischen Kliniken bald zu einem ernsten Problem werden könnte. "In der aktuellen Situation brauchen wir kurzfristig mehr Personal in der Krankenversorgung", sagte der erste Vorsitzende des Marburger Bundes Niedersachsen, Hans Martin Wollenberg, am Mittwoch in einer Mitteilung. Zwar sei die Corona-Lage in den Krankenhäusern noch unter Kontrolle, das könne sich aber ändern. Dabei sei der Mangel in den pflegerischen und medizinischen Berufen lange bekannt. Nach Verbands-Angaben sind derzeit mehrere hundert ärztliche Stellen landesweit in Krankenhäusern unbesetzt.

Mit Blick auf das vorhandene Klinik-Personal verlangte der Ärzteverband mehr Entlastung - etwa bei Bürokratie und Dokumentationspflichten. Ansteigende Infektions- und Patientenzahlen ließen sich nur mit und nicht gegen die Beschäftigten bewältigen, betonte Wollenberg. Die zu Wochenbeginn von der Landesregierung beschlossene Anhebung der Höchstarbeitszeit für Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen auf bis zu 60 Stunden pro Woche sieht der Marburger Bund kritisch.

Dagegen forderten die Kliniken in Niedersachsen am Mittwoch mehr finanzielle Unterstützung und Flexibilität beim Personaleinsatz. "Damit sich die Krankenhäuser auf die Versorgung der Covid-19-Patienten konzentrieren können, muss zum einen ihre Liquidität zu jedem Zeitpunkt sichergestellt sein", sagte der Vorsitzende der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG), Hans-Heinrich Aldag, in einer Mitteilung. Dazu verlangt die Gesellschaft einen Rettungsschirm, der eine neue Pauschale für Kliniken vorsieht, die Betten für Corona-Patienten frei halten. Eine solche Zahlung hatte es bereits bei der ersten Corona-Welle im Frühjahr gegeben.

Außerdem sollen nach Ansicht der NKG Untergrenzen für Pflegepersonal wieder aufgehoben werden. "Nur so erhalten die Krankenhäuser die notwendige Flexibilität, Personal dort einzusetzen, wo es am dringendsten gebraucht werde, und gleichzeitig die Sicherheit, dass ihre wirtschaftliche Existenz nicht erschüttert wird", sagte Aldag. Die Untergrenzen geben eine Mindestanzahl an Patienten vor, die eine Pflegekraft zum Beispiel auf einer Intensivstation versorgen darf. Eine entsprechende Verordnung war im Frühjahr zu Beginn der Pandemie vorübergehend in der Intensivmedizin ausgesetzt worden.

Die Präsidentin der Pflegekammer Niedersachsen, Nadya Klarmann, lehnt diese Forderung ab: "Pflegepersonaluntergrenzen sind sowohl für die Patientensicherheit als auch für den Schutz der Pflegenden unverzichtbar und dürfen auch angesichts steigender Infektionszahlen nicht erneut angetastet werden", sagte Klarmann. Studien zeigten demnach, dass zu wenig Pflegepersonal mit einer erhöhten Sterblichkeit von Patientinnen und Patienten einher ginge.

Pressemitteilungen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft

Pressemitteilung der Pflegekammer

Pressemitteilung Marburger Bund