Hannover - Dieser zeitliche Zusammenhang überrascht: Erst am Dienstag hat die Landesregierung den Gesetzesentwurf zur Auflösung der umstrittenen Pflegekammer auf den Weg gebracht. Doch die Institution selbst beruft für den 18. November noch einmal eine Kammerversammlung im hannoverschen Congress-Centrum ein. Auf der Tagesordnung steht unter anderem die Abwahl von Vorstandsmitgliedern. Betroffen sei auch die Präsidentin selbst, wie zu hören ist.
Kosten von 13 Mio. Euro
„Die Sitzung ist reine Geldverschwendung“, klagt etwa Reinhold Siefken vom Pflegebündnis Hannover/Lehrte/Hildesheim. Bei einer Befragung unter den 78 000 Kammermitgliedern hatten 70,6 Prozent für die Auflösung gestimmt. Die Landesregierung wollte die umstrittene Kammer „so schnell wie möglich“ abwickeln. Zugleich ermahnte Sozialministerin Carola Reimann (SPD) die Kammer, keine weiteren Verpflichtungen einzugehen. Denn das Land muss nicht nur einbehaltene Mitgliedsbeiträge in Höhe von vier Millionen Euro erstatten, sondern auch für Verbindlichkeiten der Kammer aufkommen. Die Rede ist von insgesamt 13 Millionen Euro, die das gescheiterte Projekt wohl verschlingen könnte.
Doch die Kammer macht weiter, als wäre nichts geschehen. „Wir gehen vollumfänglich unseren Aufgaben nach“, sagt Kammersprecher Tino Schaft. Da die Geschäftsordnung keine digitale Veranstaltung zulasse, werden die 31 Mitglieder der Kammerversammlung vor Ort zusammenkommen. „Noch gibt es die Kammer“, betont Schaft.
Das Sozialministerium will die Sache nicht zu hoch hängen. Es gebe „keine rechtliche Grundlage“, die Kammerversammlung zu verbieten, sagt Ministeriumssprecher Oliver Grimm auf Anfrage. Sobald das Gesetz zur Auflösung in Kraft tritt, bleiben der Kammer sechs Monate Zeit für die Abwicklung. Dazu gehöre etwa das Kündigen von Verträgen.
„Regierung unsensibel“
Über die Rückzahlung der Beiträge soll der Landtag bereits kommende Woche entscheiden. Die Regierung will das Änderungsgesetz an das „Gesetz zur Änderung der Verträge zwischen dem Land Niedersachsen und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden“ anhängen. Das stößt auf Kritik. „Die Landesregierung agiert unglaublich unsensibel“, sagt Helge Limburg, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Landtag. „Es gibt überhaupt keinen logischen, naheliegenden oder gar zwingenden Grund, die Abschaffung der Pflegekammer ausgerechnet an die Verträge mit den Jüdischen Verbänden dranzuhängen.“
Die Lösung sei „nicht elegant“, räumt der Sprecher des Sozialministeriums ein. Es gehe lediglich darum, die Summe von vier Millionen Euro im Haushalt abzubilden. Denn die Rückzahlung der Beiträge an die Kammermitglieder solle jetzt schnell erfolgen.