Nach Skandalen tritt der Präsident des Universitätsspitals Zürich zurück: «Die letzten Monate waren von der Arbeitsbelastung her an der Grenze des Machbaren»

Martin Waser gibt sein Amt auf Ende Juni 2021 ab. Mit ihm treten auch der Vizepräsident des USZ-Spitalrats und ein weiteres Mitglied zurück.

Jan Hudec / Daniel Fritzsche
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Martin Waser will mit seinem Rücktritt dafür sorgen, dass sich das USZ «auf die enormen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft konzentrieren kann».

Martin Waser will mit seinem Rücktritt dafür sorgen, dass sich das USZ «auf die enormen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft konzentrieren kann».

Annick Ramp / NZZ

Die oberste Führungsriege des Zürcher Universitätsspitals hat die Konsequenzen aus den Querelen der letzten Monate gezogen: Am Montag haben Spitalratspräsident Martin Waser, Vizepräsident Urs Lauffer und Ratsmitglied Annette Lenzlinger ihre Rücktritte per Ende Juni 2021 bekanntgegeben.

Das Zürcher Universitätsspital ist zuletzt kaum mehr aus den Negativschlagzeilen gekommen. Im Zentrum der Kritik steht die Klinik für Herzchirurgie. Deren ehemaligem Direktor, Francesco Maisano, werden wissenschaftliche Verfehlungen, Urkundenfälschungen und das Unterschlagen von Interessenkonflikten vorgeworfen. Zudem sollen an der Klinik Leistungen verrechnet worden sein, die nicht erbracht wurden. Auch an weiteren Kliniken wurde Kritik laut.

Der Reputationsschaden war gross, die Führung will nun Platz machen für einen Neuanfang. «Mit unseren Rücktritten schaffen wir die Voraussetzung, dass sich das USZ ganz auf die enormen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft konzentrieren kann», sagt Waser. Der frühere Zürcher SP-Stadtrat ist seit 2014 Spitalpräsident. Er habe sich die Entscheidung nicht leichtgemacht, «aber die letzten Monate waren von der Arbeitsbelastung her an der Grenze des Machbaren», so der 66-Jährige.

Waser spricht zwar von einem persönlichen Entscheid, es dürfte aber auch Druck vom Kanton gegeben haben. So sucht die Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (svp.) gemäss Medienmitteilung nun für die Nachfolge Wasers explizit eine Person mit operativer Führungserfahrung in einem grösseren Unternehmen, möglichst in einem Spital. Das kann als Kritik an Alt-Stadtrat Waser gedeutet werden, dem diese Erfahrungen fehlten. Rickli hatte dem Spitalrat zudem schon im letzten Mai in einem Interview in der «NZZ am Sonntag» vorgeworfen, seine Führungsverantwortung nicht genügend wahrgenommen zu haben.

«Zeit des Filzes ist vorbei»

Rickli wollte sich am Montag nicht näher zu den Rücktritten äussern. Die Gesundheitsdirektion hat ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, um Verbesserungsmöglichkeiten im Bereich der Governance und der Aufsicht aufzuzeigen. Das Papier soll am Freitag veröffentlicht werden.

Auch der Spitalrat hat verschiedene Gutachten in Auftrag gegeben, unter anderem auch zur Situation in der Herzchirurgie. Die scheidenden Spitalräte wollen die laufenden Untersuchungen noch abschliessen und die nötigen Verbesserungen einleiten. «Wir wollen für die neue Führung einen guten Boden legen», sagt Waser.

Mit den Rücktrittsankündigungen ist die Causa Universitätsspital also noch lange nicht erledigt. Insbesondere werden nun die politischen Diskussionen nochmals an Fahrt gewinnen – zum einen um die Nachfolge im Spitalrat, zum anderen um die strukturellen Probleme, die zum Vorschein gekommen sind.

Gewählt wird der Spitalrat durch den Regierungsrat, die Wahl muss allerdings vom Parlament genehmigt werden. Und die Kantonsräte bringen sich bereits in Stellung. Esther Guyer (gp.) sprach von der Notwendigkeit einer politischen Entflechtung. «Ein Altstadtrat oder Altregierungsrat kommt als Nachfolger nicht infrage», sagt sie. Ähnlich klingt es beim Präsidenten der Zürcher SVP, Benjamin Fischer. Die Gesundheitsdirektorin habe klar signalisiert, «dass die Zeit des Filzes vorbei ist».

Auch über die strukturellen Probleme dürfte noch heiss debattiert werden. Insbesondere das jetzige Honorargesetz steht in der Kritik. Es belohnt Ärzte, wenn sie viele Eingriffe machen, und setzt damit einen Fehlanreiz. Tatsächlich zeigen Untersuchungen denn auch, dass zusatzversicherte Patienten häufiger operiert werden.

Lohnobergrenze für Ärzte

Die Gesundheitsdirektion will dies ändern. Im Juli hat sie die Vorlage für ein neues Spitalgesetz präsentiert. Darin ist vorgesehen, dass Kaderärzte an kantonalen Spitälern neu eine Lohnobergrenze von einer Million Franken pro Jahr erhalten sollen. Die Zusatzhonorare aus der Behandlung von Privatpatienten sollen zudem vollumfänglich in die Betriebsrechnung des Spitals fliessen. Indem der Grundlohn des ärztlichen Kaders erhöht und der variable Vergütungsbestandteil gesenkt wird, sollen Fehlanreize für nicht oder nur schwach indizierte Behandlungen verhindert werden.

Im Bericht des Regierungsrats wird die Lohnobergrenze damit begründet, dass die Löhne des Gesundheitspersonals von der Allgemeinheit getragen werden. «Sehr hohe Löhne für Ärztinnen und Ärzte stossen in der Bevölkerung je länger, je mehr auf Unverständnis.» Eine zu grosse Lohnspannbreite und intransparente Vergütungssysteme könnten aber auch innerhalb des Spitals zu Spannungen führen. Über das neue Spitalgesetz wird der Kantonsrat entscheiden, die Vorlage wird derzeit von der Gesundheitskommission beraten. Wie von den Parteien zu hören ist, dürfte die Anpassung bei den Honoraren mehrheitsfähig sein.