L 16 KR 395/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 23 KN 108/15 KR
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 395/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 43/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.05.2016 geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin für die stationäre Behandlung des Q L einen Betrag von weiteren 401.714,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 208.843,65 Euro ab dem 30.04.2015, aus 167.179,57 Euro ab dem 02.05.2015 und aus 25.771,42 Euro seit dem 03.05.2015 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 403.670,33 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Der bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich krankenversicherte, 1965 geborene Q L (Versicherter) wurde in dem von der Klägerin betriebenen Klinikum im Zeitraum vom 08.02.2015 bis 26.03.2015 nach intensivstationärer Übernahme stationär behandelt.

Die Beklagte berechnete dafür mit Rechnung vom 14.04.2015 218.641,57 Euro, mit Rechnung vom 16.04.2015 167.159,57 Euro sowie mit Rechnung vom 17.04.2015 25.771,42 Euro. Die Aufteilung auf drei Rechnungen erfolgte aus technischen Gründen, da im Datenträgeraustauschverfahren nach § 301 SGB V pro Datenlauf nur eine bestimmte Anzahl an Daten übertragen werden kann. Der Umfang des Zusatzentgeltes ZE15-97c überschritt diese Anzahl.

Die Beklagte zahlte auf die Rechnung vom 14.04.2015 einen Teilbetrag von 7.922,23 Euro und beauftragte ihren Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit der Prüfung des Behandlungsfalls. Mit Schreiben vom 23.04.2015 erbat der SMD unmittelbar bei der Klägerin (per Telefax) unter Anzeige des Prüfverfahrens die Übersendung im Einzelnen aufgezählter Unterlagen. Er wies darauf hin, dass bei Ausbleiben einer Antwort innerhalb der Frist nach § 7 Abs. 2 Satz 3 der (mit Wirkung zum 01.09.2014 in Kraft getretenen) Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V gemäß § 17c Abs. 2 KHG (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV 2014) der Vorgang zur dortigen Entlastung der Verwaltung zurückgegeben werde. Die Prüfung wurde der Klägerin mit Schreiben vom 23.04.2015 unter Hinweis auf eine beabsichtigte Vollprüfung betreffend Hauptdiagnose, Fehlbelegung sowie der Zusatzentgelte und nachfolgend mit weiteren Schreiben vom 24.04.2015 und vom 27.04.2015, letztere jeweils Bezug nehmend auf das erstere Schreiben, angezeigt.

Die Übersendung der erbetenen Unterlagen erfolgte mit Schreiben vom 20.05.2015; ausweislich des Eingangsstempels des SMD T gingen die Unterlagen dort am 28.05.2015 ein. Der SMD teilte der Beklagten daraufhin mit, die Behandlungsunterlagen seien außerhalb der 4-Wochen-Frist nach § 7 Abs. 2 Satz 3 der PrüfvV 2014 eingegangen. Die Beklagte verweigerte sodann unter Hinweis auf das Fristversäumnis weitere Zahlungen.

Die Klägerin hat am 25.08.2015 Klage beim Sozialgericht Köln erhoben. Sie hat den Zugang der Unterlagen beim SMD erst am 28.05.2015 mit Nichtwissen bestritten. Es sei von einem Zugang spätestens am 23.05.2015 auszugehen. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass die normalen Postlaufzeiten eingehalten würden. Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG dürften ihr nicht zugerechnet werden. Ausweislich der Prüfanzeige habe es sich zudem um eine sachlich-rechnerische Prüfung gehandelt. Nach der Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts finde auf solche Prüfungen § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V keine Anwendung. Selbst wenn man die Anwendbarkeit der PrüfvV unterstelle, enthalte § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 keine Ausschlussfrist. Eine solche definiere diese Norm nicht, weil eine § 6 Abs. 2 PrüfvV 2014 und § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 entsprechende Regelung fehle. Außerdem sei § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV nicht als Muss-Regelung formuliert (anders etwa in § 4 Satz 2 PrüfvV 2014). Organisatorische Probleme hinsichtlich der zeitnahen Übersendung und generelle Probleme der Postzustellung sprächen dagegen, dass ein Krankenhaus seinen Anspruch mit Fristablauf verlieren könne. Dies sei mit dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte nicht in Einklang zu bringen. Es könne auch nicht im Sinne der gesetzlich verankerten partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern sein, wenn ein Krankenhaus seinen Zahlungsanspruch nur deshalb verliere, weil die Behandlungsunterlagen wenige Tage zu spät beim MDK bzw. SMD einträfen. Die getroffene Regelung könne nur dahingehend verstanden werden, dass eine Krankenkasse befugt sei, den strittigen Rechnungsbetrag zurückzuverlangen, bis die Unterlagen nachgereicht würden und die Prüfung durch den MDK abgeschlossen sei. Hierfür spreche auch der gesetzgeberische Wille (Bezugnahme auf BT-Drs. 16/3100 Seite 171), wonach § 275 Abs. 1c SGB V auf Kostensicherung der Krankenhäuser und auf die Versorgungssicherheit der Bevölkerung gerichtet sei. Ein Anspruchsverlust sei auch mit der Intention der der PrüfvV zu Grunde liegenden Ermächtigungsnorm des § 17c Abs. 2 KHG nicht zu vereinbaren. Die Annahme einer Ausschlussfristfrist würde über die reine Regelung zum Prüfverfahren, wie sie in der Ermächtigungsnorm vorgesehen sei, hinausgehen. Das Bundessozialgericht habe bereits mehrfach hinsichtlich der landesvertraglichen Regelungen nach § 112 Abs. 2 SGB V festgestellt, dass diese nicht die bundesrechtlichen Vorgaben (Verjährungsfristen, Wirtschaftlichkeitsgebot) untergraben dürften. Entgegenstehendes ergebe sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht aus den Umsetzungshinweisen der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Denn diese führten explizit aus, es sei unklar, welche weitergehenden Konsequenzen aus dem Versäumen der Mitwirkungshandlung folgten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur verurteilen, an sie den Betrag in Höhe von 403.590,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % Punkten über dem Basiszinssatz in Höhe von 210.718,34 Euro seit dem 01.05.2015, aus 167.179,57 Euro seit dem 04.05.2015 sowie aus 25.771,72 Euro ebenfalls seit dem 04.05.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat hinsichtlich des Zeitpunkts des Zugangs der vom SMD geforderten Unterlagen auf den Eingangsstempel zur Rückantwort der Klägerin verwiesen. Ein Zugang vor dem 28.05.2015 sei nicht feststellbar. Die Darlegungs- und Beweislast liege insoweit bei der Klägerin. Die PrüfvV sei darauf gerichtet, Konflikte zwischen den Vertragspartnern bei der Abrechnungsprüfung im Krankenhausbereich zu vermeiden sowie die Modalitäten der Konfliktlösung stärker in die Eigenverantwortung der Vertragspartner zu legen, um gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermindern und so Bürokratie abzubauen (Bezugnahme auf BT-Drs. 17/13947 Seite 38). Bislang seien oftmals vergleichbare Konstellationen Anlass für - auch gerichtliche - Abrechnungsstreitigkeiten. Dies binde unnötig Ressourcen. Die Regelungsinhalte der PrüfvV seien in § 17c Abs. 2 KHG nicht abschließend genannt. Die Vertragsparteien hätten es so in der Hand, die Zusammenarbeit der Krankenhäuser und Krankenkassen effektiver und konsensorientierter zu gestalten. Die Klägerin müsse sich fragen lassen, welcher Regelungsgehalt § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 noch zukomme, wenn die Nichteinhaltung der 4-Wochen-Frist sanktionslos bliebe. Auch die Umsetzungshinweise des GKV-Spitzenverbandes zur PrüfvV 2014 gingen davon aus, dass eine Ausschlussfrist geregelt sei. Danach rechtfertige ein verspätetes Liefern der Unterlagen keinen nachträglichen Vergütungsanspruch. Selbst die Deutsche Krankenhausgesellschaft führe in ihren Umsetzungshinweisen aus, Krankenhäuser sollten zukünftig unbedingt sicherstellen, dass die Frist gewahrt werde, um der unmittelbaren Rechtsfolge, dass lediglich die Bezahlung des unstreitigen Rechnungsbetrages beansprucht werden könne, zu entgehen.

Mit Urteil vom 04.05.2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe lediglich einen Anspruch auf den unstrittigen Rechnungsbetrag i.H.v. 7.922,23 Euro, weil sie die Ausschlussfrist des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 nicht eingehalten habe. Die von der Beklagten vorgenommene Prüfung sei nicht als eine sachlich-rechnerische Prüfung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anzusehen, bei der die PrüfvV 2014 nicht anwendbar sei. Vielmehr sei die Prüfung aufgrund von Auffälligkeiten insbesondere in Bezug auf die abgerechneten Zusatzentgelte eingeleitet worden. Die Auffälligkeitsprüfung betreffe regelmäßig Fälle, in denen die Krankenkassen Zweifel daran haben könnten, dass das Krankenhaus eine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots erbracht habe. § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 sei dem Regelungsgehalt nach eindeutig. Auch ohne Verwendung des Begriffs Ausschlussfrist sei eine solche zulässigerweise geregelt. Dies sei auch von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 KHG umfasst. Um eine zügige Abrechnungsprüfung zu gewährleisten, könne die PrüfvV bestimmte Fristen für die Einreichung von Unterlagen festlegen und an die Nichteinhaltung der Frist rechtliche Konsequenzen knüpfen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass entsprechend dem gesetzlichen Leitbild keine einseitige Festlegung erfolgt sei, sondern die Parteien entsprechende Vereinbarungen getroffen hätten. Die Klägerin habe die 4-Wochen-Frist auch versäumt. Maßgeblich sei nicht der Zeitpunkt der Absendung der Unterlagen, sondern deren Zugang beim SMD. Die Nichterweislichkeit eines früheren Zugangs bei diesem gehe nach allgemeinen Beweislastregeln zulasten der beweisbelasteten Klägerin.

Mit ihrer Berufung vom 25.05.2016 hält die Klägerin an ihrem Begehren fest. Im Wesentlichen unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ist sie der Auffassung, das Sozialgericht habe gegen das Gebot der möglichst rechts- und sittenkonformen Interpretation verstoßen. Es habe die Annahme einer Ausschlussfrist letztlich lediglich damit begründet, dass keine Regelungen existierten, wie nach Ablauf der 4-Wochen-Frist vorzugehen sei. Es werde nochmals betont, dass sich diese in der Vergangenheit als nicht ausreichend für die Krankenhäuser erwiesen habe. Im Tatsächlichen lasse sich ausgehend von der Absendung der maßgeblichen Unterlagen am 20.05.2015 deren Eingang beim SMD erst am 28.05.2015, einen Tag nach Fristablauf, nicht erklären. Jedenfalls liege eine solch lange Postlaufzeit offensichtlich außerhalb des Einflussbereichs des Versenders. Nach zivilrechtlicher Rechtsprechung habe sie alles ihr Mögliche und in ihrem Verantwortungsbereich Liegende getan, dass die Unterlagen fristgerecht beim SMD eingingen (Verweis auf BGH WuM 2012,157; BGH FamRZ 2010, 726, OLG Schleswig, Beschluss vom 20.10.2014 - 10 UF 104/14). Hiermit setze sich das Sozialgericht nicht auseinander, sondern stelle pauschal auf die Regelung der objektiven Beweislast ab. Ohnehin unterfalle die hier beabsichtigte Prüfung als sachlich-rechnerische Prüfung nicht der PrüfvV 2014. Darüber hinaus müsse eine gerichtliche Fallprüfung insgesamt möglich sein, da andernfalls der grundgesetzlich manifestierte Rechtsschutz obsolet wäre (Verweis auf SG Kassel, Urteile vom 25.11.2016 - S 12 KR 512/15 und S 12 KR 594/15). Die PrüfvV 2014 sei als untergesetzliche Norm nicht geeignet, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nach dem SGB V einzuschränken (Verweis auf SG Detmold, Urteil vom 31.03.2017 - S 24 KR 230/16). Sie habe keinen normsetzenden Charakter und könne ihr keinen Rechtsschutz versagen. Es wäre im Übrigen offensichtlich unbillig, einen Anspruch auf mehr als 400.000 Euro wegen des Fristversäumnisses von einem Tag abzulehnen. Die Regelung in § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 sei entgegen der Ansicht der Beklagten in diesem Zusammenhang irrelevant. Denn die Frist nach § 8 Satz 3 PrüfvV 2014 verlängere sich nach § 7 Abs. 5 PrüfvV 2014, bis dem MDK die vollständigen Unterlagen vorlägen. Die Ergänzung der Unterlagen sei zudem bis zum Ablauf von 5 Monaten möglich. Es entspreche auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass Fristen nicht anfingen zu laufen, bis ein Krankenhaus seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen sei. Das § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV 2014 als Ausschlussfrist einstufende Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.11.2019 (B 1 KR 33/18 R, juris) sei in der Sache nicht aussagekräftig, weil es sich bei den in Bezug genommenen Passagen lediglich um ein Obiter Dictum handele.

Der SMD ist in einer auf Anregung des Senats abgegebenen gutachtlichen Stellungnahme vom 06.02.2020 nach Einsicht in die Patientenunterlagen zu dem Ergebnis gelangt, die Entlassung des Versicherten hätte bereits am 23.03.2015 erfolgen können. Während die Hauptdiagnose zutreffend kodiert sei, seien die Zusatzentgelte für die hochaufwändige Pflege nicht nach ZE130.02, sondern nach ZE130.01 abzurechnen.

Die Klägerin hat die inhaltlichen Ausführungen des SMD mit ihren rechnerischen Auswirkungen auf die Abrechnung des streitigen Falles im Ergebnis akzeptiert.

Die Beteiligten haben daraufhin im Termin der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt:

"Geltend gemacht werden können von der Klägerin aus der ersten Rechnung 216.685,88 Euro, verringert um die bereits gezahlten 7.922,23 Euro, hinsichtlich der zweiten Rechnung ein Betrag von 167.179,57 Euro und hinsichtlich der dritten Rechnung ein Betrag von 25.771,42 Euro."

Demzufolge beantragt die Klägerin,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.05.2016 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr 401.714,64 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 208.843,65 Euro seit dem 30.04.2015, aus 167.179,57 Euro seit dem 02.05.2015 und aus 25.771,42 Euro seit dem 03.05.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Sie sieht sich in ihrer Auffassung nicht zuletzt bestätigt durch ein Rechtsgutachten des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen vom 31.01.2018 sowie u.a. das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 17.04.2018 - L 11 KR 936/17 -, juris) und auch das Bundessozialgericht (Urteil vom 19.11.2019 a.a.O.). Die PrüfvV 2014 sei angesichts des mit Schreiben vom 23.04.2015 mitgeteilten Prüfanlasses einschlägig. Das Sozialgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Rechtsfolge für das Fristversäumnis unmittelbar in der Vorschrift angeordnet sei. Insbesondere müsse eine Ausschlussfrist nicht als solche bezeichnet sein. Gerade die Vorschrift des § 8 Satz 4 PrüfvV 2014 spreche für die Annahme einer Ausschlussfrist. Sonst hätten es die Krankenhäuser in der Hand, eine verzögerte Übersendung der Unterlagen bewusst zu nutzen, um Krankenkassen in die Ausschlussfrist des § 8 Satz 3 PrüfvV 2014 zu drängen. Die von der Klägerin hinsichtlich ihrer nur beschränkten Verantwortung für ein etwaiges Fristversäumnis zitierte zivilrechtliche Rechtsprechung sei nicht einschlägig. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme mangels entsprechender Regelung nicht in Betracht. Es sei im Übrigen noch nicht einmal festgestellt, dass tatsächlich am 20.05.2015 eine Versendung erfolgt sei. Angesichts der Gesetzesbegründung (Bezugnahme auf BT-Drs. 17/13947 Seite 38) könne entgegen der Auffassung der Klägerin kaum davon ausgegangen werden, dass Ziel der Ermächtigung für die PrüfvV einseitig die Kostensicherung der Krankenhäuser gewesen sei. Es sei darum gegangen, einen einheitlichen und für die Krankenkassen wie Krankenhäuser verbindlichen Regelungsrahmen für die Formalien des Prüfverfahrens zu schaffen. Diesem Zweck liefe die von der Klägerin vertretene Auslegung des § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 jedoch entgegen. Ausgehend von der Auffassung der Klägerin müsste man auch den weiteren Ausschlussfristen ihre Vereinbarkeit mit § 17c Abs. 2 KHG absprechen. Ein verbindlicher Regelungsrahmen könnte so nicht erreicht werden. Es werde im Übrigen auf eine Mitteilung der Deutschen Krankengesellschaft vom 21.12.2015 verwiesen zu den Ergebnissen der Verhandlungen zur neuen Prüfverfahrensordnung. Darin werde ausgeführt, die Charakterisierung dieser Frist als Ausschlussfrist habe allerdings als Zugeständnis aufgenommen werden müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten, der Behandlungsunterlagen über den stationären Aufenthalt des Versicherten sowie der Prozessakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Sie ist auch begründet.

Das Sozialgericht hat die von der Klägerin zulässigerweise erhobene (echte) Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG (vgl. zur ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa BSG, Urteil vom 14.10.2014 - B 1 KR 27/13 R -, BSGE 117, 82-94, SozR 4-2500 § 109 Nr. 40, Rn. 7 m.w.N.) im noch streitigen Umfang zu Unrecht abgewiesen.

Die Klägerin als Trägerin des nach § 108 Nr. 1 SGB V zur Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassenen Krankenhauses hat entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Anspruch auf (weitere) Vergütung der stationären Behandlung des Versicherten.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Vergütungsanspruch ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 KHEntgG und § 17b KHG (vgl. etwa BSG, Urteil vom 19.03.2020 - B 1 KR 20/19 R -, Rn. 11, juris).

Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung (wie hier) in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (vgl. zur ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa BSG, Urteil vom 19.03.2020 - B 1 KR 20/19 R - , Rn. 11, juris).

Der (weitere) Vergütungsanspruch der Klägerin ist dem Grunde nach entstanden. Dabei war die stationäre Behandlung des Versicherten jedoch lediglich bis zum 23.03.2015 notwendig im Sinne von § 39 Abs. 1 SGB V. Zudem war statt des ZE130.01 das ZE130.02 abzurechnen. Dies ergibt sich aus dem sozialmedizinischen Gutachten des SMD vom 06.02.2020 und ist zwischen den Beteiligten nach Klärung des medizinischen Sachverhalts - auch betreffend die Höhe des (tenorierten) Vergütungsanspruchs - nicht (mehr) streitig. Der Senat hat weder Anlass, die medizinischen Ausführungen des SMD hinsichtlich insbesondere der aus medizinischen Gründen gebotenen stationären Verweildauer sowie der Abrechnung der Zusatzentgelte noch - bei Fehlen entsprechender Anhaltspunkte - die plausible rechnerische Herleitung des Anspruchs der Höhe nach in Zweifel zu ziehen.

Der über den von der Beklagten zunächst beglichenen "unstreitigen" Betrag von 7.922,23 Euro hinausgehende Vergütungsanspruch ist weder erloschen (diese Begrifflichkeit verwendend Hessisches LSG, Urteil vom 28.05.2020 - L 8 KR 221/18 -, Rn. 23, juris) noch ist die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs insoweit ausgeschlossen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Abrechnung nicht ein vom tatsächlichen Behandlungsfall abweichender Sachverhalt zugrunde zu legen, weil sich die maßgebliche Tatsachengrundlage nicht bereits eindeutig aus den im Datenaustauschverfahren übermittelten Daten und übermittelten Unterlagen ergab, sondern derjenige Sachverhalt, der in der den stationären Aufenthalt abbildenden Patientenakte dokumentiert ist.

Aus der mit Wirkung zum 01.09.2014 getroffenen, alle Behandlungsfälle ab dem 01.01.2015 (bis zum 31.12.2016 und Inkrafttreten der neuen PrüfvV 2016 vom 03.02.2016 zum 01.01.2017) erfassenden PrüfvV 2014 ergibt sich Abweichendes nicht. Insbesondere ist der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht nach § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 auf den "unstrittigen Rechnungsbetrag" beschränkt.

Nach § 17c Abs. 2 KHG (in der am 01.08.2013 geltenden Fassung) regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft in der PrüfvV das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (Satz 1). Dabei haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des MDK, über den Zeitpunkt der Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen; die §§ 275 bis 283 SGB V bleiben im Übrigen unberührt (Satz 2). Die darauf beruhende PrüfvV 2014 geht insoweit als jüngere und bundeseinheitliche Regelung den landesvertraglichen Bestimmungen nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V vor; eine entsprechende Regelung trifft § 11 PrüfvV 2014 (vgl. zu alledem BeckOK SozR/Knispel, 51. Ed. 01.12.2018, SGB V § 39 Rn. 62-72).

Der Senat kann im Ergebnis weiterhin (vgl. Urteil des Senats vom 14.11.2019 - L 16 KR 929/16 -, juris; Nichtzulassungsbeschwerde anhängig B 1 KR 34/20 B) dahinstehen lassen, ob die PrüfvV 2014 ausgehend von dem dem SMD erteilten Prüfauftrag Anwendung findet. Nach der Rechtsprechung des allein zuständigen 1. Senats des Bundessozialgerichts galt die PrüfvV 2014 ebenso wie § 275 Abs. 1c SGB V in der 2015 geltenden Fassung nur für Auffälligkeitsprüfungen betreffend die Wirtschaftlichkeit, nicht aber für sachlich-rechnerische Prüfungen (BSG, Urteil vom 23.05.2017 - B 1 KR 24/16 R -, SozR 4-2500 § 301 Nr. 8, Rn. 30; zur gut begründeten gegenteiligen Ansicht vgl. nur Knispel, GesR 2015, 200, 206). Ob eine Krankenkasse einen Prüfauftrag mit dem Ziel der Abrechnungsminderung i.S. des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V oder der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung erteilt hatte, richtete sich nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen. Der für die Auslegung des Auftrags maßgebliche wirkliche Wille (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 133 BGB) ist dem Prüfauftrag zu entnehmen. Maßgeblich ist insoweit der Empfängerhorizont des MDK bzw. - hier - des SMD (BSG, Urteil vom 23.05.2017, a.a.O. Rn. 39).

Der hier maßgebliche Prüfauftrag erfasste sowohl - ausgehend von der Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts - eine sachlich-rechnerische Prüfung bezogen auf die Kodierung der Hauptdiagnose als auch (bei jeweils isolierter Betrachtung) Auffälligkeitsprüfungen bezüglich einer Fehlbelegung sowie der Abrechnung der Zusatzentgelte. Die Beklagte bezeichnet die Prüfung insoweit insgesamt folgerichtig als Vollprüfung.

Dabei steht es einer Krankenkasse (und vorliegend der Beklagten) zu, sich rechtzeitig auch wegen der Abrechnung des Zusatzentgelts auf eine Auffälligkeit zu berufen und eine Abrechnungsprüfung unter Anforderung einer gutachtlichen Stellungnahme des SMD einzuleiten. Die Auffälligkeitsprüfung betrifft regelmäßig Fälle, in denen - wie hier bezogen auf die Verweildauer und die Abrechnung der Zusatzentgelte - die Krankenkassen Zweifel daran haben können, dass das Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) erbracht hat (zu alledem BSG, Urteil vom 10.03.2015 - B 1 KR 2/15 R -, BSGE 118, 155-164, SozR 4-2500 § 39 Nr. 23, Rn. 27 m.w.N. zur Rechtsprechung des Senats; missverständlich hingegen BSG, Urteil vom 23.05.2017 - B 1 KR 24/16 R -, SozR 4-2500 § 301 Nr. 8, Rn. 17). Ohne Bedeutung ist angesichts des den gesamten Behandlungsfall betreffenden umfassenden Prüfauftrags und der Maßgeblichkeit des Empfängerhorizonts des SMD, dass die Beklagte der Klägerin in den auf die Rechnungen vom 16.04.2015 und 17.04.2015 erstellten Prüfanzeigen vom 24.04.2015 und 27.04.2015 - abweichend von der Prüfanzeige vom 23.04.2015, aus der eine beabsichtigte Vollprüfung des gesamten stationären Aufenthalts auch für die Klägerin eindeutig zu entnehmen war - als Auffälligkeit lediglich die Abrechnung der Zusatzentgelte benannte.

Das Bundessozialgericht hat - soweit ersichtlich - die Frage, ob ein solch umfassender Prüfauftrag der PrüfvV 2014 unterfällt, weiterhin nicht entschieden (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2017 - B 1 KR 24/16 R -, SozR 4-2500 § 301 Nr. 8, Rn. 39, in dem das BSG darauf abstellt, dass es der Krankenkasse um die "richtige Abbildung des Behandlungsgeschehens" ging und "eine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung nicht beabsichtigt war."; vgl. auch BSG, Urteil vom 30.07.2019 - B 1 KR 31/18 R -, Rn. 15, juris: "Der Anwendungsbereich der PrüfvV ist jedenfalls dann eröffnet, wenn die Prüfung erfolgt, um allein (Hervorhebung d. Verf.) die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung (§ 12 Abs. 1 SGB V) zu überprüfen, etwa die medizinische Notwendigkeit der Dauer der stationären Behandlung (Auffälligkeitsprüfung)). Dabei spricht viel dafür, dass eine Vollprüfung bereits unter Geltung der PrüfvV 2014 als deren Anwendbarkeit begründende Auffälligkeitsprüfung zu qualifizieren ist, weil es sonst die Krankenkasse durch Ergänzung jedweder (isolierten) Auffälligkeitsprüfung um sachlich-rechnerische Einwendungen im Prüfauftrag in der Hand gehabt hätte, die Anwendbarkeit der PrüfvV zu verhindern und etwa der Zahlung der Aufwandspauschale zu entgehen.

Die Anwendbarkeit der PrüfvV 2014 auf die hier erfolgte Prüfung unterstellt, ergibt sich aus dieser jedoch gleichwohl keine Beschränkung des Vergütungsanspruchs auf den von der Beklagten nach Erhalt der Rechnungen und ohne Prüfung der vom SMD zur Beurteilung für erforderlich bezeichneten Unterlagen als "unstreitig" erachteten Betrag. Denn § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 regelt entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dergestalt, dass die Klägerin nur Anspruch auf den unstrittigen Rechnungsbetrag hätte, mithin hier keinerlei (weitere) Zahlung mehr verlangen könnte, weil eine Beurteilung unter Berücksichtigung der gesamten Patientenunterlagen ausschiede (a.A. etwa BSG, Urteil vom 19.11.2019 - B 1 KR 33/18 R -, Rn. 16, juris; LSG Baden Württemberg, Urteil vom 17.04.2018 - L 11 KR 936/17 -, Rn. 53, juris; Hessisches LSG, Urteil vom 28.05.2020 - L 8 KR 221/18 -, Rn. 26, juris, Revision anhängig B 1 KR 24/20 R).

Der Senat erachtet die entgegenstehende, lediglich in einem rechtlich unverbindlichen Obiter Dictum unter Verweis auf LSG Baden Württemberg (Urteil vom 17.04.2018 a.a.O.) geäußerte, sich nicht einmal im Ansatz mit den in Literatur und Rechtsprechung hierzu ausgetauschten Argumenten auseinandersetzende (vgl. dazu etwa Bockholdt in Hauck/Noftz, SGB, 04/19, § 109 SGB V, Rn. 224; Middendorf/Haverkamp, KH 2018, 940-946) Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 19.11.2019 (a.a.O.) für nicht überzeugend (vgl. dazu auch Thomae, GesR 2020, 225-226; Schliephorst, KH 2020, 427).

Nach § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 kann der MDK (hier: SMD) bei einer - hier erfolgten - Prüfung im schriftlichen Verfahren die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt (Satz 2). Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln (Satz 3). Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag (Satz 4).

Zwar ist anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 14.11.2019 (a.a.O.) entschiedenen Fall § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 grundsätzlich tatbestandlich einschlägig, weil der SMD die seines Erachtens für die Prüfung "erforderlichen Unterlagen" konkret bezeichnete (vgl. - eine entsprechende Verpflichtung ebenfalls bejahend - auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.2020 - L 11 KR 1437/19 -, Rn. 37, juris). Zudem steht fest, dass sämtliche Unterlagen durch das Krankenhaus frühestens - ein Abvermerk und/oder Versendungsbeleg fehlt insoweit - am 20.05.2015 versandt wurden. Es ist hingegen nicht feststellbar, dass die Unterlagen dem SMD zu einem früheren Zeitpunkt - also vor dem 28.05.2015 - zugegangen sind. Folglich ist zur Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass die vom SMD angeforderten Unterlagen diesem nicht innerhalb von 4 Wochen nach Zugang von deren Anforderung übermittelt wurden. Das Tatbestandsmerkmal "übermitteln" kann bereits dem Wortsinn nach nicht dahingehend verstanden werden, dass die Absendung der Unterlagen zur Fristwahrung genügt (vgl. auch BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.05.2010 - 1 BvR 1070/10 -, Rn. 3, juris, zur Frage der fristgerechten Übermittlung einer Verfassungsbeschwerde), auch wenn in der für Behandlungsfälle ab dem 01.01.2016 geltenden PrüfvV 2016 vom 03.02.2016 augenscheinlich die Klarstellung für erforderlich gehalten wurde, dass die vom MDK angeforderten und gegebenenfalls vom Krankenhaus ergänzten Unterlagen innerhalb der Frist zugegangen sein müssen (§ 7 Abs. 2 Satz 5 PrüfvV 2016).

Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob bei materiell-rechtlichen Ausschlussfristen - eine solche unterstellt - eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommt (vgl. etwa BSG, Urteil vom 10.07.2014 - B 10 ÜG 8/13 R -, SozR 4-1720 § 198 Nr. 2, Rn. 12) und ob die von der Klägerin in Bezug genommene, prozessuale Fristen betreffende Rechtsprechung, wonach einem Rechtsmittelführer Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden zugerechnet werden dürfen, weil er vielmehr darauf vertrauen dürfe, dass die Postlaufzeiten eingehalten werden, die seitens der Deutschen Post AG für den Normalfall festgelegt werden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 17.01.2012 - VIII ZB 42/11 -, Rn. 7, juris), auf die Einhaltung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist übertragbar wäre. Denn die Klägerin kann zum Zeitpunkt der Absendung der fraglichen Unterlagen weder substantiiert vortragen noch eine - ausgehend von "normalen" Postlaufzeiten (könnten solche auch für das Jahr 2015 unterstellt werden) - rechtzeitige Absendung belegen.

Hingegen bestehen zur Überzeugung des Senats mit Teilen der Literatur und Rechtsprechung (vgl. zum Streitstand Bockholdt in Hauck/Noftz, SGB, 04/19, § 109 SGB V, Rn. 224) erhebliche Zweifel, dass sich die Regelung einer materiellen Ausschlussfrist im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 KHG (in der am 25.07.2014 geltenden Fassung durch Artikel 16a Gesetz vom 21.07.2014, BGBl. I S. 1133) hält (so etwa Bockholdt a.a.O.; Middendorf/Haverkamp, KH 2018, 940-946). Danach regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V; in der Vereinbarung sind abweichende Regelungen zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V möglich (Satz 1). Insbesondere haben sie Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über den Zeitpunkt der Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen (Satz 2). Materielle Ausschlussfristen gehen über Regelungen zum Verfahren jedoch hinaus (so etwa auch Middendorf/Haverkamp, KH 2018, 940-946). Hätte der Gesetzgeber dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft insoweit eine weitergehende und - wie der hier streitige Abrechnungsfall exemplarisch zeigt - mit massiven Rechtsverlusten einhergehende Regelungskompetenz einräumen wollen, hätte es einer dezidierteren Ermächtigung bedurft.

Jedenfalls enthält § 7 Abs. 2 Satz 3 und 4 PrüfvV 2014 aber keine Regelung einer materiellen Ausschlussfrist. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats vorrangig aus dem Wortlaut der Vorschrift und systematischen Überlegungen. Der Terminus "Ausschlussfrist" findet sich nicht. Angesichts des Umstandes, dass die PrüfvV 2014 in § 8 Satz 4 explizit regelt, dass die Frist in § 8 Satz 3 PrüfvV 2014 als Ausschlussfrist wirkt und dieser Terminus den Regelungsparteien tatsächlich sowie in seiner rechtlichen Bedeutung ersichtlich bewusst war, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, dass im Rahmen des § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 einvernehmlich die Regelung einer Ausschlussfrist mit der Konsequenz ggf. - wie hier - massiver Anspruchsverluste (konkret von über 400.000,00 Euro) geregelt werden konnte und sollte. Vielmehr spricht gerade der Verzicht auf eine eindeutige Regelung zur Überzeugung des Senats dafür, dass sich die Beteiligten gerade nicht auf eine Ausschlussfrist einigen konnten. Die Nachfolgeregelung in § 7 Abs. 2 Satz 8 PrüfvV 2016, die bestimmt, dass nach Ablauf der (Nachlieferungs-)Frist von Satz 7 eine Übersendung von Unterlagen durch das Krankenhaus ausgeschlossen ist und (Satz 9) ein Anspruch auf den dann noch strittigen Rechnungsbetrag nicht besteht, können - ungeachtet der fortbestehenden Problematik der Reichweite der Ermächtigungsgrundlage (s.o.) - angesichts der völligen Neuregelung nicht als klarstellende Regelung verstanden werden. Dafür spricht auch die Veröffentlichung der Deutschen Krankenhausgesellschaft vom 21.12.2015, wonach aufgrund der Verlängerung der Fristen auf bis zu 14 Wochen deren Charakterisierung als Ausschlussfrist "allerdings als Zugeständnis aufgenommen werden" musste. Ein solches "Zugeständnis" erscheint - wie die nachhaltigen rechtlichen Auseinandersetzungen sowie die divergierenden Verlautbarungen des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft - nicht plausibel, wäre eine Ausschlussfrist bereits in der PrüfvV 2014 einvernehmlich geregelt gewesen.

Dabei berücksichtigt der Senat auch die nicht nur im vorliegenden Einzelfall unverhältnismäßigen Folgen (zu diesem Aspekt auch Middendorf/Haverkamp, KH 2018, 940-946) eines ggf. nur marginalen - ggf. auf Unzulänglichkeiten eines Dritten (also etwa eines mit der Übermittlung beauftragten Unternehmens) beruhenden - Versäumnisses hinsichtlich einer noch dazu angesichts eines offenkundigen Massengeschäfts vergleichsweise knapp bemessenen Frist. Eine materielle Ausschlussfrist hätte angesichts der vorbeschriebenen Rahmenbedingungen und Konsequenzen eindeutig geregelt werden müssen.

Es ist schließlich auch keineswegs so, dass die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 bei Verneinung einer materiellen Ausschlussfrist gleichsam "ins Leere" liefe, weil es eines sinnvollen Anwendungsbereichs entbehrte. Die Krankenkassen sind - anders als in § 15 Abs. 1 Satz 1 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V (Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung) für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesvertrag) vorgesehen - bei Versäumung der Frist lediglich zur Zahlung des unstrittigen Betrages verpflichtet, was - wegen des Zeitablaufs bis zu einer ggf. erst gerichtlichen Klärung - nicht nur wirtschaftliche (insbesondere auch Zins-)Vorteile nach sich zieht, sondern auch Konsequenzen betreffend die Folgen einer Beweislosigkeit von Zahlungs- bzw. Erstattungsansprüchen haben kann.

Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Satz 4 des Landesvertrages i.V.m. § 1 Diskontsatzüberleitungsgesetz. Danach kann das Krankenhaus bei Überschreitung des Zahlungsziels von 15 Tagen nach Eingang der Rechnung (vgl. § 15 Abs.1 Satz 1 Landesvertrag) nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins der Europäischen Zentralbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag verlangen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die teilweise Klage-/Berufungsrücknahme rechtfertigt keine Kostenteilung, weil sie weniger als ein Prozent des Streitwerts betraf.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 sowie 47 Abs. 1 GKG.
Rechtskraft
Aus
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