Planung für Klinik-StrukturNRW schließt wegen Corona weniger Krankenhäuser

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Krankenhaus Essen

Medizinerinnen versorgen einen Corona-Patienten in einer Klinik.

Düsseldorf – NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) will die Krankenhausplanungen vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie verändern. „Die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt: Wenn der Ernstfall da ist, brauchen wir ein gut funktionierendes Gesundheitssystem. Dazu gehört auch, dass wir über das Land verteilt genügend Intensivbetten brauchen. Dies wird auch bei der neuen Planung berücksichtigt“, sagte Laumann dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung hatte ergeben, dass in der Modellregion Köln/Leverkusen künftig durch eine Neustrukturierung nur noch 14 statt aktuell 38 Kliniken benötigt werden könnten. Überlegungen für Standortschließungen werden aktuell nicht angestellt. „Ich bin der Meinung, dass 90 Prozent der Menschen in NRW innerhalb von 20 Minuten ein Krankenhaus erreichen können sollen.“

Zahl der Kliniken sollte um mehr als die Hälfte verringert werden

In den Krankenhausplänen der Landesregierung, die 2019 vorgestellt worden waren, wurde der Zielwert noch mit 30 Minuten angegeben. Aus der neuen Berechnungsgrundlage lässt sich ableiten, dass mehr Standorte erhalten bleiben. „Wir brauchen sowohl eine gute Basisversorgung als auch Spezialisierungen“, so der Minister. Auch nach der angestrebten Reform müsse jeder Bürger weiterhin ein Krankenhaus mit Notfallversorgung „in zumutbarer Entfernung erreichen“ können.

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In NRW gibt es 5471 Intensivbetten mit einer Beatmungsmöglichkeit. Davon sind aktuell 85,1 Prozent belegt. Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, das zentrale Qualitätsmerkmal des Gesundheitswesens sei der flächendeckende Zugang zur medizinischen Versorgung. „Hier haben ländliche und kleinere Kliniken eine wichtige Funktion. Sie kümmern sich um die Versorgung von Verletzten, um chirurgische Eingriffe, die Behandlung von Herz-Kreislauf-Krankheiten, Stoffwechselstörungen und Lungenentzündungen.“ 

„In der Pandemie hat sich gezeigt, dass zentralisierte Systeme wie in den Niederlanden schnell an ihre Grenzen gekommen sind. Wir sind da breiter und besser aufgestellt. Diesen Vorteil sollten wir nicht aufs Spiel setzen“, sagte Brink. In NRW gibt es derzeit 354 Kliniken.

Kliniken sollen spezialisiert werden

Matthias Mohrmann, Vorstand der Krankenkasse AOK Rheinland/Hamburg, sagte unsere Zeitung, die Pandemie habe deutlich gemacht, dass eine stärkere Spezialisierung der Krankenhäuser in NRW erforderlich sei: „Hochkomplexe Behandlungen sollten nur dort durchgeführt werden, wo die notwendige Expertise vorhanden ist. Covid-Patienten, die über einen längeren Zeitraum beatmet werden müssen, sollten zum Beispiel nur auf Stationen behandelt werden, die über ausreichende Routine im Umgang mit der Therapie verfügen.“ 

Mohrmann wies darauf hin, das kleinere Kliniken neue Aufgaben übernehmen könnten: „Wir müssen weiterhin sicherstellen, dass die Patienten auch in den ländlichen Räumen adäquat versorgt werden.“ Dort könnten Standorte zu „kurzstationären Behandlungszentren“ weiterentwickelt werden.

Experten warnen vor Zentralisierung der NRW-Krankenhäuser

Ingo Morell ist der Geschäftsführer der Gemeinnützigen Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe (GFO). Die Gruppe betreibt acht Kliniken mit 13 Standorten in NRW. Morell wirbt dafür, die von der schwarz-gelben Landesregierung geplante Konzentration der Klinik-Landschaft zu überdenken: „Es gibt gute Gründe dafür, dezentrale Versorgungsstrukturen zu erhalten“, sagte der GFO-Geschäftsführer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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In der Pandemie würden große Einheiten „immer auch ein Risiko“ bergen. Wenn sich Ärzte und Pfleger infizierten, müssten oft ganze Bereiche geschlossen werden. „Diese Gefahr ist geringer und verteilt sich, wenn man mit dezentralen Strukturen arbeitet“, so Morell. Kleinere Krankenhäuser könnten durch Intensivbehandlungen von Patienten zudem Maximalversorger wie die Unikliniken entlasten.

Ein 2019 durch das Gesundheitsministerium vorgestelltes Krankenhausgutachten kam zu dem Ergebnis, dass es in den Ballungszentren eine Tendenz zur „medizinischen Überversorgung“ gebe. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sprach sich für eine Bündelung der Kompetenzen aus.

Niederlande kein Vorbild

Josef Neumann, Gesundheitsexperte der SPD, sagte unserer Zeitung, es wäre „gefährlich“, wenn die Landesregierung die Erfahrungen der Pandemie nicht in den Planungen für das neue Krankenhausgesetz berücksichtigen würde. „Es stellt sich die Frage, ob die vorgesehene Bündelung der Kompetenzen nicht zu einer Verknappung der Behandlungskapazitäten insgesamt führt.

Die Niederlande, die ihr Gesundheitssystem bereits so umgebaut haben, wie Laumann sich das bei seiner Reform vorstellt, sind bei der Betreuung von Corona-Patienten auf den Intensivstationen schnell an ihre Grenzen geraten“, so Neumann. Nicht umsonst müssen in NRW Covid-Kranke aus den Niederlanden aufgenommen werden. „Das sollte uns eine Warnung sein“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte.

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