Weil der Bund die Mehrkosten der Krankenhäuser seit Oktober nicht mehr pauschal für alle Kliniken vergütet, füllt das Land jetzt die dadurch erwartete Lücke mit vorerst bis zu 20 Millionen Euro aus dem Bremen-Fonds. Mit weiteren knapp fünf Millionen Euro aus gleicher Quelle werden Investitionen in neue Intensivbetten gefördert, weil auch hier der Bund nur einen Teil der Kosten übernimmt.
Das wäre aus Sicht des Bremer Senats wohl die Kurzform der Begründung für einen jüngst beschlossenen Zuschuss für die Kliniken im Land. Ein wenig komplizierter ist es dann aber doch, denn zugleich hat der Senat auch andere Vorgaben für die Krankenhäuser in der Corona-Pandemie gemacht, als sie der Bund vorsieht. Daraus resultierende Mehrkosten fallen zwangsläufig in die Verantwortung des Landes.
Im Kern geht es darum, wie die Politik gewährleistet, dass zu jedem Zeitpunkt genügend Krankenhaus- und Intensivbetten für Corona-Patienten bereit stehen und zugleich die übrige Versorgung nicht gefährdet wird. Denn auch andere schwere medizinische Notfälle vom Unfallopfer über Herzinfarkt- bis zu Schlaganfall-Patienten werden in den Krankenhäusern genauso behandelt wie vor der Pandemie.
In der ersten Corona-Welle im Frühjahr hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dazu eine pauschale Regelung veranlasst: Die Krankenhäuser wurden aufgefordert, planbare Eingriffe, sogenannte elektive Operation, zu verschieben, soweit das medizinisch vertretbar war. So sollten mehr Betten auf Normal- und Intensivstationen für Corona-Patienten frei bleiben. Weil den Kliniken dadurch Einnahmen verloren gingen, wurden die freigehaltenen Betten pauschal mit 560 Euro pro Tag vom Bund vergütet. Er bediente sich dabei aus der Liquiditätsreserve der gesetzlichen Krankenversicherung. Um die Zahl der zusätzlich vorgehaltenen Betten zu ermitteln, wurde als Referenz die Belegung des Vorjahres herangezogen.
Ausgleichszahlungen neu geregelt
Diese auf die Schnelle im März geschaffene gesetzliche Regelung ist zum 30. September 2020 ausgelaufen. Seit 18. November gilt mit Blick auf die zweite Corona-Welle ein überarbeitetes Infektionsschutzgesetz, das auch die Ausgleichszahlungen neu regelt. Sie sind jetzt an zahlreiche zusätzliche Bedingungen geknüpft. Dazu gehört eine Covid-19-Inzidenz von über 70 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen, aber auch die prinzipielle Funktion eines Krankenhauses in der Notfallversorgung seiner Region und davon abhängig die Quote die vorzuhaltenden Intensivbetten. Mit dem Krankenhaus Bremen-Mitte sowie dem Klinikum Bremerhaven-Reinkenheide kommen nur zwei Häuser im Land Bremen nach diesen Vorgaben für Ausgleichszahlungen des Bundes infrage.
„Wir haben aber seit dem Frühjahr in Sachen Corona eine funktionierende Versorgungsstruktur und Kooperation, die alle Kliniken im Land Bremen einbezieht. Die wollen wir unbedingt erhalten“, begründet Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) den Zusatzbedarf ihres Ressorts aus dem Bremen-Fonds. Es bestehe die Gefahr, dass Kliniken aus dieser Zusammenarbeit aussteigen, wenn sich das für sie wirtschaftlich negativ auswirke. Als praktisches Beispiel für diese Kooperation verweist Lukas Fuhrmann, Sprecher des Gesundheitsressorts, auf Personalüberlassungen. „Die Roland-Klinik zum Beispiel nimmt als Spezialist für Orthopädie und Handchirurgie keine Covid-Patienten auf, fährt aber die Zahl ihrer planbaren Eingriffe nach unten, um Pflege-Personal freizustellen, das dann andere Krankenhäuser entlastet.“ Solche Formen der Kooperation seien vom Bund überhaupt nicht berücksichtigt.
Der finanzielle Mehrbedarf über die Ausgleichszahlungen des Bundes hinaus resultiert aber auch aus der Strategie des Landeskrisenstabes, eine höhere Freihaltequote der Betten zu verfügen, als sie der Bund vorsieht. Denn Bremen gibt nicht nur für die Intensivbetten, sondern auch für die Normalstationen einen Wert vor. So müssen die Kliniken in Bremerhaven sieben Prozent und die Häuser in Bremen zehn Prozent ihrer Normalbetten für Covid-19-Patienten freihalten. Diese Quoten dürfen zudem nicht unterm Strich jeweils kommunal erfüllt sein, sondern jeder Krankenhausträger für sich muss die Werte erreichen. Die Verschiebung elektiver Operationen ist darum jetzt – anders als im Frühjahr – nicht mehr vorgeschrieben, sondern ergibt sich als Konsequenz aus der Vorgabe der freizuhaltenden Betten.
Im Diako finden darum zum Beispiel im November und Dezember gut 20 Prozent weniger Operationen statt, wie Kliniksprecher Ingo Hartel auf Anfrage mitteilt. Orthopädische Eingriffe seien davon genauso betroffen wie gynäkologische oder Operation der Hals-Nasen-Ohren Abteilung. Auch nicht dringliche internistische Behandlungen würden aktuell verschoben. Die 20 Millionen aus dem Bremen-Fonds für aufgeschobene Operationen betragen nach Schätzung des Diako rund 90 Prozent der bis zum 30. September geltenden Ausgleichszahlungen. „Damit können wir wirtschaftlich umgehen“, begrüßt Hartel den Beschluss des Senats.
Wie auch die Regelung des Bundes ist die Bremer Ausgleichszahlung bis Ende Januar befristet. „Wir gehen derzeit davon aus, dass der Bund seine Bestimmungen verlängert. Das würden wir dann ebenso tun“, sagt Fuhrmann. Damit kommen für 2021 weitere Bedarfe auf den Bremen-Fonds zu. Aber auch im laufenden Jahr sind weitere Lücken zu erwarten. Die bis 30. September geleisteten Zahlungen des Bundes reichen laut Gesundheitsressort nicht aus, alle zusätzlich durch Corona entstandenen Aufwendungen der Krankenhäuser zu decken. „Die exakte und krankenhausbezogene Ermittlung dieser wirtschaftlichen Auswirkungen kann erst festgestellt werden, wenn die Erlösbudgets und Jahresabschlussberichte vorliegen“, heißt es dazu in der Beschlussvorlage. Erste Schätzungen gehen von bis zu 48 Millionen Euro aus, zusätzlich zu den jetzt bereit gestellten 20 Millionen Euro.
Vier Millionen Euro Rückforderung vom Bund möglich
Rund 90 Millionen Euro hat das Land aus Bundesmitteln bis 30. September als Ausgleichszahlungen für freigehaltene Betten aufgrund der Corona-Pandemie an die Krankenhäuser in Bremen und Bremerhaven weitergeleitet. Davon könnte der Bund demnächst gut vier Millionen zurückfordern. Der Grund: Bremen hat eigenmächtig die Bemessungsgrundlage für vier Krankenhäuser zu deren Gunsten verändert. Das betraf das Rote Kreuz Krankenhaus, die Paracelsus-Klinik, das Diako sowie das Klinikum Bremerhaven Reinkenheide.
Der Bund hatte bei der Berechnung seiner Ausgleichszahlungen als Referenzwert für die übliche Auslastung der Häuser, pauschal die jeweils durchschnittlich belegte Zahl der Betten von 2019 angesetzt. In den vier genannten Häusern war 2020 aber die Zahl der verfügbaren Betten durch Umstrukturierungen und Erweiterungen gestiegen. Das heißt, die wegen Corona zusätzlich freigehaltenen Betten wären in Relation zur Bettenzahl 2019 nach Bewertung der Träger und des Landes zu wenig berücksichtigt worden. Das Land hat deswegen im April diesen Jahres die Referenzwerte angepasst.
Das allerdings sah das Bundesgesetz nicht vor. Zahlungen auf dieser Grundlage bewertet der Bund darum als rechtswidrig, unabhängig von allen sachlichen Gründen für diese Entscheidung, die Bremen und auch andere Länder in Absprache mit den Kranken- und Ersatzkassen getroffen haben. Für eine Rückforderung direkt von den Krankenhäusern fehlt die Rechtsgrundlage. Für die Praxis wird das vermutlich bedeuten: Der Betrag wird jetzt wohl aus dem Bremen-Fonds ausgeglichen, sobald der Bund seine Forderung endgültig auf den Tisch bringt.