Pressemitteilung | Ambulante spezialfachärztliche Versorgung

G-BA öffnet ASV für Patientinnen und Patienten mit Kopf- oder Halstumoren und neuromuskulären Erkrankungen

Berlin, 17. Dezember 2020 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat für zwei weitere Erkrankungen die Anforderungen an eine ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) konkretisiert. Zum einen können das spezielle Behandlungsangebot der ASV künftig auch Patientinnen und Patienten in Anspruch nehmen, die an Kopf- oder Halstumoren erkrankt sind. Zum anderen umfasst die ASV nun auch Angebote für Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen. Damit können nun bereits 16 sehr komplexe oder seltene Erkrankungen spezialfachärztlich behandelt werden. Mit seinen heutigen Beschlüssen legt der G-BA insbesondere fest, wie das interdisziplinäre ASV-Team zusammengesetzt sein muss, welche qualitätssichernden Maßnahmen gelten und welche genauen Leistungen in diesem besonderen, sektorenübergreifenden Behandlungsangebot erbracht werden können. ASV-Teams können mit Inkrafttreten der Beschlüsse den zuständigen erweiterten Landesausschüssen ihre Teilnahme an der ASV anzeigen.

Außerdem hat der G-BA die ASV-Themen für das kommende Jahr priorisiert. Er beschloss, als nächste Anlagen der ASV-Richtlinie die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) sowie die Tumoren des Gehirns und der peripheren Nerven zu beraten. Die Beratungen sollen 2021 auch gleich jeweils in einen Beschluss münden.

„Ich bin sehr froh, dass wir nun auch Patientinnen und Patienten mit Kopf- oder Halstumoren eine spezialisierte und interdisziplinäre Versorgung anbieten können: Nicht nur an Kliniken, sondern auch ambulant“, so Prof. Elisabeth Pott, unparteiisches Mitglied im G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses ASV. „Auch die ASV-Leistungen für Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen werden den Betroffenen sicherlich helfen. Gerade weil Muskelerkrankungen so selten sind und in ihrer Folge zu massiven Organschädigungen führen, ist hier ein interdisziplinäres Angebot wichtig.“ Mit dem Blick auf das kommende Jahr ergänzte Prof.  Pott: „Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen brauchen eine gezielte Betreuung, denn in den allermeisten Fällen gibt es für sie keine Heilung. In Deutschland leiden schätzungsweise bis zu 470.000 Menschen an CED. Ein interdisziplinäres Betreuungsteam kann ihnen helfen, Beschwerden zu lindern sowie einen komplizierten Verlauf oder lebensbedrohliche Komplikationen zu verhindern. Daher ist es richtig, dass der G-BA im nächsten Jahr über eine Aufnahme der CED in die ASV berät. Als zweites Thema wollen wir die ASV für Patientinnen und Patienten mit Hirntumoren ermöglichen. Bei einer Krebserkrankung müssen verschiedene medizinische sowie pflegerische Spezialisten Hand in Hand zusammenarbeiten. Sie ist also geradewegs prädestiniert für die ASV. Zumal wenn man sich vergegenwärtigt, dass in Deutschland ca. 7.700 Menschen pro Jahr an einem Hirntumor erkranken.“

Anforderungen an die jeweiligen Kernteams

Im ASV-Kernteam zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Kopf- oder Halstumoren müssen Fachärztinnen und -ärzte für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie sowie Strahlentherapie vertreten sein. Die Teamleitung kann eine Fachärztin oder ein Facharzt aus jeder der benannten Fachrichtungen übernehmen. Bei Tumoren der Schilddrüse oder der Nebenschilddrüse ergänzen zusätzlich Fachärztinnen und Fachärzte für Viszeralchirurgie und Nuklearmedizin sowie Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie das Kernteam.

Im ASV-Kernteam zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen müssen Fachärztinnen und -ärzte für Innere Medizin und Kardiologie, Innere Medizin und Pneumologie sowie Neurologie vertreten sein. Die Teamleitung übernimmt eine Fachärztin oder ein Facharzt für Neurologie. Sofern Kinder und Jugendliche behandelt werden, gelten weitere Bestimmungen.

Übergangsregelung

Die Erkrankungen an Kopf- oder Halstumoren sowie neuromuskuläre Erkrankungen gehören zu denjenigen, für die der G-BA bereits eine Anlage in der Richtlinie über die ambulante Behandlung im Krankenhaus (ABK-RL) erarbeitet hatte. Diese Regelungen waren Ausgangspunkt für die Beratung der nun beschlossenen ASV-Regelungen. Mit Inkrafttreten der neuen ASV-Regelungen beginnt die Übergangsfrist für die nach den Bestimmungen der ABK-RL bestehenden Teams für Kopf- oder Halstumoren. Die bereits erteilten Bescheide für eine ambulante Behandlung im Krankenhaus enden ohne eine explizite Aufhebung der Landesbehörden spätestens drei Jahre, nachdem der Beschluss des G-BA für die jeweilige Erkrankung in Kraft getreten ist.

Die Beschlüsse treten nach Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Hintergrund: Ambulante spezialfachärztliche Versorgung

Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) ist ein Angebot für Patientinnen und Patienten mit bestimmten seltenen oder komplexen, schwer therapierbaren Erkrankungen. Gesetzliche Grundlage ist § 116b SGB V. Spezialisierte Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen arbeiten in einem Team zusammen. Sie koordinieren Diagnostik und Behandlung. Die ASV kann sowohl von Krankenhäusern als auch von niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten als ambulante, koordinierte Leistung angeboten werden. Bei onkologischen Erkrankungen ist die sektorenübergreifende Kooperation verpflichtend.

Beteiligte Ärztinnen und Ärzte müssen bestimmte fachliche Voraussetzungen erfüllen, um Teil eines ASV-Teams zu werden. Zudem gelten bestimmte Anforderungen an die apparative Ausstattung und die Koordination der Zusammenarbeit. Die generellen Vorgaben, die Ärztinnen und Ärzte erfüllen müssen, um an der ASV teilnehmen zu können, sowie den Zugang der Patientinnen und Patienten zu diesem Versorgungsbereich regelt der G-BA in seiner Richtlinie ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV-RL).

In ihren Anlagen werden die jeweils einbezogenen Erkrankungen anhand von ICD-Codes definiert. Zudem wird der Behandlungsumfang in sogenannten Appendizes festgelegt, die jeweils in zwei Bereiche unterteilt sind:

  • Im Abschnitt 1 werden die Leistungen, die im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) enthalten sind, mit den entsprechenden Gebührenordnungspositionen (GOP) benannt und den Facharztgruppen zugeordnet, die diese abrechnen dürfen.
  • Im Abschnitt 2 sind neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aufgeführt, die zum Behandlungsumfang der ASV zählen und die bislang nicht im EBM enthalten sind.

Nach Inkrafttreten einer ASV-Indikation soll der Ergänzte Bewertungsausschuss alle definierten Abschnitt-2-Leistungen in die EBM-Kapitel 50 bzw. 51 für die ASV übertragen. Dafür hat das Gremium, in dem Vertreterinnen und Vertreter von Krankenhäusern, Ärzteschaft und Krankenkassen zusammenarbeiten, 6 Monate Zeit. Der G-BA prüft jährlich den durch die regelmäßige Aktualisierung des EBM erforderlichen Anpassungsbedarf der Appendizes.

Für Ärztinnen und Ärzte, die eine ASV anbieten wollen, stellt die ASV-Servicestelle, eine gemeinsame Einrichtung des GKV-Spitzenverbands, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die wesentlichen Informationen – auch zu Abrechnungsfragen – zur Verfügung.

Patientinnen und Patienten, die an einer Behandlung durch ein ASV-Team interessiert sind, finden auf der Website der ASV-Servicestelle ein Verzeichnis der berechtigten ASV-Teams.


Beschlüsse zu dieser Pressemitteilung