S 13 KR 773/18

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 773/18
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 19.12.2018 wird aufgehoben, soweit dadurch festgestellt worden ist, dass die Voraussetzungen für die Erbringung der Leistung "Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas" zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfüllt sind. Es wird festgestellt, dass die Erbringung und Abrechnung von komplexen Eingriffen am Organsystem Pankreas durch die Klägerin im Jahr 2019 nicht gegen die Mindestmengenregelungen nach § 136b Abs. 1 Satz 1 SGB V verstoßen haben. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagten. Der Streitwert wird auf 317.305,94 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin, im Kalenderjahr 2019 die unter die Mindestmengenregelung fallende Leistung "Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas" erbringen und abrechnen zu dürfen. Die Klägerin ist Trägerin eines zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zugelassenen Krankenhauses. Für die Kalenderjahre 2016 und 2017 war die Klägerin berechtigt, Leistungen nach der Anlage 1 Nr. 4 ("Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas") der Mindestmengenregelungen (Mm-R) des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu erbringen, zuletzt für die Kalenderjahre 2017 und 2018 (auch) nach der Anlage 1 Nr. 8 ("Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von ( 1.250g"). Mit Schreiben vom 19.11.2018 forderten die Beklagten die Klägerin auf darzulegen, dass die erforderlich Mindestmenge aufgrund berechtigter mengenmäßiger Erwartung im Kalenderjahr 2019 voraussichtlich erreicht bzw. für bislang nicht erbrachte Leistungen ein Ausnahmetatbestand geltend gemacht wird. Dazu sollten die Ist-Daten des Kalenderjahres 2017 sowie des zweiten Erfassungszeitraums (01.07.2017 bis 30.06.2018) gemeldet werden. Mit Schreiben vom 26.11.2018 gab die Beklagte ihre "Prognose zur Erbringung von mindestmengenrelevanten Leistungen im Jahr 2019" für die Leistungsbereiche "Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von ( 1.250g" und "Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas" ab. Zu dem letztgenannten Leistungsbereich teilte die Klägerin mit, sie habe seit 2011 komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas in folgender Zahl durchgeführt: 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 ab 1.10. 17 16 17 3 8 10 2 2

Dazu erklärte die Klägerin, in den Jahren 2011 bis 2013 seien im Bereich Pankreas die Mindestmenge von 10 Eingriffen unter dem Chefarzt Dr. S. deutlich überschritten worden. Durch den Weggang von Dr. S. und Oberarzt Dr. C. im April 2014 hätten zwei renommierte Ärzte in der Pankreaschirurgie, denen im Umfeld eine maßgebliche Bedeutung seitens der niedergelassenen Ärzten zugekommen sei, das T. N.-Hospital verlassen. Durch die entstandene Lücke bis zur Neueinstellung von Dr. X. als Chefarzt zum 01.11.2014 sei die Mindestmenge in den Jahren 2014 und 2015 nicht erreicht worden. Im Jahr 2016 habe Dr. X. die Mindestmenge von 10 Eingriffen wieder erreichen können. Trennungsüberlegungen im Jahr 2017 hätten Dr. X. jedoch veranlasst, im Februar 2018 zu kündigen und zum 30.09.2018 aus dem T. N.-Hospital auszuscheiden. In 2017 sei im Januar und November jeweils eine Leistung erbracht worden. Zum 01.10.2018 sei Dr. T. T. als Chefarzt der Abteilung Viszeralchirurgie in das T. N.-Hospital eingetreten, zum 01.01.2019 werde das Team um einen Oberarzt für Viszeralchirurgie erweitert werden. Dr. T. sei von 2005 bis 2009 in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie (Prof. Dr. K.) der Universitätsklinik N. als Facharzt und Oberarzt tätig gewesen. Danach sei er in die Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Universitätsklinik C. (Prof. Dr. X.), Standort des S. University Comprehensive Cancer Center, gewechselt, wo er von 2009 bis 2018 als Oberarzt tätig gewesen sei und sich schwerpunktmäßig mit der Versorgung von onkologisch erkrankten Patienten beschäftigt habe. ln dieser Klinik würden u.a. auch Pankreastransplantationen durchgeführt. Laut OP-Katalog habe Dr. T. 162 Pankreasoperationen selbstständig durchgeführt, davon 41 Pankreasschwanzresektionen. Dr. T. habe auch 38 Ösophagus-Resektionen und 76 Leberteilresektionen selbstständig durchgeführt. Nach dem Eintritt von Dr. T. in das T. N.-Hospital seien in der Zeit vom 01.10. bis zum 13.11.2018 bereits zwei Eingriffe am Pankreas durchgeführt worden. Das T. N.-Hospital verfüge im Bereich Gastroenterologie über eine große stationäre und ambulante Endoskopie-Abteilung; in dieser würden jährlich ca. 7.000 Spiegelungen mit steigender Tendenz erbracht, davon ca. 420 Endo-Sonographien und ca. 130 ERCPs, bei denen der Befund zur OP am Pankreas regelmäßig gestellt werde. Die Operationen seien bisher nicht im T. N.- Hospital erfolgt. Dies seien nach Einschätzung des Chefarztes Dr. I. ca. 10 bis 11 Patienten nach Erstdiagnose gewesen. Hinzu kämen noch Patienten, die von den Hausärzten direkt an ein anderes Krankenhaus verwiesen worden sei-en. Zusätzlich ergäben sich in der Radiologie des St. Marien-Hospitals und im radiologi-schen MVZ am T. N.-Hospital bei den bildgebenden Verfahren wie CT und MRT regelmäßig Befunde am Pankreas, die bisher nicht im T. N.-Hospital weiterbehandelt worden seien. Das T. N.-Hospital verfüge über ein großes onkologisches MVZ mit zwei KV-Sitzen. Im MVZ würden regelmäßig Patienten mit Pankreaskarzinom behandelt (in 2017 ca. 26 Patienten). Dabei ergäben sich für den stationären chirurgischen Bereich regelmäßig Einweisungen zur OP nach neoadjuvanter Vorbehandlung bzw. bei Rezidiv im Rahmen der Nachsorge. Dies seien im Jahr 2018 bisher nachweislich 8 Patienten gewesen. Unter Berücksichtigung all dieser Daten sei eine Prognose für 2019 mit 10 Eingriffen am Pankreas sicherlich nicht zu hoch gegriffen. Dr. T. habe sich mit seiner sehr großen Expertise in diesem Bereich das Vertrauen der Zuweiser aus den Abteilungen Gastroenterologie und MVZ erworben. Somit bestehe die Möglichkeit, E. Patienten von der Diagnostik, dem operativen Eingriff bis zur ambulanten onkologischen Therapie wohnortnah in hoher Qualität und in bekannten Strukturen zu versorgen. Auf Nachfrage der Beklagten zu den Eingriffen in 2017 teilte die Klägerin am 10.12.2018 ergänzend mit, sie habe aufgrund der Mindestmenge in 2016 (10 Eingriffe) für 2017 eine positive Prognose gehabt; insofern habe Dr. X. die zwei Eingriffe in 2017 vorgenommen; in 2018 habe er bis zu seinem Austritt am 30.09.2018 keinen Eingriff mehr vorgenommen. Durch Bescheid vom 19.12.2019 erkannten die Beklagten die Berechtigung der Klägerin zur Erbringung und Abrechnung von Leistungen für "Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht ( 1.250g" entsprechend der Anlage der Mm-R des G-BA für das Jahr 2019 an. Dagegen stellten sie in Bezug auf die Leistung "Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas" fest, dass "die Voraussetzungen zur Gewährung eines Ausnahmetatbestandes gemäß § 7 Mm-R nicht vorliegen"; zugleich wurde die Klägerin aufgefordert, "die nicht abgestimmte Leistungserbringung im Bereich komplexer Eingriffe am Organsystem Pankreas einzustellen. Eventuelle Rückforderungen bereits erbrachter und nicht zulässiger Leistungen behalten sich die Kostenträger vor". Zur Begründung verwies die Beklagten auf § 136b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und meinte, nach dieser Vorschrift bestehe für Leistungen, die der Mindestmengenregelung unterliegen, ein grundsätzliches Leistungserbringungs- und Vergütungsverbot, es sei denn, die Zulässigkeit sei gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen nachgewiesen worden. Dies geschehe durch entsprechende jährliche Darlegung der Prognose (§ 136b Abs. 4 SGB V). Zur Abfederung unbilliger Härten sei der G-BA vom Gesetzgeber beauftragt worden, in den Mindestmengenregelungen Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen vorzusehen. Dies sei bei der Abfassung der alten als auch der aktuellen Mindestmengenregelung umgesetzt worden. Die Schreiben vom 26.11.2018 und 10.12.2018 hätten die Verbände der Kostenträger als Antrag auf Gewährung eines Ausnahmetatbestandes gemäß § 6 Mm-R gewertet. Nach dieser Regelung bestehe nur dann kein Leistungserbringungsverbot und kein Vergütungsausschluss, wenn komplexe Eingriffe entweder erstmalig oder nach einer mindestens 24-monatigen Unterbrechung (abgesehen von Notfällen) erneut erbracht werden sollen. Im Kalenderjahr 2017 sei ausschließlich für den Bereich Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht ( 1.250g eine Prognose vorgelegt worden. Daher bestehe für den Leistungsbereich komplexer Eingriffe am Organsystem Pankreas vom 01.01.2018 bis 31.12.2018 keine Leistungsberechtigung. Infolgedessen sei im vorliegenden Sachverhalt lediglich die Frage der Berechtigung zur erneuten Erbringung gemäß § 7 Mm-R zu prüfen. Ab dem 01.10.2018 seien zwei elektive Eingriffe am Organsystem Pankreas erbracht worden. Sofern also der letzte Eingriff im November 2018 stattgefunden habe, könne nach einer mindestens 24-monatigen Leistungseinstellung im Bereich komplexer Eingriffe am Organsystem Pankreas frühestens zum 01.11.2020 der Ausnahmetatbestand wegen Wiederaufnahme geltend gemacht werden. Vollständigkeitshalber wiesen die Beklagten darauf hin, dass ein Ausnahmetatbestand wegen hoher Qualität im Sinne des § 136b Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht berücksichtigungsfähig sei, da der G-BA bislang hierzu keine Qualitätsanforderungen und Bewertungskriterien festgelegt habe. Dagegen hat die Klägerin am 20.12.2018 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, es fehle an einer nach § 136b Abs. 4 SGB V vorgeschriebenen gemeinsamen Entscheidung aller Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen nach gemeinsamer Entscheidungsfindung; von den sieben in Nordrhein-Westfalen existierenden Landesverbänden sei die B. O. an der Entscheidung vom 19.12.2018 nicht beteiligt gewesen. In der Sache sei die angefochtene Entscheidung rechtswidrig, weil die Prognose der Klägerin nicht widerlegt worden sei; der Bescheid enthalte überhaupt keine – erst recht keine begründete – Widerlegung der Prognose. Allein darauf beschränke sich die Entscheidungsbefugnis. Die Beklagten hätten keine Befugnis, über das Vorliegen von Ausnahmetatbeständen zu entscheiden. Ausnahmetatbestände nach den Mm-R bedürften weder einer konstitutiven Vereinbarung mit den Landesverbänden noch einer positiven Bescheidung durch diese. § 136b SGB V beinhalte auch kein (ungeschriebenes) Genehmigungserfordernis im Sinne einer positiven Feststellung der abgegeben Prognose. Die Klägerin meint sodann, der Ausnahmetatbestand einer "personellen Neuausrichtung" im Sinne der Nr. 4 der Anlage 2 zu den Mm-R (a.F.) sei erfüllt. Zwar seien die Ausnahmetatbestände nach der Anlage 2 der Mm-R ab 01.01.2018 entfallen und habe die Tätigkeit von Dr. T. als neuer Chefarzt und Operateur ab 01.10.2018 und die damit verbundene personelle Neuausrichtung nicht den früheren Ausnahmetatbestand nach Anlage 2 Nr. 4 der Mm-R (a.F.) ausgelöst; insofern finde die Übergangsregelung des § 10 Abs. 3 Mm-R (n.F.) keine Anwendung. Jedoch müsse es aus Gründen des Vertrauensschutzes und zur Vermeidung unbilliger Härten und verfassungswidriger Eingriffe weiter Ausnahmetatbestände geben. Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe eine positive Prognose bezüglich des Erreichens der Mindestmenge im Jahr 2019 dargelegt. Eine berechtigte mengenmäßige Erwartung liege in der Regel vor, wenn das Krankenhaus im vorausgegangenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge erreicht habe. Die Erfüllung der Mindestmenge im Vorjahr liefere somit regelhaft, aber nicht allein die Begründung für eine positive Prognose. Eine berechtigte mengenmäßige Erwartung könne sich auch aus anderen Umständen ergeben. Ihre Leistungszahlen in der Vergangenheit belegten, dass in der Region ein hoher Bedarf an komplexen Eingriffen am Organsystem Pankreas bestehe. Dieser Bedarf habe in der Vergangenheit dazu geführt, dass sie die erforderliche Mindestmenge deutlich übererfüllt habe. Allein die personellen Veränderungen im ihrem Krankenhaus hätten vorübergehend dazu geführt, dass dieser Bedarf in geringerem Maße als zuvor durch sie gedeckt worden sei. Mit der Tätigkeit von Dr. T. als ebenso renommierter wie erfahrener Operateur sei der Grund für den Fallzahlrückgang in der Vergangenheit fortgefallen. Daher sei zu erwarten (gewesen), dass zukünftig wieder ein deutlich höherer Anteil der in der eigenen Gastroenterologie und dem eng verbundenen onkologischen und radiologischen MVZ behandelten Patienten mit Indikation für einen komplexen Eingriffe am Organsystem Pankreas im Krankenhaus der Klägerin behandelt werden. Die Klägerin verweist darauf, dass nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Mm-R (n.F.) die voraussichtliche Leistungsentwicklung unter anderem unter Berücksichtigung "personeller Veränderungen" (Nr. 3) zu begründen sei, wobei auch andere als die in § 4 Abs. 2 Satz 2 Mm-R genannten Umstände herangezogen werden könnten (§ 4 Abs. 2 Satz 3 Mm-R). Der frühere Ausnahmetatbestand "personeller Neuausrichtung" sei somit in die Regelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Mm-R überführt worden, wobei der Begriff "personelle Veränderung" weiter gefasst sei als der früheren Begriff "personelle Neuausrichtung". § 4 Abs. 3 Mm-R regele, dass personelle, strukturelle und gegebenenfalls weitere Veränderungen, die das Erreichen der Mindestmenge in den in Absatz 2 Nummern 1 und 2 genannten Zeiträumen verhindert hätten, kein weiteres Mal in Folge als alleiniger Umstand zur Begründung der Prognose herangezogen werden könnten. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass diese Umstände – also insbesondere auch eine personelle Veränderung – grundsätzlich schon für sich genommen ("alleinig") eine positive Prognose begründen (könnten). Die Ablösung von Dr. X. durch Dr. T. habe sowohl die Rolle als Chefarzt der Viszeralchirurgie als auch die Funktion als behandelnder Arzt betroffen. Ein "Mehr" an personeller Veränderung sei kaum denkbar. Zudem sei ein weiterer Oberarzt und Behandler hinzugekommen. Es habe somit eine personelle Veränderung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Mm-R vorgelegen, die gemäß § 4 Abs. 3 Mm-R eine positive Prognose begründet habe. Allerdings fänden – so die Klägerin – die Regelungen des § 4 Abs. 2 und 3 Mm-R gemäß § 10 Abs. 1 Mm-R für die Darlegung der Prognose noch nicht im Jahr 2018 Anwendung. Die Klägerin zieht daraus den Schluss, dass der frühere Ausnahmetatbestand "personellen Neuausrichtung" für die personelle Veränderung im Jahr 2018 nicht mehr gelte, ohne dass der neue § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Mm-R bereits Anwendung finde; sie meint, für den betroffenen Zeitraum fehle somit eine Regelung, die trotz einer durch eine personelle Veränderung verursachten vorübergehenden Unterschreitung der Mindestmenge zu einer Leistungsberechtigung führe und dadurch eine unbillige Härte vermeide. Es liege somit eine planwidrige Regelungslücke vor, die durch Analogie oder verfassungskonforme Auslegung zu schließen sei. Dies könne durch eine Anwendung von § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Mm-R auf den vorliegenden Sachverhalt geschehen. Alternativ könnten die zukünftig gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 Mm-R bei der Beurteilung der Prognose zwingend zu berücksichtigenden Umständen auch schon als relevante Umstände bei der Beurteilung der berechtigten mengenmäßigen Erwartung im Sinne des § 136b Abs. 4 Satz 3 SGB V Berücksichtigung finden. Nur so lasse sich das gesetzgeberisch gewollte und von Verfassung wegen gebotene Ziel, unbillige Härten zu vermeiden, verwirklichen. Die Klägerin hat zuletzt mitgeteilt, dass sie im Jahr 2019 zwölf mindestmengenrelevante Pankreas-Eingriffe erbracht habe, die mit einem Umsatz von 317.305,94 EUR verbunden gewesen seien. Die Klägerin beantragt, 1. den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2018 aufzuheben, soweit dadurch festgestellt worden ist, dass die Voraussetzungen für die Erbringung der Leistung "Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas" zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht erfüllt sind, 2. festzustellen, dass die Erbringung und Abrechnung von komplexen Eingriffen am Organsystem Pankreas durch die Klägerin im Jahr 2019 nicht gegen die Mindestmengenregelungen nach § 136b Abs. 1 Satz 1 SGB V verstoßen haben, hilfsweise, die Beklagten zu verpflichten, die Erbringung und Abrechnung der Leistung "Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas" im Jahr 2019 zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung zu genehmigen. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Sie meinen, die B. O. sei an dem Verwaltungsakt vom 19.12.2018 nicht zu beteiligen gewesen. In der Sache hätten sie die Prognose der Klägerin widerlegt, und zwar zurecht. Ein Ausnahmetatbestand "personelle Neuausrichtung" habe nicht bestanden; die insoweit einschlägige Bestimmung in der Anlage 2 der früheren Mm-R sei in Bezug auf die hier vorzunehmende Prüfung für das Jahr 2019 nicht mehr in Kraft gewesen. Die Beklagten sind der Auffassung, ein Krankenhaus dürfe bei Unterschreiten der Mindestmengen die Leistung nicht erbringen und habe für den Fall, dass es die Leistungen dennoch erbringe, keinen Vergütungsanspruch. Bei Unterschreiten der Mindestmenge bestehe ein Leistungserbringungsverbot; ein solches Verbot könne nur mit einer ausdrücklichen Erlaubnis zur Leistungserbringung aufgehoben werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den von der Beklagten zu 4. vorgelegten Verwaltungsunterlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist statthaft und zulässig. Statthafte Klageart für das Begehren der Klägerin ist die (kombinierte) Anfechtungs- und Feststellungsklage. Ihr Ziel ist nicht nur die Aufhebung der Entscheidung der Beklagten in der Hauptsache. Vielmehr will sie den Rechtsgrund für das "Behaltendürfen" – hier: das Erbringen und Abrechnen komplexer Eingriffe am Organsystem Pankreas – feststel-len lassen (BSG, Urteil vom 13.12.2016 – B 1 KR 10/16 R; Urteil vom 16.12.2014 – B 1 KR 31/13 R; Urteil vom 08.08.2019 – B 3 KR 16/18 R). Der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf es, weil die Entscheidung ein belastender Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16.06.2020 – L 16 KR 64/20; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.03.2020 – L 9 KR 389/19 B ER – und vom 22.08.2019 – L 1 KR 196/19 B ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 25.07.2019 – L 4 KR 117/19 B ER). Es handelt sich um eine Entscheidung im Sinne von § 136b Abs. 4 S. 7 SGB V, gegen die der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist; ein Vorverfahren findet nicht statt (§ 136b Abs. 4 S. 8 SGB V). Die darüber hinaus erhobene, mit der Anfechtungsklage kombinierte Feststellungsklage ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig, weil die Klägerin die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt und ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Zwar bedürfte es nach Auffassung der Kammer neben der Anfechtungsklage eigentlich keiner darüber hinausgehenden Feststellungsklage; denn im Falle des Erfolges der Anfechtungsklage ist der bewirkte Rechtszustand bereits hinreichend klar: Die Leistungen dürfen erbracht werden (so ausdrücklich: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.03.2020 – L 9 KR 389/19 B ER). Bis zur rechtskräftigen Entscheidung hat eine Anfechtungsklage gegen Widerlegungsentscheidungen kraft Gesetzes gem. § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.03.2020 – L 9 KR 389/19 B ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 25.07.2019 – L 4 KR 117/19 B ER); ein Fall gem. § 86a Abs. 2 SGG, in dem die aufschiebende Wirkung entfällt, liegt nicht vor. Dass eine Anfechtungsklage gegen Widerlegungsentscheidungen aufschiebende Wirkung hat, wird auch dadurch bestätigt, dass ausweislich des Referentenentwurfs eines "Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung" in einem § 136b Abs. 4 Satz 10 SGB V geregelt werden soll, dass Klagen gegen Entscheidungen nach Satz 6 "ab der Prognose für das Jahr 2023" keine aufschiebende Wirkung haben. In der Begründung des Referentenentwurfs heißt es, die aufschiebende Wirkung sei sachgerecht, "da Krankenhäuser derzeit während eines laufenden Klageverfahrens weiter Leis-tungen erbringen können, da bislang durch Einlegung der Klage die Prognose des Krankenhausträgers wiederauflebt, auch wenn später die Klage rechtskräftig gerichtlich abgewiesen wird". Da aber die Beklagten in Kenntnis dieser Rechtsprechung und Gesetzeslage weiterhin und ausdrücklich den Standpunkt vertreten, dass ein eventuelles Leistungserbringungs- und Abrechnungsverbot nicht schon aufgrund der mit der Anfechtungsklage verbundenen aufschiebenden Wirkung entfällt, sondern nur mit ihrer ausdrücklicher Erlaubnis/Genehmigung zur Leistungserbringung aufgehoben werden könne, ist der Feststellungsantrag zu 2. statthaft. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin wird durch den Bescheid vom 19.12.2018 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, da dieser rechtswidrig ist. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 136b Abs. 4 S. 6 SGB V i.V.m. der vom G-BA aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung in § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V beschlossenen Mm-R. Nach § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V fasst der G-BA für zugelassene Krankenhäuser grundsätzlich einheitlich für alle Patientinnen und Patienten Beschlüsse über einen Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, sowie Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses und Ausnahmetatbestände. Das Verfahren zur Feststellung des Erreichens der jeweiligen Mindestmengen beschreibt § 136b Abs. 4 S. 1 bis 6 SGB V: Wenn die nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird, dürfen entsprechende Leistungen nicht bewirkt werden. Einem Krankenhaus, das die Leistungen dennoch bewirkt, steht kein Vergütungsanspruch zu. Für die Zulässigkeit der Leistungserbringung muss der Krankenhausträger gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen jährlich darlegen, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird (Prognose). Eine berechtigte mengenmäßige Erwartung liegt in der Regel vor, wenn das Krankenhaus im vorausgegangenen Kalenderjahr die maßgebliche Mindestmenge je Arzt oder Standort eines Krankenhauses oder je Arzt und Standort eines Krankenhauses erreicht hat. Der G-BA regelt im Beschluss nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 das Nähere zur Darlegung der Prognose. Dem ist der G-BA durch die Mindestmengenregelung (Mm-R) nachgekommen. Die Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen können bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose widerlegen. Zum Zeitpunkt der im Jahr 2018 von der Klägerin für das Kalenderjahr 2019 abzugebenden Prognose galt die Mm-R in der Fassung des Beschlusses des G-BA vom 17.11.2018 (BAnz AT 28.12.2017 B5), in Kraft getreten am 01.01.2018, in Bezug auf § 10 Abs. 2 geändert durch Beschluss des G-BA vom 17.05.2018 (BAnz AT 07.06.2018 B3), in Kraft getreten am 08.06.2018 (im Folgenden: Mm-R 2018). Die §§ 4 und 5 Mm-R 2018 beschreiben die spezifizierenden Vorgaben für die darzulegende Prognose; die §§ 6 und 7 der Mm-R 2018 regeln Ausnahmetatbestände; § 10 Mm-R 2018 enthält Übergangsbestimmungen bei Inkrafttreten. Nach § 10 Abs. 1 Mm-R 2018 gelten für die Darlegung der Prognose im Jahr 2018 (für 2019) die gesetzlichen Vorschriften zunächst noch ohne die spezifizierenden Vorgaben der §§ 4 und 5 weiter (Satz 1). Diese Regelungen finden erst für die Darlegung der Prognose ab 2019 (für 2020) Anwendung (Satz 2). Da es im vorliegenden Fall um die Darlegung der Prognose im Jahr 2018 für das Folgejahr 2019 geht, findet die Übergangsbestimmung des § 10 Abs. 1 S. 1 Mm-R 2018 Anwendung mit der Folge, dass auf die Prognosedarlegung die Bestimmun-gen der §§ 4 und 5 Mm-R 2018 keine Anwendung finden. Insbesondere hatte die Klägerin bei der Darlegung der Prognose nicht die Vorgaben des § 4 Abs. 2 S. 2 und 3 Mm-R 2018 ("Die voraussichtliche Leistungsentwicklung nach Absatz 1 ist vom Krankenhausträger unter Berücksichtigung, 1. der Leistungsmenge gemäß § 3 Absatz 1 des vorausge-gangenen Kalenderjahres, 2. der Leistungsmenge gemäß § 3 Absatz 1 in den letzten zwei Quartalen des vorausgegangenen Kalenderjahres und den ersten zwei Quartalen des laufenden Kalenderjahres, 3. personeller Veränderungen und 4. struktureller Veränderungen zu begründen. Der Krankenhausträger kann weitere Umstände zur Begründung der berechtigten mengenmäßigen Erwartung heranziehen.") und des § 5 Mm-R 2018 betreffend die Form und Frist ("bis 15. Juli des laufenden Kalenderjahres") der Darlegung der Prognose, einzuhalten, weshalb die erst am 26.11.2018 auf Anforderung der Beklagten vom 19.11.2018 abgegebene Prognose nicht verspätet ist. Sind aber die spezifizierenden Vorgaben der §§ 4 und 5 Mm-R 2018 nicht einzuhalten, so finden – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch die §§ 6 und 7 Mm-R 2018 keine Anwendung. Die Rechtsfolge des § 6 und sukzessive des § 7 Mm-R 2018 setzt voraus, dass "das Krankenhaus nach § 4 nicht zur Leistungserbringung berechtigt" ist. Das wiederum setzt voraus, dass § 4 zur Anwendung kommt und wegen Nichterfüllung der dortigen spezifizierenden Vorgaben das Krankenhaus nicht zur Leistungserbringung berechtigt ist. Dies trifft aber auf die Prognose der Klägerin nicht zu, da für sie gerade die Vorgaben der §§ 4 und 5 nicht galten. Für die von der Klägerin im Jahr 2018 abzugebende Prognose fehlt es daher an einer Ausnahmetatbestandsregelung, unter die die ab November eingeleitete "personelle Veränderung" (vgl. § 4 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 Mm-R 2018) hätte subsumiert werden können. Einem Rückgriff auf die Regelung der Anlage 2 Nr. 2 der bis 31.12.2017 geltenden Mm-R, der den vergleichbaren Ausnahmetatbestand der "personellen Neuausrichtung" enthielt, steht die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Mm-R 2018 entgegen; danach bleibt eine bis zum 31. Dezember 2017 bestehende Berechtigung zur Leistungserbringung auf Grundlage von Ausnahmetatbeständen oder Übergangsfristen der Mindestmengenregelung in der Fassung vom 20. Dezember 2015, zuletzt geändert am 7. Dezember 2016 (BAnz AT 23.12.2016 B 8), unberührt. Zwar hatte die Klägerin eine bis 31.12.2017 bestehende Berechtigung zur Erbringung der Leistung "Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas" aufgrund der bis dahin geltenden Fassung der Mm-R; diese beruhte jedoch auf einem Ausnahmetatbestand, der 2014 (Neueinstellung Dr. X.) gesetzt, aber Ende 2017/Anfang 2018 (Trennungsüberlegungen/Kündigung Dr. X. wieder entfallen war. Mit der Neueinstellung von Dr. T. zum 01.10.2018 erfolgte eine personelle Neuausrichtung im Sinne der zu diesem Zeitpunkt allerdings schon außer Kraft getretenen Regelung der Anlage 2 Nr. 2 der bis 31.12.2017 geltenden Mm-R. Insofern kann sich die Klägerin auf § 10 Abs. 3 Mm-R nicht berufen. Bei wortgetreuer Anwendung der Mm-R 2018 fehlt es somit für die hier zu entscheidende Fallgestaltung einer im November 2018 begonnenen personellen Veränderung bzw. Neuausrichtung und der daraus im Jahr 2019 beabsichtigten Erfüllung der Mindestmenge im Leistungsbereich "Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas" an einer Ausnahmetatbestandsregelung. Diese – offenbar unbeabsichtigte – Lücke lässt sich mit der Vorgabe des Gesetzgebers in § 136b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V an den G-BA, in den Beschlüssen über Mindestmengenregelungen auch "Ausnahmetatbestände" zu schaffen und zu regeln, nicht in Einklang bringen. Der G-BA muss zwingend auch Ausnahmetatbestände beschließen. Diese sollen unbillige Härten vermeiden. Die Regelung dient gerade dazu, grundrechtsrelevante Erwerbsinteressen der Krankenhäuser angemessen zu schützen (BVerfG, Beschluss vom 06.10.2016 – 1 BvR 292/16 – unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung in BR-Drucks. 277/15, S. 101 f.). Die aufgezeigte – planwidrige – Lücke in den Mm-R 2018 wirkt sich auf die Prognosen im Jahre 2018 (für 2019) aus. Erst für die Prognose im Jahre 2019 (für 2020) gelten die spezifizierenden Vorgaben der §§ 4 und 5 sukzessive der §§ 6 und 7 Mm-R uneingeschränkt. Die im vorliegenden Fall bestehende Lücke ist durch eine Analogie verfassungskonform zu schließen. Die Anlage 2 Nr. 4 der Mm-R in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung räumte bei "personeller Ausrichtung bestehender Leistungsbereiche Übergangszeiträume von 24 Monaten ein. Die Klägerin hatte für die Kalenderjahre 2016 und 2017 eine Leistungsberechtigung für "Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas" (vgl. Bescheid der Beklagten zu 1., 2., 5., und 6. und Schreiben [E-Mail] der Beklagten zu 1. vom 18.12.2018 unter Verweis auf das Urteil des SG Aachen vom 06.03.2018 – S 14 KR 207/17; siehe Bl. 54 und 56 der Verwaltungsakte der Beklagten zu 4.). Grundlage der Leistungsberechtigung war die Anwendung des Ausnahmetatbestandes einer "personellen Neuausrichtung" eines bestehenden Leistungsbereichs vor dem Hintergrund des Weggangs des Chefarztes Dr. S. und des Oberarztes Dr. C. (2013) im Bereich der Pankreas-Eingriffe und die Einstellung des neuen Chefarztes zum 01.11.2014. Zwar hat sich die Erwartung, "Komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas" in der vorgeschriebene Mindestmenge (10) durchzuführen, in 2016 erfüllt, nicht jedoch in 2017 und auch nicht in 2018. Grund hierfür war eine erneute personelle Veränderung/Neuausrichtung durch die Kündigung des Chefarztes Dr. X. im Februar 2018 zum 30.09.2028 und die Einstellung des neuen Chefarztes Dr. T., der über große Erfahrung im Bereich der Pankreas-Chirurgie verfügte, zum 01.10.2018 sowie die Verstärkung des Teams durch den Oberarzt Prof. Dr. K. zum 01.01.2019. Durch diese personelle Veränderung/Neuausrichtung konnte die Klägerin die berechtigte Erwartung haben, in 2019 die vorgeschriebene Mindestmenge von 10 komplexen Eingriffen am Organsystem Pankreas wieder zu erreichen. Diese Erwartung wurde tatsächlich mit 12 Eingriffen in 2019 sogar übertroffen (auch wenn dies zum Zeitpunkt der Beurteilung der Prognose im Dezember 2018 nicht bekannt war und keine Entscheidungsgrundlage sein konnte). Die Beklagten haben die im Schreiben vom 26.11.2018 dargelegte und ausführlich begründete Prognose für 2019 nicht widerlegt. Die Kammer hält eine Schließung der aufgezeigten planwidrigen Lücke für die Prognose im Jahre 2018 im konkreten Fall und unter Berücksichtigung der besonderen personellen Umstände im Krankenhaus der Klägerin zur Vermeidung einer unbilligen Härte und eines verfassungswidrigen Eingriffs in die Berufsfreiheit dergestalt für sachgerecht, dass die Einstellung des Chefarztes Dr. T. zum 01.10.2018 mit den bereits von ihm in 2018 durchgeführten zwei komplexen Eingriffen am Organsystem Pankreas als eine (erneute) "personelle Neuausrichtung" anerkannt und dafür in analoger Anwendung der Bestimmung in der Anlage 2 Nr. 4. der Mm-R in der Fassung bis 31.12.2017 ein Übergangszeitraum von 24 Monaten, beginnend von Oktober 2018 bis September 2020 gilt. Für diesen Übergangszeitraum ist die Klägerin von der Verpflichtung, die Vorgaben des § 136b Abs. 4 SGB V in Verbindung mit den spezifizierenden Vorgaben der Mm-R 2018 einzuhalten, befreit. Für diesen Übergangszeitraum bestand keine Pflicht der Klägerin, in 2018 für 2019 die nach der jeweils maßgeblichen Mm-R beabsichtigten Eingriffe anzuzeigen und/oder eine entsprechende Prognose abzugeben. Darüber hinaus bestand (und besteht) weder nach dem Gesetz noch nach den Mm-R eine Pflicht, das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes mitzuteilen. Auch war (und ist) die Berechtigung zur Durchführung komplexer Eingriffe am Organsystem Pankreas nicht davon abhängig, dass die Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen zuvor das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes festgestellt haben. Für das Kalenderjahr 2019 bestand nach alledem kein Leistungserbringungs- und Vergütungsverbot in Bezug auf die zwölf erbrachten Pankreas-Eingriffe. Eine vorherige positive Feststellung der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen, die Leistungen erbringen zu dürfen, war und ist nicht erforderlich (LSG Niedersachse-Bremen, Urteil vom 16.06.2020 – L 16 KR 64/20; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.03.2020 – L 9 KR 389/19 B ER; SG Berlin, Urteil vom 05.03.2020 – S 56 KR 2033/19; anders noch: SG Berlin, Beschluss vom 10.05.2019 – S 182 KR 322/19 ER). Eine solche positive Entscheidung fordern weder das Gesetz noch die Mm-R. Im Gegenteil: Nach § 136b Abs. 4 Satz 1 SGB V und § 4 Abs. 1 Satz 1 Mm-R (n.F.) genügt es für die Zulässigkeit der Leistungserbringung, dass der Krankenhausträger gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen jährlich darlegt, dass die festgelegte Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird (Prognose). Da nach alledem die Feststellung der Beklagten im Bescheid vom 19.12.2018, dass die Voraussetzungen zur Gewährung eines Ausnahmetatbestandes gemäß § 7 Mm-R nicht vorliegen nicht zutreffend ist und die daraus abgeleitete Aufforderung, die nicht abgestimmte Leistungserbringung im Bereich komplexer Eingriffe am Organsystem Pankreas einzustellen, rechtswidrig ist, war der angefochtene Bescheid vom 19.12.2018 aufzuheben und – aus den oben dargelegten Gründen – festzustellen, dass die Erbringung und Abrechnung von komplexen Eingriffen am Organsystem Pankreas durch die Klägerin im Jahr 2019 nicht gegen die Mindestmengenregelungen nach § 136b Abs. 1 Satz 1 SGB V verstoßen haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, Satz 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die (wirtschaftliche) Bedeutung der Sache für die Klägerin wird durch den – inzwischen bekannten – Umsatz aus der Durchführung der zwölf komplexer Eingriffe am Organsystem Pankreas, den die Klägerin mit 317.305,94 EUR beziffert hat, abgebildet.
Rechtskraft
Aus
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