Halsschmerzen als Operationsindikation vor und nach Publikation der Tonsillitis-Leitlinie

Zusammenfassung

Hintergrund

Die Tonsillektomie (TE) zielt darauf ab, die Gaumenmandeln als Ursache von rezidivierenden akuten Tonsillitiden zu entfernen, wenn diese konservativen Maßnahmen nicht zugänglich sind. Konsentierte Leitlinienempfehlungen hierzu wurden in Deutschland im Jahr 2015 publiziert. Die vorliegende Studie zielte darauf ab, dem Effekt dieser Leitlinie auf die Indikationsstellung der TE unter Nutzung von individuellen Patientendaten nachzugehen.

Methode

Anonymisierte Abrechnungsdaten der Allgemeinen Ortskrankenkassen aus stationärer und ambulanter Behandlung sowie Arzneiverordnungsdaten der Jahre 2012–2018 wurden personenbezogen zusammengeführt und ausgewertet. Über die Operationscodierung wurden alle Tonsillektomiefälle erfasst, die wegen einer „chronischen Tonsillitis“ ausgeführt worden waren. Die ambulante Vorbehandlung wegen Halsschmerzepisoden wurde mittels der relevanten ICD-10-Diagnoseschlüssel und die Arzneiverordnungen anhand des anatomisch-therapeutisch-chemischen Systems identifiziert.

Ergebnis

Zur Auswertung waren 109.895 Krankenhausfälle geeignet, die einen Fallzahlrückgang von 50,3 % innerhalb des Beobachtungszeitraums ergab. Der kontinuierliche Rückgang erhielt einen Akzent nach 2015. Besonders stark waren davon die unter 10-Jährigen betroffen (−65,7 %). Bei etwa der Hälfte aller Tonsillektomierten fanden sich in keinem oder nur einem Quartal ambulante antibiotische Vorbehandlungen.

Schlussfolgerungen

Auf die Fallzahlentwicklung und gängige Praxis bei der Behandlung von Halsschmerzen ließ sich nur ein sehr limitierter Leitlinieneffekt nachweisen. Antibiotikaverordnungen spielen bei der Indikationsstellung der TE als Therapie von Halsschmerzen eine untergeordnete Rolle.

Abstract

Background

Tonsillectomy is a reasonable indication in the management of sore throat not responding to antibiotic treatment. This longitudinal patient-level study was conducted to estimate the impact of the German guideline for the management of tonsillitis which was published in 2015.

Methods

Data of inpatient and outpatient healthcare were retrieved from a database provided by one of the largest German health insurance companies (i.e., Allgemeine Ortskrankenkassen). Procedures for the management of chronic tonsillitis (code: J35.0) between 2012 and 2018 were identified by operation codes (5-281.0; 5‑282.0). Primary care data concerning sore throat were identified by ICD-10 codes (J02; J03; J35.0) including antibiotic prescribing by associated data of the anatomic–therapeutic–chemical classification.

Results

A total of 109,895 cases were eligible for analysis. The annual number of procedures had decreased by 50.3% within the study period. The continuous decrease was emphasized after 2015. The strongest decrease was registered in children (<10 years; −65.7%). Every second patients had received conservative treatment at the most in only one preoperative quarter.

Conclusions

The impact of the German guideline on the management of sore throat on the annual number of tonsillectomies and common medical practice was limited. Antibiotic treatment appears not to play a major role when tonsillectomy is indicated.