Aufrechnung und Ausschlussfrist

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Nach dem zum Ende dieses Jahres Überraschungen des Gesetzgebers im Krankenhausrecht ausgeblieben sind, beschäftigen die Gerichte noch die Auswirkungen der letzten Neuregelungen. So hatte die überraschende Aufnahme einer Ausschlussfrist für Rückforderungen der Krankenkassen in § 325 SGB V aF (jetzt § 412 SGB V) durch das Pflegepersonalstärkungsgesetz zur Vermeidung einer Klagewelle aufgrund des neuen Verjährungsrechts genau zu einer solchen Klagewelle geführt. Einige Krankenkassen haben sich aber auf eine Aufrechnung der behaupteten Erstattungsansprüche beschränkt, so dass die Frage zu klären war, ob dies zur Wahrung der Ausschlussfrist ausreiche bzw. ob auch eine spätere Aufrechnung bis zum 01.01.2019 noch möglich wäre.

Einige Gerichte hatten zu vertreten, dass sich § 325 SGB V aF nur auf die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche beziehe und daher der Aufrechnung auch nach dem 09.11.2018 nicht entgegenstehe (so etwa SG Marburg, Urteil vom 31.07.2020 – S 14 KR 154/19 –, a.A. SG Gelsenkirchen, Urteil vom 13.05.2020 – S 46 KR 2242/19 –). Dabei wird auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Ausschlussfrist immer noch diskutiert, von den Gerichten aber bisher bejaht (vgl. dazu SG Nürnberg, Urteil vom 08.11.2019 – S 21 KR 2172/18 -).

In einer aktuellen Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 03.11.2020 (– L 11 KR 2249/20 –) hat das Gericht ebenfalls die Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Ausschlussfrist bejaht bzgl. der Verjährungsproblematik aber eine differenzierte Auffassung vertreten. Das Gericht ging davon aus, dass aufgrund der erst zu, 01.01.2019 in Kraft getretenen Verjährungsregelung der Erstattungsanspruch noch nicht verjährt war und daher zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung die Änderung der Verjährungsvorschriften allein einer wirksamen Aufrechnung nicht entgegenstand. Dies entspräche auch der allgemeinen Regelung in § 215 BGB, wonach die Verjährung die Aufrechnung nicht ausschließt, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet werden konnte. Nach dem LSG in Stuttgart ergibt sich der Ausschluss der Aufrechnungsbefugnis allerdings aus § 325 SGB V aF (nun § 412 SGB V). Danach ist die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ausgeschlossen, soweit diese vor dem 01.01.2017 entstanden sind und bis zum 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurden. Durch diese Norm wurde mit Rückwirkung eine von Amts wegen zu beachtende „gesetzliche Ausschlussfrist“ eingeführt, die über den Charakter einer bloßen Übergangsvorschrift hinausgeht. Wenn danach ein Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Vergütung vor dem 01.01.2017 entstanden ist und bis 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht wurde, ist eine Geltendmachung des Anspruchs ausgeschlossen. Zur Geltendmachung gehöre aber nach Ansicht des LSG Baden-Württemberg jede Form der Rechtsdurchsetzung, sowohl aktiv als auch passiv und damit nicht nur die gerichtliche Klageerhebung, sondern auch die Aufrechnung. Von ihrer Konzeption her enthalte die Vorschrift tatbestandliche Voraussetzungen und eine Rechtsfolge, den Ausschluss der Geltendmachung des Anspruchs. Ausgehend von dieser Systematik gebe es nach Ansicht des Gerichts keine Grundlage für ein einschränkendes Verständnis, wonach mit Geltendmachung des Anspruchs auf der Rechtsfolgenseite nur die aktive Geltendmachung durch Klageerhebung gemeint sein soll. Damit wäre eine Aufrechnung vor dem 09.11.2018 noch wirksam, danach aber ausgeschlossen.

Die Auffassung des LSG Baden-Württemberg ist konsequent und schafft eine klare Trennlinie für die im Gesetz aufgenommene Ausschlussfrist für alle Arten der Geltendmachung. Gründe, warum eine Aufrechnung vor dem 09.11.2018 nicht wirksam sein sollte oder sogar noch bis zum 31.12.2018 möglich sein sollte, sind schwer zu finden, auch wenn durch die Möglichkeit der Aufrechnung die Aktionslasten zuungunsten der Krankenhäuser umverteilt werden und das eigentliche Ziel des Gesetzgebers – die Entlastung der Sozialgerichte – verfehlt wird. Dieses Ziel ist aber aufgrund der verhärteten Fronten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen wohl durch punktuelle gesetzliche Änderungen kaum zu lösen, wie auch die Reaktion auf das MDK-Reformgesetz zeigt.

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