Essen. Per “Trauerzug“ verabschiedeten sich gut 100 Demonstranten auch von der zweiten Klinik im Norden. Den Kampf um Ersatz wollen sie nicht aufgeben.

Als der "Trauerzug" um die Kurve biegt, muss der Altmeister des Italo-Western ran: Aus dem Lautsprecher scheppern die langgezogenen Mundharmonika-Töne aus „Spiel mir das Lied vom Tod“, und Jürgen Beese steuert seinen schwarzen Citroën C-Crosser in die Auffahrt des St. Vincenz Krankenhauses. Auf dem Anhänger ein blumengeschmückter symbolischer Sarg, dahinter knapp 100 Menschen, die sich nicht abfinden mögen mit der Schließung auch des zweiten Krankenhauses im Essener Norden binnen drei Monaten. Wenn am Donnerstag hier die Pforten endgültig schließen, geht es für sie erst richtig los.

Denn die Trauergemeinde, deren Zahl die zulässige Personenschar bei "echten" Begräbnissen übrigens um ein Vielfaches übersteigt, ist fest davon überzeugt, dass da noch was geht: Dass man mit einem Bürgerbegehren und nachfolgendem Bürgerentscheid "die Opfer einer schändlichen, der Geldgier geschuldeten Tat" retten kann, wie der ehemalige DKP-Ratsherr Beese in seiner Trauerrede beklagt, jedenfalls mittelbar.

Ein entscheidender Satz, mit dem sie die Hoffnung auf Ersatz verbinden

Helfen soll dabei dieser eine Satz: "Soll die Stadt Essen die Kommunale Klinken Essen gGmbH gründen und als deren Gesellschaftsgegenstand die Förderung der Gesundheitsversorgung in Essen durch Erhalt, Reaktivierung sowie Neugründung von wohnortnahen Klinikstandorten der Grund- und Regelversorgung festlegen?"

Kompliziert, ja. Es ist dies der dritte Formulierungs-Anlauf für den Krankenhaus-Entscheid, mit dem ausgebügelt werden soll, was nach Überzeugung der Kritiker nicht zuletzt jene vermasselt haben, die Marienhospital und St. Vincenz Krankenhaus nicht zu Hilfe geeilt seien, obwohl "sie es gekonnt hätten".

Protest gegen jene, "die helfen konnten", es aber nicht taten

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck zählen sie dazu, der die Schließung zwar bedauere, über einen Aufsichtsrats-Vertreter aber zugestimmt habe. Oder Brauerei-Geschäftsführer Thomas Stauder, "der den Essener Norden nur noch als Bierabsatzquelle sieht" und im Aufsichtsgremium ebenfalls nicht gegen die Schließung votierte.

Und nicht zuletzt: Oberbürgermeister Thomas Kufen, dem sie seine Rettungspläne nicht abnehmen: "Krokodilstränen" vergieße das Stadtoberhaupt - und setzte doch alles daran, das geplante Bürgerbegehren zu verzögern und "zu verunmöglichen", wie der Ex-Bürgermeister und Mit-Initiator Hans-Peter Leymann-Kurtz beklagt.

Contilia kontert Kritik: Gesundheitsversorgung bleibt auf hohem Niveau

Derweil verteidigt sich Klinikbetreiber Contilia gegen den Vorwurf, mit der doppelten Krankenhaus-Schließung in Altenessen und Stoppenberg die Gesundheit vieler Menschen im Norden zu riskieren: Auch ohne diese Standorte verfüge die Region "im bundesweiten Vergleich über eine herausragende Menge an exzellenten Krankenhäusern und eine stationäre Bettenkapazität, die die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger im ganzen Stadtgebiet auch in Zukunft auf hohem Niveau sicherstellt".

Bei hochdringlichen Erkrankungen wie Schlaganfall und Herzinfarkt könnten zum Beispiel gleich vier spezialisierte Krankenhäuser in der Stadt mit kurzen Fahrtzeiten erreicht werden, heißt es von Seiten der Contilia: "Und in den drei Notfallpraxen werden alle ambulanten Notfälle auch außerhalb der Praxiszeiten rund um die Uhr versorgt."

Das Contilia-Emblem auf dem T-Shirt? Lieber nicht

Darüber hinaus arbeite man an weiteren Verbesserungen, vor allem am Philippusstift, das die zentrale Rolle der Gesundheitsversorgung im Norden der Stadt übernehmen soll: Aktuell werde dort unter anderem die Aufnahmestation C3 vollständig modernisiert. Weitere Baumaßnahmen seien etwa in der Notfallambulanz, der Endoskopie und bei den Herzkatheter-Plätzen geplant.

Die "Trauergemeinde" überzeugt das nicht. Zu denen, die sich an diesem verregneten Mittwoch in die Demonstration eingereiht haben, zählen Ulrich Balster und Hatice Çelik. Er war 48 Jahre lang Krankenpfleger im Vincenz und hat erst im vergangenen Jahr den Kittel an den Nagen gehängt, sie hat an diesem Mittwoch ihre letzte Schicht und wechselt dann zum Uni-Klinikum.

Beide haben sich ein T-Shirt als Solidaritäts-Bekenntnis übergezogen: "St. Vincenz Krankenhaus forever" steht da, und drüber das alte Vincenz-Emblem. Die Contilia-Linde war als Emblem wohl nicht gefragt? "Nee, sicher nicht!"