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„Ich vertraue meinem Personal“

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Staatsanwältin Christina Kreis. Foto: Peter Jülich
Staatsanwältin Christina Kreis. © peter-juelich.com

Die kommissarische Leiterin der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt spricht mit der Frankfurter Rundschau über ihre Tätigkeiten.

Christina Kreis ist seit Ende 2018 stellvertretende Leiterin der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt und in dieser Funktion für Personalangelegenheiten in den hessischen Staatsanwaltschaften zuständig. Da die Nachfolge des im April 2020 in Ruhestand gegangen Leiters Helmut Fünfsinn noch nicht feststeht, ist die 54-Jährige seitdem auch noch kommissarische Leiterin der obersten hessischen Anklagebehörde. Seit Anfang 2020 ist Kreis zudem die erste Antisemitismus-Beauftragte bei der Generalstaatsanwaltschaft.

Sie machen derzeit die Arbeit der Leitung und der Stellvertreterin. Wie arbeitsintensiv ist Ihr Alltag im Moment?

Es ist eine sehr herausfordernde Zeit. Sagen wir mal so: Es gibt gute Gründe, warum es zwei Stellen dafür gibt (lächelt).

Seit wann wussten Sie denn, dass diese Doppelbelastung auf Sie zukommt?

Es hat sich Ende 2019 abgezeichnet, dass es wohl mehrere Bewerber geben wird. Der große Zeitfaktor in einem solchen Verfahren ist immer das Warten auf die Beurteilungen der Bewerber. Als Stellvertreterin war ich aber ohnehin bereits in alle Themen eingebunden. Zudem war ich vorher Leiterin einer Staatsanwaltschaft. Entscheidungsträgerin zu sein, war mir also nicht fremd.

Es gibt fünf Kandidat:innen. Wann wird eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gefunden sein?

Das kann ich nicht beurteilen, weil die Entscheidung nicht in der Kompetenz meiner Behörde steht. In der Vergangenheit haben schwierige Besetzungsentscheidungen durchaus längere Zeit in Anspruch genommen.

Sind Sie selbst in die Entscheidungsfindung mit eingebunden?

Natürlich nein.

Sie haben sich aber nicht selbst beworben?

Nein. Ich habe mich nicht beworben.

Wie sind Sie Antisemitismus-Beauftragte der Generalstaatsanwaltschaft geworden?

Die Justizministerin (hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann, Anmerkung der Redaktion) hat mich gebeten, diese wichtige Aufgabe zu übernehmen. Ich habe mich darüber sehr gefreut.

Wie kam es dazu, dass es überhaupt eine Antisemitismus-Beauftragte bei der Generalstaatsanwaltschaft gibt?

Einer der Auslöser war der Anschlag in Halle (Halle/Saale, Oktober 2019, Anmerkung der Redaktion). Bei einigen anderen Generalstaatsanwaltschaften, wie etwa in Bayern gab es derartige Stellen schon länger. Ich habe mich mit den anderen Antisemitismus-Beauftragten vernetzt und auch schon einige Anregungen mitgenommen.

Welche zum Beispiel?

Die Sprache ist zum Beispiel ein wichtiger Punkt, die Jüdischen Gemeinden haben Unverständnis über manche Formulierungen in Bescheiden von Staatsanwaltschaften geäußert, etwa im Zusammenhang mit Hetze oder Hass im Netz.

Haben Sie ein Beispiel?

Der simple und für Juristen gängige Satz „es ist strafrechtlich nicht relevant“ kann bei einem Anzeigeerstatter negativ ankommen, im Sinne, dass es auf seine Gefühle und Ängste nicht ankommt.

Zur Person

Christina Kreis ist seit 1995 Staatsanwältin. Im März 2000 wurde die gebürtige Gießenerin die Frau der ersten Stunde bei der Eingreifreserve der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt.

Es folgten Stationen bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, beim Bundesjustizministerium in Berlin und bei den Staatsanwaltschaften in Gießen, Hanau und Fulda, wo sie ab 2015 Behördenleiterin war. Seit 2019 ist die heute 54-Jährige stellvertretende Leiterin der Generalstaatsanwaltschaft, seit April 2020 auch kommissarische Leiterin. ote

Steht der Satz jetzt bei den hessischen Staatsanwaltschaften auf dem Index?

Wir müssen in diesem Zusammenhang versuchen, sorgfältiger zu formulieren und zum Ausdruck bringen, dass wir eine bestimmte Aussage für unangemessen halten, auch wenn sie keinen Straftatbestand erfüllt. Das Strafrecht ist nun mal häufig nicht das Allheilmittel.

Wieso ist die Stelle bei der Generalstaatsanwaltschaft angesiedelt? Die Vielzahl der angezeigten Delikte wie Hetze oder Grabschändungen werden doch in untergeordneten Behörden bearbeitet.

Ich führe die Ermittlungen nicht selbst, das ist richtig. Der Vorteil der Einrichtung bei der Generalstaatsanwaltschaft ist, dass man einen landesweit guten Überblick bekommt. Ich habe die Kollegen bei den Staatsanwaltschaften zudem gebeten, mich über bestimmte Tendenzen zu informieren und kann auch um eine einheitliche Handhabung in Einzelfällen bitten.

Sie sind mit der Stelle auch Ansprechpartnerin für Behörden im In- und Ausland sowie jüdische Einrichtungen. Welchen Kontakt gab es denn da bislang?

Zur Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und zum Zentralrat der Juden habe ich bereits Kontakt, den wir derzeit leider nur virtuell pflegen können. Durch Corona ist der persönliche Austausch bislang aber nicht wie wünschenswert möglich.

In Ihre Zeit als kommissarische Leiterin der Generalstaatsanwaltschaft fiel auch eine eher unschöne Personalie. Was haben Sie gedacht, als Sie davon hörten, dass gegen einen Ihrer Staatsanwälte, Alexander B., wegen Korruption und Untreue ermittelt wird?

Auch wenn es sich um ein noch laufendes Ermittlungsverfahren handelt, lassen die Vorwürfe einen fassungslos zurück. Ich denke, so ging es allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meiner Behörde.

Es gab Kritik an der Generalstaatsanwaltschaft, weil es dort, anders als bei den Staatsanwaltschaften, nicht das Vieraugenprinzip gab. Sie waren viele Jahre in Staatsanwaltschaften tätig. Hätten Sie das nicht bemerken müssen?

In die Prozesse der Zentralstelle war ich nicht eingebunden. Gerade, wenn es um eine komplexe Rechtsmaterie und auch komplexe Ermittlungen geht, ist der Handlungsspielraum von Experten groß und natürlich spielte auch Vertrauen eine große Rolle.

Ein Fehler?

Hier werden wir aber in Zukunft genauer hinschauen, mit Kontrollmechanismen. Trotz dieser Causa habe ich auch weiterhin Vertrauen in mein Personal. Wir haben in unserer Behörde Menschen, die für ihre Sache brennen.

Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Straftaten im Gesundheitswesen ist aufgelöst worden und soll jetzt in Fulda neu etabliert werden. Wie wird die Arbeit dort aussehen?

Es wird dort, genauso wie in Frankfurt, mehrere Staatsanwälte und Sekretariatsmitarbeiter geben. Die Kolleginnen und Kollegen in Fulda werden auch die noch laufenden Ermittlungsverfahren bearbeiten, haben also von Anfang an genug zu tun und werden sich schnell in dieses komplexe Deliktsfeld einarbeiten.

Die Causa B. hat ja zwei Facetten. Zum einen die persönliche Bereicherung, zum anderen aber auch das System der Ermittlung, die externen Gutachterkosten für die Untersuchung des mutmaßlichen Abrechnungsbetrugs in die Höhe zu treiben, um die Verdächtigen zu einem Schuldeingeständnis zu bewegen. Wird denn auch das System der Ermittlungen hinterfragt?

Die Ermittlungen zu gestalten, würde ich den Kollegen in Fulda überlassen. Wir haben aber auch schon Gespräche mit der Kassenärztlichen Vereinigung und anderen Institutionen geführt und mit anderen Generalstaatsanwaltschaften gesprochen, um Erfahrungen aus anderen Bundesländern zu sammeln. Ob und in welchem Umfang wir weiterhin externen Sachverstand benötigen werden, muss man abwarten.

Hat es in Ihrer Behörde denn weitere personelle Konsequenzen außer der Suspendierung von B. gegeben?

Nein, dazu haben die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main keinen Anlass gegeben.

Interview: Oliver Teutsch

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