L 5 KR 101/19

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 7 KR 396/17
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 101/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur obligatorischen Anschlussversicherung bei rückwirkender Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG

Der Anspruch auf laufende Leistungen nach dem AsylbLG stellt einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Sinne des § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V dar.
§ 5 Abs. 8a und Abs. 11 SGB V sind auf § 188 Abs. 4 SGB V weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
Die obligatorische Anschlussversicherung ist nicht ausgeschlossen, wenn die rückwirkende Bewilligung der Leistungen nach dem AsylbLG mehr als einen Monat nach dem Ende der Pflichtversicherung erfolgt (Abgrenzung zu LSG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 04.07.2019 - L 5 KR 208/18 - und - 5 KR 311/18-)
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 06.05.2019 wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung zweier stationärer Krankenhausbehandlungen.
Die Klägerin ist Trägerin des nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses L. In dem Krankenhaus war der 1976 geborene S S (im Folgenden: Patient) vom 10.04.2017 bis 13.04.2017 (10:54 Uhr) und vom 13.04.2017 (13:15 Uhr) bis 27.04.2017 in stationärer psychiatrischer Behandlung. Er wurde bei zugrundeliegender Suchterkrankung jeweils in einem hochgradig alkoholintoxikiertem Zustand aufgenommen. Dem zweiten Krankenhausaufenthalt lag eine Verordnung des Allgemeinmediziners Dr. L wegen Polytoxikomanie (F19.2), Opiatsubstitution (Z51.83) und Alkoholintoxikation zugrunde. Der Arzt kreuzte in der Verordnung "Notfall" an.
Der Patient ist türkischer Staatsangehöriger, geschieden und aufenthaltsrechtlich geduldet (Aussetzung der Abschiebung). Er übte ausweislich des Versicherungsverlaufs der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland-Pfalz seit dem 08.11.1994 in Deutschland verschiedene versicherungspflichtige Beschäftigungen aus, zwischenzeitlich bezog er auch Arbeitslosengeld II und war infolge dessen pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung. Zuletzt war der Patient bis 16.12.2016 aufgrund einer Beschäftigung bei der Beklagten pflichtversichert. Seither enthält der Versicherungsverlauf keine weiteren Einträge; auch gibt es keine Angaben über den weiteren Krankenversicherungsschutz des Patienten. Die Beigeladene bewilligte dem Patienten auf dessen Antrag vom Februar 2017 hin mit Bescheid vom 06.04.2017 für die Zeit von Dezember 2016 bis April 2017 laufende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Dem war ein Antrag des Patienten auf Arbeitslosengeld II am 16.12.2016 beim Jobcenter Vorderpfalz-Ludwigshafen vorausgegangen, das die Leistungsgewährung am 01.02.2017 unter Hinweis auf die Duldung abgelehnt hatte.
Bei der Krankenhausaufnahme am 10.04.2017 gab der Patient gegenüber der Klägerin an, bis 16.12.2016 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert gewesen zu sein. Die Klägerin veranlasste den Patienten daraufhin, eine Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auszufüllen; diese Anzeige wurde der Beklagten am 10.04.2017 übermittelt. Die Beklagte antworte mit Datenträgersatz vom 25.04.2017 an die Klägerin, dass der Leistungsanspruch des Patienten aktuell ruhe und von dem Ruhen nur solche Behandlungen ausgeschlossen seien, die sich auf Akuterkrankungen bezögen. Es werde um medizinische Begründung gebeten. Daraufhin führte die Klägerin am 25.04.2017 aus, dass die stationäre Aufnahme am 10.04.2017 in alkoholintoxikiertem Zustand mit 2,6 ‰ erfolgt sei. Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme ab und verwies die Klägerin an die Beigeladene. Auf die Kostenübernahmeanträge der Klägerin vom 23.05.2017 für beide Behandlungen hin teilte die Beigeladene der Klägerin mit Schreiben vom 09.06.2017 mit, dass eine Übernahme der Kosten nicht möglich sei, weil der Patient während der Behandlungszeiträume bei der Beklagten freiwillig krankenversichert gewesen sei.
Am 27.06.2017 stellte die Klägerin der Beklagten für die erste Behandlung einen Betrag in Höhe von 871,52 EUR (Blatt 41 der Gerichtsakte) und für die zweite einen Betrag in Höhe von 3.718,98 EUR (Blatt 40 der Gerichtsakte) in Rechnung und forderte zur Zahlung bis zum 11.07.2017 auf. Die Beklagte zahlte nicht.
Am 21.07.2017 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Speyer erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass der Patient seit dem 17.12.2016 bei der Beklagten freiwillig krankenversichert sei. § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V gelte hierfür nicht. Im Übrigen seien die Voraussetzungen von § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V nicht erfüllt, weil kein Fall von § 19 Abs. 2 SGB V vorliege. Hilfsweise sei von einer Pflichtmitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auszugehen. Die erste Auskunft der Beklagten (Datenträgerausdruck vom 25.04.2017) belege, dass sie selbst von einer Mitgliedschaft ausgegangen sei. Die Beklagte könne vorliegend auch kein Ruhen von Leistungsansprüchen einwenden, da die Aufnahme und Behandlung des Patienten notfallmäßig erfolgt seien. Zudem habe die Beigeladene bereits erklärt, die Beiträge für den Patienten zu übernehmen. Sollte der Patient nicht versichert gewesen sein, so müsse hilfsweise die Beigeladene die Kosten übernehmen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, dass nach dem 16.12.2016 keine Mitgliedschaft in der Auffangversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V entstanden sei. Eine Mitgliedschaft in der Auffangversicherung sei nach § 5 Abs. 8a, Abs. 11 SGB V ausgeschlossen, wenn ein Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG bestehe. Dabei reiche es aus, wenn der Anspruch dem Grunde nach bestehe. Aus dem gleichen Grund scheide auch eine obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V aus. Nach § 188 Abs. 4 Satz 3, 2. Alt. SGB V greife die obligatorische Anschlussversicherung nicht, wenn ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen sei. Dies knüpfe an § 5 Abs. 8a Satz 4 SGB V an; es gälten insoweit die gleichen Ausschlusstatbestände. Eine freiwillige Mitgliedschaft nach § 9 SGB V sei von dem Patienten inner-halb der Ausschlussfrist nicht beantragt worden.
Durch Urteil vom 06.05.2019 hat das SG Speyer die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 4.590,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.07.2017 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin die Vergütung für die notwendigen Krankenhausbehandlungen, die der Höhe nach korrekt abgerechnet worden seien, von der Beklagten als zuständiger Krankenversicherungsträgerin des Patienten beanspruchen könne. Die Versicherung ergebe sich aus § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Der Patient sei am 16.12.2016 aus der Versicherungspflicht als Beschäftigter ausgeschieden und die Versicherung habe sich als freiwillige Mitgliedschaft fortgesetzt. Ein Austritt sei nicht erklärt worden. Die rückwirkende Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG ändere am Eintritt der freiwilligen Versicherung in Form der obligatorischen Anschlussversicherung nichts. Soweit die Beklagte auf § 5 Abs. 8a Satz 1 und 2 SGB V verweise, gelte diese Vorschrift schon von ihrem Wortlaut her nicht für die obligatorische Anschlussversicherung des § 188 Abs. 4 SGB V. Dasselbe gelte für § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V. Etwas Anderes folge auch nicht aus § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V. Dessen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Für eine Familienversicherung bestünden keine Anhaltspunkte. Darüber hinaus habe für den Patienten auch kein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 SGB V bestanden. Hier habe der Patient durch den Bescheid der Beigeladenen vom 06.04.2017 rückwirkend ab Dezember 2016 Leistungen nach dem AsylbLG bezogen, welche eine andere Absicherung im Krankheitsfall darstellen würden. Jedoch sei dies nicht innerhalb der Monatsfrist des § 19 Abs. 2 SGB V, sondern erst knapp vier Monate später erfolgt. Es sei daher innerhalb der Monatsfrist des § 19 Abs. 2 SGB V, die bis Mitte Januar 2017 gereicht habe, nicht absehbar gewesen, ob und wann der Patient Leistungen nach dem AsylbLG erhalten werde. Dies wäre jedoch Voraussetzung für die Anwendung des nachgehenden Leistungsanspruchs des § 19 Abs. 2 SGB V gewesen. Zudem verlange § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V, dass im Anschluss daran (also mit Ablauf der Monatsfrist) das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen werde. Auch hieran fehle es, weil von Seiten des Patienten Mitte Januar 2017 kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen worden sei. Die zeitlich später erfolgte, rückwirkende Bewilligung von Leistungen nach dem AsylbLG ändere hieran nichts mehr. Somit sei der Patient ab dem 17.12.2016 kraft Gesetzes freiwilliges Mitglied bei der Beklagten geworden und mangels Austrittserklärung auch geblieben, so dass die freiwillige Mitgliedschaft auch im streitgegenständlichen Zeitraum Bestand gehabt habe.
Gegen das ihr am 23.05.2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.06.2019 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, dass das SG Speyer zu Unrecht von einer Buchstabeninterpretation von § 188 Abs. 4 SGB V ausgegangen sei. Es sei eine historische, teleologische und systematische Auslegung geboten. Die obligatorische Anschlussversicherung sei mit Wirkung vom 01.08.2013 eingeführt worden, weil die Begründung der Auffangversicherung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V häufig an der fehlenden Mitwirkung der Betroffenen gescheitert sei. Personen, die die Voraussetzungen der obligatorischen Anschlussversicherung erfüllten, verwirklichten gleichzeitig den Tatbestand der Auffangversicherung. Deshalb müsse § 188 Abs. 4 SGB V im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ausgelegt und die Voraussetzung "keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall" müsse gleich verstanden werden. Es gälten dieselben Aus-schlusstatbestände. Da im Dezember 2016 aufgrund des Asylbewerberleistungsbezugs ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall bestanden habe, sei keine Anschlussversicherung entstanden. Deshalb habe auch keine Verpflichtung bestanden, auf eine Austrittsmöglichkeit hinzuweisen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 06.05.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
sinngemäß hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, an sie 4.590,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.07.2017 zu zahlen.
Sie hält das Urteil für zutreffend. Der Wortlaut von § 188 Abs. 4 SGB V sei eindeutig und abschließend. Zudem seien hier die Leistungen nach dem AsylbLG im April 2017 rückwirkend gewährt worden. Die Beteiligten hätten innerhalb des Monatszeitraums nach dem Ende der Beschäftigung keine Kenntnis davon gehabt, dass für diesen Zeitraum Leistungen bewilligt werden würden.
Der Beigeladene hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beigeladenen Bezug genommen; dieser ist Grundlage der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143, § 144, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß § 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet.
Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin für die zwei stationären Krankenhausbehandlungen des Patienten vom 10.04.2017 bis 13.04.2017 und vom 13.04.2017 bis 27.04.2017 eine Vergütung von insgesamt 4.590,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.07.2017 zu zahlen.
Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen eines Anspruchs auf Vergütung von stationärer psychiatrischer Krankenhausbehandlung eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG. Die Voraussetzungen der Vergütungsansprüche liegen hier vor, da die beiden stationären Behandlungen insgesamt medizinisch notwendig waren, beide der Höhe nach korrekt abgerechnet wurden und der Patient – was allein im Streit steht – während der Behandlungszeiträume bei der Beklagten krankenversichert war. Die Beklagte hat die Forderungen der Klägerin bislang nicht erfüllt.
Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass der Patient im maßgeblichen Zeit-raum vom 10.04.2017 bis 27.04.2017 bei der Beklagten in der obligatorischen Anschlussversicherung gemäß § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V freiwillig krankenversichert war.
Nach § 188 Abs. 4 SGB V setzt sich für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als freiwillige Mitgliedschaft fort, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt (Satz 1). Der Austritt wird nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist (Satz 2). Satz 1 gilt nicht für Personen, deren Versicherungspflicht endet, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllt sind oder ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 SGB V besteht, sofern im Anschluss daran das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen wird (Satz 3).
Hier waren die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V erfüllt und ein Ausnahmefall nach § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V lag nicht vor.
Zunächst endete die Versicherungspflicht des Patienten als Beschäftigter mit dem 16.12.2016 und er hat keinen Austritt aus der Versicherung erklärt; hierzu wird auf das Urteil des SG Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Des Weiteren ist ab dem 17.12.2016 bis zum Ende der Krankenhausbehandlung am 27.04.2017 keine andere vorrangige Pflichtversicherung begründet worden. Keiner der Pflichtversicherungstatbestände nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 SGB V war im Falle des Patienten erfüllt. Die Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist gegenüber der obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V generell nachrangig (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.2019 – B 12 KR 20/18 R, juris, Rn. 25). § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V setzt voraus, dass die Person keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall hat. Diese Versicherungspflicht ist nach § 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V unter anderem dann ausgeschlossen, wenn die Person freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Da durch § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V eine freiwillige Mitgliedschaft begründet wird, folgt aus der Gesetzessystematik der Nachrang der Auffangpflichtversicherung. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Die Neuregelung des § 188 Abs. 4 SGB V sollte für Personen, deren vorhergehende Versicherung bei einer Krankenkasse endet, ohne das sich unmittelbar ein weiterer vorrangiger Versicherungspflichttatbestand anschließt, den Grundsatz des Vorrangs der freiwilligen Versicherung vor der nachrangigen Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V stärken (vgl. BT-Drucks 17/13947, S. 27).
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auf § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V die für § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V normierten Ausschlusstatbestände in § 5 Abs. 8a SGB V und § 5 Abs. 11 SGB V nicht unmittelbar oder entsprechend anwendbar. Das SG hat zutreffend dargelegt, dass die genannten Ausschlusstatbestände sich nach ihrem Wortlaut (und auch nach ihrer systematischen Stellung) speziell auf die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V beziehen. Auch enthält § 188 Abs. 4 SGB V keinen Verweis auf die dortigen Ausschlussregelungen. Eine analoge Anwendung auf die obligatorische Anschlussversicherung scheidet für beide Ausschlussregelungen aus. Es gibt schon keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass § 188 Abs. 4 SGB V insoweit eine planwidrige Regelungslücke aufweist. Der Gesetzgeber hat § 188 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 01.08.2013 in Reaktion auf praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Auffangpflichtversicherung verabschiedet. Hierzu sollte ausdrücklich die frühere Regelung in § 190 Abs. 3 SGB V in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung, die nur das Ende der Versicherungspflicht wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze zum Ablauf eines Kalenderjahres erfasste, ausgeweitet werden, und zwar auf "alle Personen, deren vorhergehende Versicherung bei einer Krankenkasse kraft Gesetzes endet" (BT-Drucks 17/13947, S. 27). Des Weiteren enthält die Neuregelung in ihrem Satz 3 einen eigenständigen Ausschlusstatbestand. Hierzu wird in der Gesetzesbegründung auf § 5 Abs. 8a Satz 4 SGB V hingewiesen (BT-Drucks 17/13947, S. 28). Ohne Weiteres hätten dann auch die in § 5 SGB V vorgesehenen weiteren, über § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V hinaus-gehenden Ausschlusstatbestände in der Neuregelung aufgegriffen oder im Wege der Verweisung für anwendbar erklärt werden können, wenn dies dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte. Insbesondere mit Blick auf die Sonderregelung für ausländische Staatsangehörige in § 5 Abs. 11 SGB V kann zudem eine vergleichbare Interessenlage von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 188 Abs. 4 SGB V nicht angenommen werden. Die von § 188 Abs. 4 SGB V erfassten Personen weisen durch ihre Vorversicherung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung bereits einen Bezug zu dieser auf, so dass für den Gesetzeszweck von § 5 Abs. 11 SGB V, eine Zuwanderung in die gesetzliche Krankenversicherung zu verhindern und die ausländerrechtlichen Anforderungen an einen existierenden anderweitigen Krankenversicherungsschutz nicht zu unterlaufen, kein Bedarf besteht.

Die spezielle Ausnahmeregelung in § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V war im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Auch dies hat das SG bereits zutreffend ausgeführt, so dass der Senat hierauf Bezug nimmt
(§ 153 Abs. 2 SGG). Zwar geht der Senat in Übereinstimmung mit der Beklagten davon aus, dass das Tatbestandsmerkmal des "Bestehens eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall" – entsprechend der für die Auslegung heranzuziehenden Regelung in § 5 Abs. 8a SGB V – dann zu bejahen ist, wenn unter anderem ein Anspruch auf laufende Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 04.07.2019 – L 5 KR 208/18 und L 5 KR 311/18, juris, nicht rechtskräftig) und nach § 2 AsylbLG besteht. Das war hier der Fall, wie aufgrund der Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG ab Dezember 2016 durch die Beigeladene feststeht (vgl. zu § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V: BSG, Urteil vom 06.10.2010 – B 12 KR 25/09 R, Rn. 17, juris). § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V stellt für den Ausschluss der obligatorischen Anschlussversicherung indes weitere Voraussetzungen auf, welche vorliegend nicht erfüllt sind. Denn im Falle des Patienten bestanden weder die Voraussetzungen einer Familienversicherung noch ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 SGB V. Nur wenn dies der Fall ist, erlangt nach dem eindeutigen Wortlaut von § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V der Nachweis des anderweitigen Anspruchs auf Krankheitsabsicherung überhaupt Relevanz. Nach § 19 Abs. 2 SGB V besteht dann, wenn die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger endet, Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Für das Konkurrenzverhältnis zwischen diesem beitragsfreien nachgehenden Leistungsanspruch und der Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V hat das Bundessozialgericht geklärt, dass der nachgehende Leistungsanspruch nur gegeben ist, wenn aufgrund einer Prognose davon auszugehen ist, dass spätestens nach Ablauf eines Monats eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall begründet werden wird. Maßgeblich ist der zu erwartende Ablauf bei vorausschauender Betrachtung. Der Versicherungsstatus Betroffener darf nicht in der Schwebe bleiben (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2012 – B 1 KR 19/11 R, Rn. 30 ff., juris). Die Prognose ist am Ende der bisherigen Pflichtversicherung – hier mit dem Ablauf des 16.12.2016 – zu treffen; ergibt sich bei einer ursprünglich positiven Prognose während des Monats eine Änderung der Verhältnisse, so ist die Prognose neu vorzunehmen. Stellt sich im Laufe des Monats vorausschauend heraus, dass sich an den nachgehenden Leistungsanspruch kein Versicherungspflichtverhältnis nahtlos anschließen wird, so entfallen die Voraussetzungen für den nachgehenden Leistungsanspruch ab diesem Zeitpunkt und die Versicherungspflicht richtet sich nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (vgl. BSG, Urteil vom 04.03.2014 – B 1 KR 68/12 R, Rn. 25, juris). Das Konkurrenzverhältnis zwischen der obligatorischen Anschlussversicherung und dem nachgehenden Leistungsanspruch ist in § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V im Ansatz entsprechend geregelt, so dass die dargestellten Grundsätze übertragbar sind. Hinzu kommt in § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V indes das in § 5 Abs. 8a SGB V nicht enthaltene Erfordernis, dass das anschließende Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall "nachgewiesen" werden muss. Über diesen Unterschied im Wortlaut beider Regelungen kann bei der Auslegung nicht hinweggegangen werden.
Vorliegend konnte mit dem Ablauf des 16.12.2016 nicht prognostisch angenommen werden, dass der Patient innerhalb eines Monats eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall erhalten würde. Einen Anspruch auf das von ihm beantragte Arbeitslosengeld II, an dessen Bezug eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V anknüpfen würde, hatte er nicht, was durch das zuständige Jobcenter erst am 01.02.2017 festgestellt wurde. Dass der Patient letztlich ab Dezember 2016 laufende Leistungen nach § 2 AsylbLG empfangen würde, war am 17.12.2016 nicht absehbar. So wurde der Antrag auf diese Leistungen erst im Februar 2017, nach der Ablehnung von Arbeitslosengeld II, gestellt. Selbst wenn man annimmt, dass ursprünglich wegen der Erwartung, dass dem Patienten spätestens mit Ablauf eines Monats erneut Arbeitslosengeld II bewilligt werden würde, am 17.12.2016 ein nachgehender Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V begründet worden wäre, so wäre diese Prognose im Laufe des anschließenden Monats bis spätestens am 16.01.2017 dahingehend zu korrigieren gewesen, dass dies (doch) nicht der Fall sein würde. Dann wäre der nachgehende Leistungsanspruch jedenfalls entfallen und die Anschlussversicherung eingetreten. Hinzu kommt, dass der von § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V geforderte Nachweis eines spätestens ab dem 17.01.2017 anschließenden anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall vorliegend objektiv nicht geführt werden konnte. Ein Nachweis über eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall lag tatsächlich erst durch den rückwirkenden Bewilligungsbescheid der Beigeladenen vom 06.04.2017 vor. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten weder der Patient noch die Beklagte wissen, ob, ab wann und auf welche Weise der Patient anderweitig als durch die obligatorische Anschlussversicherung im Krankheitsfall abgesichert sein würde. Eine solche Ungewissheit über den Versicherungsstatus des Betroffenen ist, wie ausgeführt, zu verhindern. Dies führt in einer Konstellation wie der vorliegenden, in der nicht bis spätestens bis zum Ablauf eines Monats nach dem Ende der vorherigen Pflichtversicherung objektiv geklärt (nachgewiesen) ist, ob eine anderweitige Absicherung besteht, dazu, dass die Ausnahmekonstellation nach § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V nicht vorliegt und es beim Regelfall des § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V, mithin dem Zustandekommen einer freiwilligen Versicherung, bleibt. Ob dies anders zu beurteilen sein könnte, wenn entweder der Betroffene oder der spätere Leistungsträger die verspätete Klärung der anderweitigen Absicherung bewusst herbeigeführt haben, bedarf keiner Entscheidung. Hierfür gibt es vorliegend keine Anhaltspunkte, da der Patient den Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG nachvollziehbarerweise erst verfolgt hat, als sein unverzüglich gestellter Antrag auf Arbeitslosengeld II abgelehnt worden war. Die Beigeladene wurde dadurch erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 188 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 19 Abs. 2 SGB V mit dem Vorgang befasst.
Der Senat weicht durch die vorliegende Entscheidung nicht von seiner bisherigen Rechtsprechung zum Verhältnis der obligatorischen Anschlussversicherung zu einem laufenden Leistungsbezug im Sinne von § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V ab. Anders als im vorliegenden Fall war in den beiden am 04.07.2019 entschiedenen Fällen (L 5 KR 208/18 und L 5 KR 311/18) die Bewilligung der laufenden Sozialleistung, aus der sich der Nachweis des anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfalls ergibt, innerhalb eines Monats nach dem Ende der Versicherungspflicht erfolgt.
Der Zinsanspruch beruht auf § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V iVm § 288 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und § 9 Abs. 7 des Krankenhausbehandlungsvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V für das Land Rheinland-Pfalz (KBV-RP).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es entsprach nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, weil die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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