Francesco Maisano, der frühere Leiter der Herzchirurgie des Unispitals Zürich, steht seit Monaten in der Kritik. Der Fall hat weite Kreise gezogen. Das sind die Hintergründe.
Der Italiener Francesco Maisano leitete ab 2014 die Klinik für Herzchirurgie des Zürcher Universitätsspitals. Im Dezember 2019 hat ein Whistleblower, der mit Maisano zusammenarbeitete, schwerwiegende Vorwürfe gegen ihn erhoben. Das Spital hat die Anschuldigungen von der Anwaltskanzlei Walder Wyss untersuchen lassen. Die Anwälte kamen zum Schluss, Maisano habe wissenschaftliche Berichte geschönt und Interessenkonflikte unterschlagen. Das Patientenwohl sei jedoch nie tangiert gewesen. Im Mai 2020 haben Tamedia-Zeitungen den Fall publik gemacht.
Laut einem im März 2021 veröffentlichten Bericht der Aufsichtskommission für Bildung und Gesundheit steht am Anfang des Konflikts eine Eskalation zwischen Herzchirurgie und Kardiologie des USZ. Als Maisano im Herbst 2014 zum Direktor der Klinik für Herz- und Gefässchirurgie ernannt wurde, habe Aufbruchstimmung geherrscht und habe sich die Zusammenarbeit verbessert. Doch Ende 2017 verliess Thomas Lüscher, der Leiter der Kardiologie, das USZ, und die Situation verschlechterte sich.
Lüschers Nachfolger Frank Ruschitzka brachte an einer Sitzung der Leitung des Herzzentrums Anschuldigungen gegen Maisano vor. Diese betrafen laut Bericht der Aufsichtskommission die angebliche Nichtoffenlegung von Interessenbindungen und die Unterschlagung von Komplikationen in Veröffentlichungen.
Maisano forderte daraufhin die Durchführung eines Audits. Die Resultate des Audits wurden am 29. Oktober 2019 vorgelegt und entlasteten Maisano weitgehend. Bald gab es jedoch Zweifel an der Unabhängigkeit der Auditoren. Mitte Dezember formulierte der Whistleblower dann seine Vorwürfe und überreichte sie der Klinikdirektion.
Der Whistleblower beschuldigt Maisano,
Die Anwaltskanzlei Walder Wyss stellte in einem im Frühling 2020 veröffentlichten Zwischenbericht fest, es gebe keine Hinweise auf Mängel in Bezug auf die medizinische Leistung Maisanos. Die Juristen kamen aber auch zum Schluss, Maisano habe Interessenkonflikte verschwiegen und Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften geschönt. Der im März 2021 veröffentlichte Schlussbericht bestätigte das damalige Bild.
Im Juli 2020 überreichte Maisano der Spitaldirektion eine über 100-seitige Stellungnahme. Darin heisst es in der Einleitung: «Die gegen Prof. Maisano vom Hinweisgeber erhobenen Vorwürfe sind ein unfundiertes Konstrukt zur Schädigung von Prof. Maisano.»
In der NZZ hat Maisano anschliessend erstmals öffentlich zu den Vorwürfen Stellung genommen: «Ich habe 25 Jahre lang als Herzchirurg gearbeitet, gut gearbeitet. Und jetzt kommt ein Whistleblower und verbreitet nachweislich faktenwidrige und verleumderische Geschichten. Das ist unethisch und braucht eine Reaktion.»
Zu den Vorwürfen, er habe Interessenbindungen verschwiegen, weil er finanziell vom Erfolg seiner Entwicklungen profitiert habe, sagte Maisano: «Mir wurde hier ein Strick gedreht aufgrund von vier Artikeln, bei denen es sich allesamt nicht um wissenschaftliche Publikationen handelt. Zudem habe ich dem Herausgeber meine Interessenbindung kommuniziert, er hat diese aber nicht gedruckt.» Der Herausgeber hat in einem Brief (welcher der NZZ vorliegt) an den USZ-Direktor Gregor Zünd bestätigt, die Interessenbindungen seien deklariert, jedoch nicht gedruckt worden.
Zu den Anschuldigungen, wissenschaftliche Artikel geschönt zu haben, sagte Maisano: «Es ist völlig verquer, mir nun vorzuwerfen, dass ich die wissenschaftliche Integrität verletzt hätte, weil ich und meine Kollegen in dieser Kurzpublikation, in der wir uns auf 250 bzw. 400 Wörter beschränken mussten, nicht alle Details des Eingriffs genannt haben.»
Anfang August hat das USZ gegen Maisano eine Strafanzeige wegen Verdachts auf Urkundenfälschung eingereicht. Das anschliessende Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Anfang 2021 eingestellt. Es war laut Oberstaatsanwaltschaft kein strafrechtlich relevantes Verhalten festgestellt worden. Das Spital hatte Maisano verdächtigt, trotz Beurlaubung auf das interne System zugegriffen und Daten verändert zu haben.
Die Ermittlungen drehten sich um einen Bericht, der von einem Mitoperateur Maisanos verfasst worden war und einen gemeinsamen Patienten betraf. Der Eingriff hatte im Jahr 2016 stattgefunden. Das Dokument wurde jedoch erst im vergangenen Frühsommer ins interne Krankenhausinformationssystem hochgeladen und dabei zurückdatiert.
Wer genau dafür verantwortlich war, konnte die Staatsanwaltschaft nicht eruieren. Eine Klärung drängte sich aus Sicht der Staatsanwaltschaft aber auch nicht auf. Denn es habe festgestellt werden können, dass es sich beim Bericht um kein Falsifikat gehandelt habe.
«Mangels objektiver Tatbestandsmerkmale» wurde das Verfahren wegen Urkundenfälschung daher eingestellt. «Dass eine Berichterstattung einmal vergessen geht, mag zwar unschön sein, kann aber vorkommen», schreibt die Staatsanwaltschaft. Aus ihrer Sicht liegt auch kein Fall von Datenbeschädigung vor. Denn der Bedeutungsgehalt bereits gespeicherter Daten sei nicht verändert worden.
Nicht nur gegen Maisano wurde im vergangenen Jahr Strafanzeige eingereicht, sondern auch gegen den Whistleblower, wobei die Urheberschaft unbekannt ist. Dem Mann wird vorgeworfen, die Patientensicherheit gefährdet zu haben. Eine interne Untersuchung des Unispitals hat den Whistleblower inzwischen entlastet, das teilte das USZ am 9. März mit.
Im Juni 2020 hatte bereits die Patientenstelle gegen Maisano Strafanzeige wegen Körperverletzung eingereicht. In allen Fällen gilt die Unschuldsvermutung.
Die wichtigsten Untersuchungen sind inzwischen abgeschlossen. Die Politik hat aber mit dem Untersuchungsbericht klargemacht, dass sie den Druck aufs USZ hoch halten will. «Wir erwarten, dass unsere Empfehlungen umgesetzt werden», sagte Claudia Frei-Wyssen (glp.), Präsidentin der Aufsichtskommission für Bildung und Gesundheit.
Wer im Spitalrat auf die drei abtretenden Waser, Lenzlinger und Lauffer folgen wird, ist derzeit noch unklar. Sie bleiben noch bis Ende Juni 2021 im Amt. Falls der Regierungs- und der Kantonsrat bis dann noch keine Nachfolger gefunden haben, allenfalls auch länger.