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Kliniken dürfen nicht geschlossen werden

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Mit dem Beginn der Corona-Krise wurden Krankenhäuser systemrelevant.
Mit dem Beginn der Corona-Krise wurden Krankenhäuser systemrelevant. © dpa/Peter Kneffel

In Krankenhäusern muss das Konkurrenzmodell durch neue Formen der Kooperation ersetzt werden.

Mit dem Beginn der Corona-Krise stiegen Krankenhäuser in eine Liga auf, in der sich bei vorigen Krisen die Banken getummelt hatten: die Liga der Systemrelevanz. Nicht nur die Menge der Intensivbetten und Beatmungsgeräte war relevant, sondern auch die Zahl und Qualität derjenigen, die sie bedienen konnten – das medizinische Personal. Fehlendes, unterbezahltes und am Arbeitszeitlimit arbeitendes Pflegepersonal rückte zu Recht in das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit.

Damit musste auch die zunehmende Privatisierung und Renditeorientierung der Gesundheitsversorgung zur Kenntnis genommen werden. Seit 2003 ist es für Krankenhäuser gesetzlich erlaubt, Gewinne zu erwirtschaften. Seit 2014 gibt es schon mehr private und privatisierte als öffentliche Krankenhäuser.

Unübertroffenes Extrembeispiel ist Hessen, das als einziges Bundesland sogar eine Universitätsklinik privatisiert hat, die Uni-Klinik Gießen-Marburg. Die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten nach der Übernahme durch die Rhön-Kliniken ließ nicht lange auf sich warten, wie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi anprangerte, und dürfte sich mit der aktuellen Übernahme durch den Hamburger Asklepios-Konzern noch weiter zuspitzen.

Geräuschlos wurde die Bereitstellung von Intensivbetten von der Fallpauschale ausgenommen, die ansonsten vor allem den Kliniken in öffentlicher Trägerschaft Probleme bereitet. Die Fallpauschale bildet nämlich nicht die Kosten einer Behandlung ab, sondern normierte Fälle. Komplikationen im Behandlungsprozess gehen zu Lasten der Kliniken. Die Folge ist eine beständige Unterfinanzierung vieler Krankenhäuser. Besonders Kinderabteilungen sind davon betroffen, wie Ende 2019 die Schließung der Kinderstation in Parchim durch Asklepios wieder verdeutlicht hat.

Herbert Storn ist Mitglied bei Gemeingut in BürgerInnenhand. Er schrieb das Buch „Germany first – Wie eine Doktrin Demokratie, Rechtsstaat und sozialen Zusammenhalt bedroht“.

Herbert Storn ist Mitglied bei Gemeingut in BürgerInnenhand. Er schrieb das Buch „Germany first – Wie eine Doktrin Demokratie, Rechtsstaat und sozialen Zusammenhalt bedroht“.

Wer aber gehofft hat, dass durch die Krise ein Umdenken stattgefunden hat, muss feststellen, dass der Privatisierungs- und Konzentrationsprozess im Gesundheitsbereich unverdrossen weitergeht und die Bundesregierung Krankenhausschließungen sogar fördert - mit jährlich etwa 500 Millionen Euro. Dies wird flankiert von der Bertelsmann-Stiftung, die in einer Studie dafür plädiert, die Zahl der Krankenhäuser um 60 Prozent zu reduzieren. Tatsächlich gehen nicht nur die Schließungen weiter. Der „Krankenhaus Rating-Report 2020“ hat für mehr als ein Drittel der Kliniken ein mittleres bis hohes Insolvenzrisiko errechnet.

Das Kliniksterben hat die Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) zum Anlass genommen, eine Kampagne gegen weitere Krankenhausschließungen und für Krankenhäuser als öffentliches Gemeingut zu starten. Die Initiative fordert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf, jede Klinik zu erhalten und die Finanzierung zu sichern.

GiB kann dabei auf die Mitarbeit erfahrener Fachleute aus dem Krankenhausbereich setzen. Rückenwind gibt auch eine von GiB bei Forsa in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage, nach der 88 Prozent der Bevölkerung Krankenhausschließungen ablehnen und 96 Prozent die Patientenversorgung wichtiger finden als die Wirtschaftlichkeit.

Wie kommt es aber, dass große Mehrheiten in der Bevölkerung von der offiziellen Politik einfach ignoriert werden? Bei der Beantwortung dieser Frage muss daran erinnert werden, dass es nicht zufällig das Jahr 2003 beziehungsweise 2004 war, in dem das zur Kostensenkung gedachte Prinzip der pauschalierten Abrechnung auf fast alle Krankenhausbehandlungen, ausgenommen die Psychiatrie, ausgedehnt wurde (Fallpauschale).

Es war die Zeit des zweiten Kabinetts Schröder/Fischer, eine Zeit, in der neben dem bis dahin und seither größten Steuerabbauprogramm zur Entlastung deutscher Unternehmen auch die Agenda 2010 mit ihren prekären Arbeitsverhältnissen beschlossen wurde, um den Standort Deutschland und seine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und immer höhere Exportüberschüsse zu erzielen.

Die Kehrseite aber war der staatliche Rückbau, insbesondere der heute beklagte Personalabbau im öffentlichen Dienst und eben auch die Reduzierung der öffentlichen Krankenhäuser. Um daran etwas zu ändern, muss die Fixierung auf den internationalen Wettbewerb durch eine auf die Befriedigung der artikulierten Bedürfnisse der Bevölkerung gerichtete Politik abgelöst werden, also eine Politik der „Binnen-Orientierung“. Es wird Zeit, dass Konkurrenzmodelle durch neue Kooperationsformen ersetzt werden. An privatem Vermögen zur Finanzierung fehlt es in der Bundesrepublik Deutschland wahrlich nicht!

Herbert Storn ist Mitglied bei Gemeingut in BürgerInnenhand. Er schrieb das Buch „Germany first – Wie eine Doktrin Demokratie, Rechtsstaat und sozialen Zusammenhalt bedroht“.

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