Eigentlich ist es paradox: Krankenversicherer müssen die Löhne Ihrer Chefs offenlegen. Ihre Branchenverbände Curafutura, RVK und Santésuisse nicht, obwohl deren Mitglieder diese letztlich auch mit Prämiengeldern finanzieren. Für die Offenlegung gibt es keine gesetzliche Pflicht. Nur der RVK, der Dienstleistungen für 24 kleine und mittlere Krankenversicherer anbietet, publiziert im Geschäftsbericht die Summen der Vergütungen seiner Geschäftsleitung sowie seines Vorstands.
Die Präsidenten Josef Dittli von Curafutura und Jürg Schlup von der Ärzteverbindung FMH sowie H+-Präsidentin Isabelle Moret legen auf Anfrage ihre Entschädigungen offen. Alle anderen Spitzenvertreter der Verbände der Apotheker, der Ärzte, der Pharmaindustrie und der Spitäler halten ihre Saläre unter dem Deckel. Dazu sagt SVP-Nationalrat Thomas de Courten, Präsident des Verbands der Generikahersteller Intergenerika: «Wir sind eine private Organisation, die der Öffentlichkeit keine Rechenschaft über die Löhne oder ihr Budget ablegen muss.»
Die «Schweiz am Wochenende» bringt nun Licht ins Dunkel und publiziert anhand von Recherchen die Bezüge der Präsidenten sowie Geschäftsleitern und Geschäftsleiterinnen dieser Verbände (siehe Kasten). Die Angaben wurden auf Anfrage weder dementiert, noch kommentiert. Dabei fällt auf: Obwohl die Verbände der Apotheker, Ärzte und Spitäler sowie des Kassenverbands RVK mehr als 30 Mitarbeiter beschäftigen, erhalten deren Chefs nicht die höchsten Löhne.
Zur Spitzengruppe zählt lediglich Verena Nold, Direktorin des grössten Kassenverbands Santésuisse. Sie leitet eine Unternehmensgruppe mit vier Firmen und 200 Mitarbeitenden. Nold dürfte gegen 300'000 Franken verdienen und Verwaltungsratspräsident Heinz Brand rund 120'000 Franken. Dazu sagt Brand: «Zu Mutmassungen über die Entschädigungen von Santésuisse nehmen wir keine Stellung.»
Die operativen Chefs von Curafutura, dem die Krankenversicherer CSS, Helsana, KPT und Sanitas angehören, sowie diejenigen der drei Verbände der Pharmaindustrie führen schlanke Geschäftsstellen mit bis zu 17 Beschäftigten. Dafür können sie sich auf Mitarbeitende ihrer Mitgliedfirmen abstützen, die ohne zusätzliche Entschädigung mitwirken. Keine Honorare beziehen auch deren Verwaltungsräte oder Vorstandsmitglieder.
Spitzenverdiener ist dennoch René Buholzer. Er ist Geschäftsführer von Interpharma, dem Verband der forschenden Pharmafirmen, dem die beiden Basler Konzerne Novartis und Roche angehören. Dahinter folgt Curafutura-Direktor Pius Zängerle, der 2016 seinen Lohn von 300'000 Franken gegenüber unserer Zeitung offengelegt hatte. Dazu kamen die Vorsorgebeiträge des Arbeitgebers sowie Spesen in der Höhe von 62'300 Franken.
Heute würden sie Angaben zu Budgets und Bezügen der Spitzenvertreter erst wieder publizieren, wenn die anderen Verbände dies auch täten, sagt ein Curafutura-Sprecher: «Das hatte nur dazu geführt, dass die Höhe der Entschädigungen unseres Präsidenten und Direktors stellvertretend für alle anderen kritisiert worden ist.»
Dabei ist mehr, nicht weniger Transparenz gefragt. Zumindest vonseiten der Politik. Denn die Präsidenten von Curafutura, der RVK, von Intergenerika und die Präsidentin von H+ sitzen als National- und Ständeräte in den jeweiligen Kommissionen für soziale Sicherheit und Gesundheit.
Daher sollen sie ihre Löhne offenlegen, fordert die grüne Nationalrätin Regula Rytz in einem Vorstoss. Das soll für alle bezahlten Mandate von Bundesparlamentariern bei Firmen und Verbänden gelten. Yvonne Feri, die als SP-Nationalrätin ebenfalls in der SGK sitzt, sagt, sie stehe für Transparenz ein. Die Bevölkerung habe ein Anrecht darauf, zu erfahren, wer durch welche Tätigkeit wie viel verdient: «Nur so kann eingeschätzt werden, ob jemand unabhängig ist oder eben nicht.» Sie prüfe, ob sie einen entsprechenden Vorstoss lancieren will.
Das stösst bei bürgerlichen Politikern und den betroffenen Verbänden auf Ablehnung. Jeder Verband habe seine eigenen Gründe, die Löhne der Spitzenvertreter nicht offenzulegen, sagt Ex-FDP-Nationalrat und Direktor des Gewerbeverbands, Hans-Ulrich Bigler: «Wir publizieren aus politischen Gründen keine Zahlen, um bei der Führung von Kampagnen Querschüsse zu vermeiden.» Auch bei Interessen- oder Berufsverbänden im Gesundheitswesen gebe es keinen Grund für mehr Lohntransparenz: «Das ist in der Schweiz nicht gefragt. Daher ist diese Diskussion unnötig.» (aargauerzeitung.ch)
Widerlich, wie die Teppichetage des Gesundheitswesens verdient und verdient, während sich Pflegende, Psychologen, Physios und co. kaputt arbeiten für einen Lohn, der auf keinen Fall ihre Verantwortung angemessen entlöhnt. Aber nein, sind ja (Frauen-) "Herzensjobs"!
So so, das ist also nicht gefragt? Also wenn der Herr Bigler das sagt muss das ja stimmen, was? Ich bin mir nicht so sicher, ob das eine Mehrheit in der Schweiz wirklich so sieht... 🧐