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Sozialgericht München, 16. Juni 2020, Az. 49 KA 287/18: Keine eigene ärztliche Leitung für PIA nach § 118 Abs. 1 SGB V

Hintergrund

Der Berufungsausschuss wies auf Widerspruch der Kassen den Antrag der Klägerin auf Feststellung der Änderung der Persona der ärztlichen Leitung einer PIA mit der Begründung ab, es müsse sich dabei um eine von der Persona der ärztlichen Leitung des ermächtigten psychiatrischen Fachkrankenhauses unterschiedliche Person handeln. Die hiergegen gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage des Krankenhauses hatte vor dem Sozialgericht München Erfolg; dieses gab der Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Juni 2020 statt. Der BA hat Berufung eingelegt.

Entscheidung des SG München

Das SG München hat sich der Rechtsauffassung des klagenden psychiatrischen Fachkrankenhauses angeschlossen, dass § 118 Abs. 1 SGB V keine ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung einer „gesonderten, effektiv verfügbaren ärztlichen Leitung vor Ort" enthalte.

Aus dem Wortlaut des § 118 Abs. 1 SGB V als Rechtsgrundlage der Ermächtigung lasse sich ein gebundener Anspruch von psychiatrischen Krankenhäusern auf Ermächtigung entnehmen. Unstreitig enthalte der Wortlaut auch keine weiteren Voraussetzungen, insbesondere keine Anforderung von effektiv verfügbarer ärztlicher Leitung vor Ort.

Eine solche Anforderung lasse sich entgegen der Auffassung des BA auch nicht aus dem Sach- und Regelungszusammenhang entnehmen. Der Kläger sei ein in den Krankenhausplan aufgenommenes Krankenhaus, diese Aufnahme entfalte Bindungswirkung für die Zulassungsgremien, auch hinsichtlich des Vorliegens der ärztlichen Leitung gem. § 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Gegen die vom BA vertretene Auffassung, dass an jedem Krankenhausstandort eine eigene ärztliche Leitung erforderlich sei, spreche, dass § 107 Abs. 1 Nr. 2 SGB V auch für ein Krankenhaus mit mehreren Standorten gerade keine eigene ärztliche Leitung für jeden Standort fordere. Im Wortlaut der Norm finde sich hierfür kein Anhalt.

Im Gegenteil habe der Gesetzgeber im Jahr 2015 mit § 118 Abs. 4 SGB V die Möglichkeit geschaffen, Krankenhäuser auch dann zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung zu ermächtigen, wenn die Versorgung durch räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen des Krankenhauses erfolgt. Selbst für diese Außenstellen habe der Gesetzgeber keine Notwendigkeit gesehen, die Ermächtigung vom Erfordernis einer gesonderten ärztlichen Leitung abhängig zu machen.

Daher spreche auch die rechtshistorische Entwicklung nicht dafür, dass der Gesetzgeber von Anfang an eine effektive ärztliche Leitung am Standort der Leistungserbringung zugrunde gelegt habe. Aufgrund der Regelung des § 118 Abs. 4 SGB V könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Fall, dass ein Krankenhaus mehrere Standorte habe, die nur unter „einer" ständigen ärztlichen Leitung stehen, übersehen habe.

Auch dem Hintergrund der Ausstattungsverpflichtung des § 118 Abs. 1 Satz 3 SGB V könne nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden. Der Gesetzgeber gehe an dieser Stelle explizit auf die ärztliche Ausstattung der PIA ein; davon dass er daneben - ungeschrieben - eine gesonderte ärztliche Leitung der PIA voraussetze, könne schwerlich ausgegangen werden.

Unabhängig vom Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke könne auch eine analoge Anwendung des § 118 Abs. 2 das Erfordernis einer gesonderten ärztlichen Leitung nicht begründen, weil dieses gar nicht Regelungsinhalt des § 118 Abs. 2 SGB V sei. Es handle sich dabei nicht um eine Anforderung an „die PIA", sondern an den Ermächtigungsadressaten, das Allgemeinkrankenhaus, und regle auch nicht die Ausgestaltung der PIA.

Auch eine analoge Anwendung der Regelung oder Rechtsprechung zu MVZ komme mangels vergleichbarer Interessenslage nicht in Betracht. Bei MVZs handle es sich, ebenso wie bei den Versorgungszentren nach § 119c SGB V um eigenständige, an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Einrichtungen, bei denen die maßgeblichen Vorschriften die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen vom Träger sicherstellen sollen.

Fazit

Die Entscheidung des SG München bestätigt die vom Krankenhaus von Anfang an vertretene Rechtsauffassung, dass es für die Ermächtigung nach § 118 Abs. 1 SGB V keiner gesonderten ärztlichen Leitung bedarf.

Die Fragestellung dürfte nicht nur für das klagende psychiatrische Fachkrankenhaus relevant sein, da sich in vielen Ermächtigungsbescheiden die den vorliegenden Rechtsstreit auslösende Nebenbedingung der unverzüglichen Mitteilung der Änderung der Person des ärztlichen Leiters der PIA befinden dürfte. Zudem wird in den Antragformularen für die erstmalige Ermächtigung immer die Angabe einer ärztlichen Leitung „der PIA" verlangt.

Da der BA auch in der Berufung weiterhin vehement die Auffassung vertritt, für die Ermächtigung nach § 118 Abs. 1 SGB V bedürfe es für den jeweiligen Standort der Leistungserbringung einer eigenen ärztlichen Leitung und diese dürfe nicht mit der Person der ärztlichen Leitung des ermächtigen Krankenhauses identisch sein und diese Anforderungen bei Erstermächtigung auch vom ZA gemacht werden, dürfte die Entscheidung des LSG große Relevanz für das gesamte Zulassungsverfahren nach § 118 Abs. 1 SGB V der hier beteiligten Parteien haben.